Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Sigmaringen haben sich die Täter zu verantworten.
Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Sigmaringen haben sich die Täter zu verantworten. | Bild: Hanser, Oliver

Vier von der Polizei ermittelte junge Erwachsene, drei Männer und eine Frau, waren an einem verheerenden Großbrand beteiligt, bei dem am 7. März dieses Jahres ein ehemaliges Bundeswehr-Munitionslager bei Sigmaringen-Jungnau förmlich in die Luft gesprengt wurde. Jetzt haben die Schöffen im Amtsgericht Sigmaringen unter Leitung von Richterin Kristina Selig in einer achtstündigen Sitzung erste Urteile über drei Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, wegen Diebstahl und Hausfriedensbruch gefällt. In einem Fall gab es keine Bewährung. Das Verfahren gegen einen vierten Mitbeteiligten wurde auf Intervention von dessen Verteidiger Jürgen Richter abgetrennt, der sich über ein wiederherzustellendes Video den Beweis der angeblichen Abwesenheit seines Mandanten verspricht.

Wachhäuschen gesprengt

Dass ihr nach reichlich Alkoholkonsum spontan beschlossenes Betreten eines umzäunten Geländes derart infernalische Folgen hatte, lag wohl an ihrer geweckten Neugierde, die in einem Bunker vorgefundenen Kartonagen mit Pyrotechnik, Sprengstoffen, Brandbeschleuniger und Kugelbomben auf Funktionalität zu testen. Mit diesen Materialien zerstörten sie eine Lagerhalle komplett, jagten ein Wachhäuschen in die Luft. Mehrere abgestellte Fahrzeuge brannten aus, darunter zwei Lastwagen, und eine Böschung geriet in Brand. Den Gesamtschaden bezifferte Staatsanwältin Katharina Heinzelmann auf 150.000 Euro.

Bewährungsstrafe ausgeschlossen

„Wir haben das witzig und schön gefunden“, sagte vor Gericht ein junger Mann mit flapsigen Manieren aus, der sich gegenüber der Polizei zunächst als alleiniger Akteur ausgab, um nicht als Verräter zu gelten. Jetzt muss er für ein Jahr und neun Monate hinter Gitter. Sein Vorstrafenregister sowie seine Hafterfahrung – er war erst im November 2022 aus der JVA Ravensburg entlassen worden – ließ keine Bewährungsstrafe mehr zu. Beim Verhör bezichtigte er den vom Verfahren später abgetrennten Angeklagten als einzigen Mittäter. Dieser gerade wegen versuchten Totschlags in der JVA Ravensburg einsitzende 22-Jährige wurde in Handschellen von einer größeren Abordnung von Sicherheitskräften der Justiz in den Gerichtssaal geführt.

Landeskriminalamt eingeschaltet

Seine Mitbeteiligung stellte er energisch in Abrede, sprach verschwörerisch von Absprachen unter den anderen drei. Weil er mit ihnen in Konflikt geraten sei, habe er das Gelände vorzeitig verlassen, ohne etwas mitzukriegen. Den Beweis soll nun eine Videoaufnahme seines ebenfalls auf der Anklagebank sitzenden 23-jährigen Kumpels liefern, der die Sprengung des Wachturms filmte. Bemühungen, die bereits vor Monaten im Handy gelöschte Aufnahme im Gerichtsaal zu reaktivieren, schlugen fehl. Jetzt sollen sich LKA-Experten darin versuchen.

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Tat mit Handy gefilmt

Der 23-Jährige mit seiner Handykamera spielte nach Einschätzung des Gerichts eine untergeordnete Rolle. Er habe zwar zugeguckt, wie die anderen beiden die Kartons mit dem Sprengmaterial hinaustrugen. „Doch ich hatte keinen Bock auf so was“, begründete er sein In-Sicherheit-Bringen. Die explodierte Hütte sei für ihn „zu krass“ gewesen. Das Video hierzu habe er nur gemacht, um seine Nichtbeteiligung dokumentieren zu können. Diese Selbstdarstellung nahm ihm das Gericht aber nicht ab, zumal alle Beteiligten gemeinsam, wie er zugab, hinterher im Auto die Filmsequenz anschauten. Auch dieser Mann hat zehn Eintragungen im Strafregister – von Diebstahl bis zur gefährlichen Körperverletzung. Das Gericht sprach ihn wegen Beihilfe schuldig, die sechsmonatige Haftstrafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Ihm wird ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Außerdem hat er eine Geldstrafe von 1500 Euro an das Haus Nazareth zu zahlen.

Frau erhält Geldstrafe

So richtig erschloss sich der Staatsanwältin nicht, wie die bisher unbescholtene 22-jährige Frau in diese Situation geraten war. Sie hatte die dreiköpfige Crew mit ihrem Auto vor das Gelände gefahren und harrte vor Ort aus, um sie wieder nach Hause zu bringen. Aus Angst und innerer Bestürzung heraus habe sie nicht handeln können, sagte sie: „Es wäre besser gewesen, die Feuerwehr oder Polizei zu rufen.“ Ihr Verteidiger Helmut Kabus meinte, Sippenhaft sehe das Strafrecht nicht vor, mehr als Hausfriedensbruch (die Frau gelangte über ein Loch im Zaun aufs Gelände) dürfe nicht geltend gemacht werden. Dennoch wertete das Gericht eine Billigung der Taten durch ihr Verweilen vor Ort. Ihre dreimonatige Haftstrafe wandelte Richterin Kristina Selig in eine Geldstrafe von 4500 Euro um.

60 Feuerwehrleute im Einsatz

Bei der Zeugenvernehmung kamen die Geschädigten, der Geländebesitzer und Mieter der Bunkeranlagen sowie ein Polizeikommissar und der Zugführer der Feuerwehr zu Wort – zwölf Fahrzeuge und 60 Einsatzkräfte waren für das Löschen der Brände erforderlich.