Viele Jugendliche und junge Erwachsene leisten für ein Jahr einen Freiwilligendienst. Mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) engagieren sie sich beispielsweise in vielen sozialen und ökologischen Bereichen. Weniger bekannt dürfte sein, dass auch in der Denkmalpflege ein solches FSJ, beispielsweise über die Jugendbauhütte Baden-Württemberg in Esslingen, geleistet werden kann. Auch die Meßkircher Klosterbaustelle Campus Galli ist eine der Einsatzstellen der Jugendbauhütte. Jeweils im September beginnt das Freiwilligenjahr, und so sind hier seit September 2021 drei FSJler eingesetzt. Ihr Engagement hat die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und ihren Berufsplänen nachhaltig beeinflusst, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung berichten.
„Es funktioniert wirklich hervorragend. Die drei sind wirklich klasse und konnten toll ins Team integriert werden“, schildert Hannes Napierala, Geschäftsführer der Klosterbaustelle. Mit der Bewerbung bei der Jugendbauhütte für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege können die Bewerber Wünsche für Einsatzstellen nennen. Diese Anfragen werden an die möglichen Betriebe weitergeleitet. Bei einem Kennenlernen erfahren die Bewerberinnen und Bewerber, worauf sie sich einlassen und was sie noch nicht über die Einsatzstellen wissen.
Zahl der Stellen wuchs
Bereits seit drei Jahren werden FSJler auf der Klosterbaustelle eingesetzt, im ersten Jahr war es ein FSJler, im Folgejahr zwei und nun sogar erstmals drei. Während der Arbeit auf ihren Einsatzstellen finden für die FSJler in der Denkmalpflege immer wieder Seminarwochen bei unterschiedlichen relevanten Gewerken und Handwerken für Denkmalpflege und Restauratoren statt. „Viele, die als FSJler da sind, lernen das Handwerk so sehr lieben, dass sie danach eine handwerkliche Ausbildung beginnen“, so Napierala.
Das bestätigten die aktuellen FSJler, Hanne Dehmel, Josef Teuscher und Vinzenz Grunewald. Für Hanne Dehmel, 19 Jahre, aus Leipzig, war schon lange klar, dass sie nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr leisten möchte. Ihr Ziel für das Freiwilligenjahr lautete „offen für Neues und neue Erfahrungen“ zu sein. Bei den Recherchen ist sie auf die Jugendbauhütte gestoßen. So bewarb sich die Leipzigerin deutschlandweit bei den Jugendbauhütten. Ihr war wichtig, dass sie nicht die einzige FSJlerin im Betrieb ist und für den Meßkircher Campus Galli sprach, das es möglich ist, das Handwerk hier in seiner ursprünglichen Form kennenzulernen: wo die Hand im Handwerk noch nicht durch Maschinen ersetzt ist. Bislang verbrachte die junge Frau viel Zeit in der Schmiede und der Töpferei und wünscht sich nun, im Holzhandwerk zu arbeiten. Über den Winter nähte sie sich in mühevoller Handarbeit ihre eigene Tunika. Bei ihrem Freiwilligendienst lernte sie viel über die verwendeten Materialien und vieles, das sie im Leben weiterbringt. Dies beeinflusste ihre zukünftige berufliche Orientierung, beschreibt Hanne Dehmel. Ihre Zukunftsplanung sieht vor, eine Ausbildung zur Glasveredlerin zu machen. Zu den Tätigkeitsfeldern dieses Berufs gehören die Bleiverglasung, die Glasmalerei, der Glaszuschnitt und das Schleifen.

