Das letzte Wegstück auf den umwaldeten Ramsberg bei Großschönach ist recht steil und nicht ganz leicht zu nehmen. Wenn aber das erste Stück Mauer der einstigen Burg der Grafen von Ramsberg auftaucht, wird schnell deutlich, dass hier ein Ort für Betende ist. Gebetsfahnen begrüßen die Gäste, die ab jetzt auf dem gesamten Areal zu finden sind. Zum Beispiel steht da: „Kyrie eleison“ – „Herr erbarme Dich“.
Botschaften am Jakobsweg
Herzstück der Klause St. Benedikt ist die Kapelle, die dem heiligen Wendelin geweiht ist. Sie ist Ziel zahlreicher Menschen und Anlässe. Zum Patrozinium am 20. Oktober oder im Marienmonat Mai kommen vorwiegend Menschen aus der Ortsgemeinde hier hoch, durch ihre Lage am Linzgauer Jakobsweg zieht sie Pilger auf dem Weg nach Konstanz an und im Gotteshaus pflegt Bruder Jakobus das monastische Stundengebet, das Teil seines Tagesablaufs ist. Nebenan, hinter einem Schopf, befindet sich der Wohn- und Arbeitsbereich, in dem Bruder Jakobus lebt.
In der warmen Jahreshälfte ist der Klauseneingang umrankt von zahlreichen Pflanzen. Bruder Jakobus lebt hier seit 26 Jahren. Am 30. Juni feierte er seinen 70. Geburtstag. Müde scheint er aber noch lange nicht, im Gegenteil: „Wir müssen nochmal ganz von vorne anfangen“, sagt Bruder Jakobus. Wie er das meint? „Die Stellung der christlichen Kirchen – teils sogar als ‚Staatsreligion‘ – wird heute in vielen Staaten zurückgedrängt und relativiert. Dennoch ist die christliche Botschaft mit den Kernaussagen der ‚Vergebung der Sünden‘ und des ‚ewigen Lebens‘ einzigartig und von großer Kraft. Diese Botschaften werden nicht über den Verstand, sondern nur über den Glauben wirksam“, erklärt er.
Kulturarbeit und hybride Seelsorge
Das manchen geläufige Einsiedlerbild des zurückgezogenen Eigenbrödlers hat Bruder Jakobus noch nie bedient. Das erkennt man schon an den vielen Menschen, mit denen er zusammenarbeitet, insbesondere im Förderverein Ramsberg-St. Wendelin bekommt er Unterstützung für seine Lebensform.
Wer die Klause betritt, merkt schnell, dass das Christentum auch eine Buchreligion ist. An manchen Wänden könnte man den Eindruck bekommen, dass gar kein Mauerwerk dahintersteht. Zahlreiche Bücher und Reihen hat er im Laufe der Jahre selbst betreut. Die meisten davon sind mittlerweile abgeschlossen oder eingestellt. Einige seiner Veranstaltungen nehmen auch nicht mehr so viel Zeit ein wie früher. Wenn es darum geht, Bedürftigen zu helfen, spricht er gerne von „hybrider Seelsorge“. Damit meint er „Seelsorge in untypischen Feldern, also nicht im rein kirchlichen Bereich, sondern in der offenen Gesellschaft, durch Ausstellungen zur christlichen Spiritualität oder einfach in Gesprächen, wenn jemand Rat sucht“.
Im Zentrum vieler seiner Themen stehen Menschen, deren Lebensweg die Gewohnheiten der meisten herausfordern. Antonius der Große, Evagrios Pontikos, Benedikt von Nursia, Gallus, Heinrich Seuse oder Claus Schenk Graf von Stauffenberg sind einige dieser Persönlichkeiten. „Über die Erfahrungen der genannten Menschen, die oft in Extremsituationen lebten und hier durch ihren Glauben reiften und zur ,Vollendung‘ kamen, kann ich meine eigenen Glaubenserfahrungen darstellen. Meine Kernmotivation richtet sich auf die Liebe dieser Personen, die sie aktivieren mussten, um anderen Menschen den Weg des Lebens zu zeigen, zu weisen und zu ermöglichen“, erklärt Bruder Jakobus über die Anziehungskraft solcher Menschen.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg, den manche als Militarist, Reichsmystizist, Rassist oder gar Volksverräter identifizieren, sieht Bruder Jakobus als Umkehrer: „Er war ein katholischer Adliger und ein Offizier mit ethischen Grundsätzen. Durch eine Todeserfahrung wurde ihm klar, dass er eine Tat setzen musste, um den verbrecherischen Krieg mit Millionen getöteter Menschen zu beenden. Alle, die sich gegen den dämonischen Geist Hitlers stellten, haben ein Zeugnis der Menschlichkeit und des Widerstandes gegen großes Unrecht gegeben. Das sollten wir stets dankbar bedenken und bewahren.“
Es darf also noch einiges vom Ramsberg-Bewohner erwartet werden. Aber wie auch immer die nächsten Kapitel im Lebensbuch von Bruder Jakobus aussehen, das „Ora et labora“, das „Bete und arbeite“, wird er beibehalten.