Die Aufgewühltheit ist den beiden ehrenamtlichen Meßkircher Feuerwehrmänner Mario Droxner und Jan Umhauer noch deutlich anzumerken, als sie von ihrem Wochenendeinsatz im Ahrtal berichten, das durch die Flut vor über vier Wochen extrem verwüstet wurde. Mit 16 weiteren Kolleginnen und Kollegen schlossen sie sich einer Schweizer Hilfsorganisation an. Vor Ort trafen sie auf Zustände, die alles in den Schatten stellten, was sie jemals erlebt hatten. Die gesamte Infrastruktur ist zerstört, die Bewohner haben durch die Flutkatastrophe alles verloren, was sie besaßen, und Traumatisches erlebt. Die beiden Meßkircher wunderten sich, wie langsam die Rettung anlief. Sie wollen die Region weiterhin unterstützen und Privatleuten helfen.

Mario Droxner (links) und Jan Umhauer betrachten noch die wenigen Fotos von den Zerstörungen im Ahrtal, die sie aufgenommen haben. Die ...
Mario Droxner (links) und Jan Umhauer betrachten noch die wenigen Fotos von den Zerstörungen im Ahrtal, die sie aufgenommen haben. Die Feuerwehrleute halfen mit ihren Kollegen der Bevölkerung. | Bild: Isabell Michelberger

Einfach losfahren und anpacken keine effektive Methode

„Wenn ein Feuerwehrmann so etwas sieht, will er helfen“, erzählen der Bautechniker Mario Droxner und der Straßenbauer und Baugeräteführer Jan Umhauer von den Bildern, die nach der Flutkatastrophe im Ahrtal in den Medien zu sehen waren. Doch einfach losfahren und anpacken ist keine effektive Hilfe. Sie muss strukturiert ablaufen, damit sie nützlich ist. Das war den beiden klar. Deshalb schlossen sie sich zuerst mit weiteren Kolleginnen und Kollegen zusammen, die mithelfen wollten, dann brauchte es Gerätschaften und eine Organisation, welche in die Hilfsstruktur eingebunden ist. „Wir hatten Kontakt zu einem ehemaligen Soldaten, der bei einem Schweizer Rescue-Team aktiv ist“, erzählt Jan Umhauer. „Deshalb waren wir unter Schweizer Flagge tätig.“

Am linken Haus sind die Spuren der Flut, die unter den Fenstern des zweiten Stockwerks enden, noch gut zu erkennen.
Am linken Haus sind die Spuren der Flut, die unter den Fenstern des zweiten Stockwerks enden, noch gut zu erkennen. | Bild: Mario Droxner/Jan Umhauer

Fast sprachlos über das Ausmaß der Zerstörung

Von den Schweizern erhielten sie den Passierschein ins Unglücksgebiet und bekamen in deren Basislager die notwendigen Instruktionen, welches beispielsweise ihr Einsatzgebiet ist. Das Camp lag oberhalb des Ahrtals, idyllisch in den Weinbergen, mit einem Blick in die Weite. „Dann geht man nur 500 Meter einen Landwirtschaftsweg hinunter Richtung Ahr und ist geschockt“, schildert der Bautechniker den ersten Blick auf das verwüstete Tal. „Schlimmer geht es nicht“, beschreibt Jan Umhauer den Anblick von weggespülten Brücken, Kratern, wo früher Straßen waren, gestrandeten Autos, leergefegten Gebieten, wo früher Häuser standen, angeschwemmter Dreck und Unrat überall. Beiden fehlt noch immer die Sprache, um die Verwüstungen zu schildern, die das Wasser der Ahr angerichtet hatte.

Die Gruppe der Meßkircher Freiwilligen Feuerwehr sind mit Baggern und einem Lkw gekommen, um das schlimmste Chaos zu entfernen.
Die Gruppe der Meßkircher Freiwilligen Feuerwehr sind mit Baggern und einem Lkw gekommen, um das schlimmste Chaos zu entfernen. | Bild: Mario Droxner/Jan Umhauer

