Die jährlichen Klavierkonzerte von Henriette Gärtner locken von Jahr zu Jahr mehr Besucher und Besucherinnen ins Schloss. Und so begann die jüngste Auflage mit Verzögerung, weil dauernd weitere Stühle für die andrängenden Massen herbeigeschafft werden mussten. Das spricht für die Musikerin.
Unter der Überschrift „Kompass“ spielte sie ein persönlich gefärbtes Programm. In ihrer gewinnenden Art führte Henriette Gärtner in die gespielten Werke ein, und die Besucher erfuhren, dass sie mit Clementis Sonaten in frühester Jugend das Klavierspielen gelernt hatte. Aus diesem Grund habe sie jetzt seine Sonate in B-dur ausgewählt. Auch aus einem anderen Grund: Im legendären Klavierwettstreit 1781 in Wien spielte Clementi diese und Mozart seine Variationen über „Ah, vous dirai-je, maman“. Das Publikum sprach damals Clementi den Preis zu. Mozart benutzte das Hauptthema dieser Clementisonate als Fugenthema in der „Zauberflöten“-Ouvertüre.
Beethovens letzte Klaviersonate in c-Moll (op. 111) sei ein Meilenstein für jeden Pianisten, das Endprodukt einer lebenslangen Beschäftigung mit und gleichzeitig das Zerbrechen der Sonatenform. Nach dem zweiten himmlischen, verklingenden Satz einer variierten Arietta sei kein dritter Satz mehr nötig oder möglich. In Schumanns Kinderszenen als Rückerinnerung eines Erwachsenen an seine Kinderzeit sei sie besonders von „Kind im Einschlummern“ angetan. Mit den effektvollen, mit schnellen Läufen und dichten Akkorden gespickten Variationen von Klavierbauer Henri Herz über „Non pìu mesta“ aus Rossinis Oper „Aschenbrödel“ schloss der erste Teil.
Den zweiten Teil füllte die zweisätzige c-Moll-Sonate von Beethoven aus, ein gewaltiges Spätwerk. Es ist ein Motiv aus 13 Tönen, das von Interpreten und Publikum einiges abverlangt. Für den Beifall, für die Blumen und Gaben bedankte sich Henriette Gärtner mit einem wunderschön gespielten Präludium von Bach in der Bearbeitung von Alexander I. Siloti.