Wenige Meter weiter, in der Schindelmacherei, spalten Josef Teuscher und Vinzenz Grunewald in Handarbeit einen dicken Holzblock mit dem Schindeleisen und benötigen dafür viel Kraft. Als der „Holzrugel“ in zwei Teile bricht, ist Besucher Michael Weißer aus Radolfzell begeistert: „Jetzt haben sie‘s geschafft, großartig, große Klasse.“ An diesem Vormittag stellt der 20-jährige Vinzenz Grunewald, der aus Eningen bei Reutlingen stammt, Holzschindeln her, mit denen später Dächer von Gebäuden abgedeckt werden. „Mir gibt die Arbeit hier unglaubliche Zufriedenheit. Beim Handwerk sieht man einfach, was man gemacht hat.“ Nach dem Abitur an einem Technischen Gymnasium hatte er eigentlich eine einjährige Pause geplant. Im Anschluss an sein FSJ wird Vinzenz Grunewald in eine Zimmererlehre gehen. Der Ausbildungsvertrag dafür ist bereits unterschrieben. Der 20-Jährige begründet: „Dass es ins Handwerk geht, war schon immer klar. Aber dass es in die Zimmerei geht, habe ich hier aufgrund der verschiedenen Berufe entschieden.“
Meßkircher hat ein Heimspiel
Nebenan am Schnitzbock zieht Josef Teuscher mit dem Zieheisen Eichennägel ab, die nach einer zwei- bis dreijährigen Trocknungszeit für die Holzverbindungen an den Gebäuden verwendet werden. Für den 21-jährigen Meßkircher ist sein FSJ fast ein Heimspiel. Er hat bereits eine Ausbildung absolviert. Danach vereitelte die Corona-Pandemie die geplanten Auslandserfahrungen in Australien. Relativ schnell war Teuscher auf das FSJ in der Denkmalpflege gekommen. Die Tätigkeiten auf der Klosterbaustelle hatte sich Teuscher zunächst einen Monat lang als Freiwilliger angesehen. Nach seinem Freiwilligenjahr möchte er eine neue Ausbildung machen – im Maurerhandwerk. „Ich war hier viel auf der Maurerbaustelle eingesetzt und habe mich in den Kern des Maurerhandwerks verliebt“, beschreibt der 21-Jährige. „Ich komme aus einer Handwerkerfamilie, in der man viel mit Holz arbeitet. Holz war nie mein Material. Beim Stein, bei den Maurern, hat es sich richtig angefühlt,“ berichtet er.
Zunächst war es für Teuscher und Grunewald ungewohnt gewesen, dass die Besucher ihnen bei der Arbeit buchstäblich auf die Finger schauen und während der körperlichen Arbeit ihre Tätigkeiten zu erläutern. Aber auch daran haben sie sich schnell gewöhnt und es wurde für sie Alltag.
FSJler sind eine wichtige Hilfe
Von einem FSJ profitierten beide Seiten, so Napierala. Das Engagement der jungen FSJler stelle eine große Hilfe für den Baufortschritt auf dem Campus Galli dar. Aber auch die jungen FSJler hätten selbst etwas davon: So lernten die Freiwilligen eigenverantwortlich mit vielfältigen Materialien zu arbeiten, sie erweiterten ihre sozialen Kompetenzen und würden Selbstbewusstsein gewinnen, auch in Diskussionen mit Kollegen und Besuchern. „Ein Jahr zusammen schwitzen, leiden und arbeiten und zusammenwachsen als Team. Man lernt, seine eigenen Kräfte einzuschätzen“, beschreibt der Geschäftsführer das Freiwillige Soziale Jahr auf der Klosterbaustelle.
Das Wetter und die Jahreszeiten erleben die Freiwilligen auf Campus Galli besonders intensiv. Es gibt die sonnigen Frühsommertage, aber auch die pralle Hitze auf dem Acker. Im Herbst spüren sie wiederum die Kälte, Nässe und den pfeifenden Wind.
Jugendbauhütten
Die Jugendbauhütten sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der internationalen Jugendgemeinschaftsdienste. Das Netz der Jugendbauhütten weitet sich seit 2001 deutschlandweit aus. Seit 2019 gibt es einen Ableger in Esslingen am Neckar. Diese Bauhütten haben das Ziel, jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder Bundesfreiwilligendienstes in der Denkmalpflege für historische Bauten zu begeistern und für die Berufsfelder der Denkmalpflege zu gewinnen. Das Jugendbauhüttenjahr startet jährlich am 1. September für die Dauer von zwölf Monaten. Die Freiwilligen arbeiten für ein Jahr in Betrieben und Einrichtungen der Kultur- und Denkmalpflege in Baden-Württemberg mit. Die Arbeit in den Einsatzstellen wird durch sechs Seminarwochen ergänzt. Leiter der Jugendbauhütte Baden-Württemberg ist David Nonnenmann.