Szenen jenseits des Vorstellungsvermögens

Sie hätten viel Kontakt zu den Anwohnern gehabt, hätten viel zugehört, da das Bedürfnis, sich mitzuteilen, bei den Flutopfern groß sei. „Bei diesen Gesprächen lief uns die Gänsehaut über den Rücken“, berichten die erfahrenen Feuerwehrleute. In der Nacht, als die Flut kam, hätten viele Familien in den alten Häusern am Fluss die Dachlatten und Dachplatten weggeschlagen, um sich mit ihren Kindern auf den First ihres Hauses zu retten, das reißende Wasser teilweise nur einen Meter unterhalb ihrer Füße. Einige mussten zusehen, wie ihre Nachbarn weggetrieben und von Strudeln verschluckt wurden. Andere erzählen, dass riesige Gestände wie ein ausgewachsener Baum, der alles hätte mitreißen können, auf ihre Häuser zugetrieben sind. „Diese traumatischen Szenen übersteigen jedes Vorstellungsvermögen“, erzählt Mario Droxner. Manche könnten sich sogar an diese Nacht überhaupt nicht mehr erinnern, sie wüssten nicht mehr, was sie gemacht haben, ergänzt Jan Umhauer. Das Gehirn hätte die dramatischen und lebensgefährlichen Situationen gelöscht.

Kaum mehr etwas steht noch an seinem Platz im Tal. Die Idylle der Weinberge ist hingegen unberührt.
Kaum mehr etwas steht noch an seinem Platz im Tal. Die Idylle der Weinberge ist hingegen unberührt. | Bild: Mario Droxner/Jan Umhauer

Viele mussten drei Tage im obersten Stockwerk ihres Hauses ausharren –ohne zu wissen, ob der Rest der Familie noch lebt, ohne Strom, Wasser und Abwasser. Die gesamte Infrastruktur sei so radikal zerstört, dass es voraussichtlich viele Monate dauern werde, bis sie wieder hergestellt ist, vermuten die beiden Feuerwehrmänner. „Wir haben einen Gerüstbauer, der auch Winzer ist, kennengelernt. Er hat täglich über zwölf Stunden hart gearbeitet, um sein Häuschen zu finanzieren, in dem er mit Frau und zweijähriger Tochter lebte“, erzählt Umhauer. Im März sei endlich alles fertig geworden und jetzt stehe gar nichts mehr. Dieses oder ein ähnliches Schicksal teilen viele, was dem ein oder anderen den Lebensmut nahm. Die Suizidgefahr ist hoch.

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Diebstahl von Hilfsgütern

Was die Meßkircher ebenfalls schockierte und ratlos machte, sind Leute, die diese schlimme Extremsituation noch ausnützen. Sie erzählten davon, dass aus einer Kirche in Mayschoß Hilfsgüter geklaut wurden und in einem anderen Ort ein Lastwagen voller Bautrockner, die so dringend benötigt werden. Deshalb sei es unerlässlich, dass ein Wachdienst Tag und Nacht patrouilliere.

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Berührender Dank von den Betroffenen

Die Meßkircher Feuerwehrleute hätten vorwiegend den Privatleuten dabei geholfen, Schutt weg zu baggern und in den Häusern, die alle kernsaniert werden müssen, den Verputz weg zu schlagen. In Dernau haben sie einen kleinen Platz angelegt, auf den Container mit Hilfsgütern aufgestellt werden sollen. Mit Rührung nahmen sie den Dank der Bewohner entgegen. Manche hängten Laken heraus, auf denen „Danke“ stand oder ein Herz aufgemalt war. „Fotografieren konnten wir das nicht. Es hat uns zu sehr bewegt“, gestehen die beiden.

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Besonders drei Familien soll weiter geholfen werden

Unfassbar für die Meßkircher waren ebenso die Berichte, dass erst nach einer Woche erste Helfer über die Weinberge angekommen seien und jetzt, wo die Not so groß ist, die nahe gelegenen Feuerwehrleute in Bonn nach Griechenland abgezogen wurden. Für die Gruppe gilt: Sie möchten auch in den kommenden Monaten den Menschen im Ahrtal aus ihrer Not helfen. Sie konzentrieren sich dabei auf etwa drei Familien und würden sich wünschen, dass sie Unterstützung und Spenden erhalten, um zum Beispiel weitere Bautrockner zu kaufen.

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„Wir sind ein super Trupp“, strahlen Mario Droxner und Jan Umhauer. Von dem gemeinsamen Einsatz hätten sie nicht nur schlimme Eindrücke mit nach Hause gebracht, sondern ein gutes Gefühl aufgrund der Dankbarkeit der Menschen und dem Bewusstsein, dass dieses Erlebnis sie zusammengeschweißt habe. Das gibt ihnen die Kraft, weiter zu helfen.