Das Verfahren gegen eine 35-jährige Pfullendorferin wegen Volksverhetzung ist vor dem Amtsgericht Sigmaringen vorläufig eingestellt worden. Amtsrichterin Kristina Selig verfügte lediglich eine Geldauflage von 500 Euro, die bis Mitte Dezember an eine gemeinnützige Hospizgruppe in Freiburg zu leisten sei.

Sechs Postings von Attila Hiltmann zu lesen

Die Frau ist als Mitorganisatorin der „Lichtspaziergänge“ tätig gewesen, die gegen die staatlich verordneten Corona-Maßnahmen protestierten. Dabei galt es Demonstrationen in Sigmaringen mit bis zu 200 Personen, in Pfullendorf, Mengen und Bad Saulgau anzumelden. Dafür hatte sie ihren privaten Telegram-Account genutzt. Das Gericht legte der Angeklagten zur Last, dort sechs Postings des flüchtigen, rechtsradikalen Kochs Attila Hiltmann verbreitet zu haben. Darin prangerte dieser nicht nur auf verächtliche Weise den deutschen Staat und die Polizeibehörden an. Hiltmann attackierte auch einzelne Personen wie Boris Palmer, den Oberbürgermeister von Tübingen. Ihn diffamierte er als „sadistische Judenratte“. Das Judentum wurde von ihm prinzipiell in weltverschwörerischer Manier dargestellt und unter einer Abbildung des Konterfeis von NS-Diktator Adolf Hitler deren Ausrottung begrüßt.

Beamter des Landratsamt erstattet Anzeige

Aufgestoßen war dies einem Beamten des Landratsamts, der dienstlich mit ihr wegen der angemeldeten Demonstrationen zu tun hatte und über diesen Internetdienst mit ihr kommunizierte. Der als Zeuge geladene 32-Jährige sagte vor Gericht aus, er hätte mehrfach aktiv werden müssen, da Umzüge wie in Inzigkofen nicht erlaubt gewesen seien. Auf dem Account der Angeklagten habe er auch Aktivitäten von wilden Gruppen wie den „Corona-Rebellen“ mit ihren antisemitistischen Inhalten bemerkt. Die unsäglichen Postings von Hiltmann seien aus seiner Sicht klar mit ihr zu identifizieren gewesen, deshalb seine Anzeige beim Staatsschutz.

Angeklagte verweist auf Zugriffsmöglichkeiten anderer

Zu den hetzerischen Postings von der Richterin direkt befragt, meinte die Angeklagte: „Die Kochbücher von Hiltmann konsumiere ich, da stehe ich als Veganerin ganz hinter ihm. Aber ich distanziere mich ausdrücklich von seinen Äußerungen.“ Sie hätte nicht jeden Beitrag mitbekommen und sie könne es sich nicht vorstellen, dass sie so etwas gepostet habe. Auch ihr Verteidiger Joachim Bloch hegte deutliche Zweifel an ihrer Urheberschaft. Schließlich hätte seine Mandantin ihren privaten Account auch für andere zugänglich gemacht, um die die „Montagsspaziergänge“ besser organisieren zu können. Dazu sei eine weitere öffentliche Chatgruppe mit ihren Zugangangsdaten eingerichtet worden, ein Ordnerkanal, in dem sich etwa 20 bis 25 Leute gemeldet hätten.

Zeugen bestätigen Darstellung

Auf dem privaten Telegram-Account der Angeklagten seien etwa 15 Personen direkt aufgenommen worden, sie hätten sich dort gegenseitig Nachrichten zuschicken können. Was auch die als weitere Zeugen geladenen Akteure, wie ein 48-jähriger Softwareentwickler als Hauptorganisator der Lichtspaziergänge sowie ein 57-jähriger Systemanalyst, als zeitweilige Nutzer bestätigten. Letzterer habe unter den diffusen Meinungsbeiträgen auch „etwas aufgeräumt“. In diesem Personenkreis wurde jedoch offenbar nicht weiter ermittelt.

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Nachdem die Angeklagte erstmalig Post von der Ermittlungsbehörde bekam, sei sie „aus allen Wolken gefallen.“ Danach hätte sie sämtliche Mitglieder entfernt und ihren Account wieder auf privat umgestellt. Rechtsanwalt Bloch bewertete das Gerichtsurteil mit sichtlicher Freude als „sehr galant“.