Herr Schröder, Sie stammen ja ursprünglich aus Berlin. Wie hat es Sie in den Süden verschlagen?
Johannes Schröder: Nach dem Abitur ging ich zum Zivildienst in ein Heim für Behinderte in der Nähe von Ravensburg. Und dort lernte ich dann meine Freundin kennen, die aus Albstadt-Truchtelfingen stammte. Mit ihr war ich sieben Jahre lang zusammen und ging später auch mit ihr nach Freiburg zum Studieren. Die Gegend um Albstadt und auch Sigmaringen kenne ich von daher auch noch recht gut.
Wie sind Sie als „Preuße“ mit dem schwäbischen bzw. alemannischen Dialekt zurechtgekommen?
Johannes Schröder: Ich war ihm zunächst hilflos ausgesetzt und hatte meine Schwierigkeiten. Später habe ich das eine oder andere selbst ausprobiert und manchmal versuche ich mich sogar auf der Bühne am schwäbisch-alemannischen Dialekt.
Nach dem Studium haben Sie zwölf Jahre lang als Deutsch- und Englischlehrer an einem Gymnasium in Offenburg unterrichtet. Waren Sie ein guter Lehrer?
Johannes Schröder: Ich war jedenfalls gerne Lehrer. In meinem Unterricht wurde immer viel gelacht. Die Kommunikation mit Schülern und Eltern hat mir immer Spaß gemacht. Vor allem auch meine Theater-AG hat mir viel Freude bereitet. Das andere, die vielen Konferenzen, die strengen Regeln, die vielen Korrekturen und der ganze administrative Teil haben mich aber sehr viel Kraft gekostet. Ich habe meine Notenlisten zum Beispiel immer als Letzter abgegeben.
Dann sind Lehrerinnen und Lehrer gar nicht die Faulenzer, für die sie ein Teil der Gesellschaft halten?
Johannes Schröder: Lehrer müssen jeden Tag schon frühmorgens in die Kommunikation mit 25 oder 30 Schülerinnen und Schülern rein. Da kann man sich nicht verstecken, auch nicht an schlechten Tagen. Die Schüler spüren sofort, ob man voll da ist, ob man authentisch ist oder nicht. Sie sind da die schärfsten Kontrolleure und noch viel strenger als das Publikum auf der Bühne. Dazu kommt noch, dass es heute viel mehr Schülerinnen und Schüler gibt, die eine besondere Aufmerksamkeit brauchen.
Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Johannes Schröder: Die Digitalisierung im Klassenzimmer, auch seit Corona, sehe ich durchaus kritisch. Viele Schüler verbringen sechs, acht Stunden oder mehr täglich am Bildschirm. Das macht auch etwas mit der Psyche der Jugendlichen. Dieses Thema habe ich übrigens auch in meinem früheren Programm „Instagrammatik“ angeschnitten.
Was würden Sie als Kultusminister von Baden-Württemberg anders machen?
Johannes Schröder: Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich re-analogisieren, wie es mittlerweile auch die skandinavischen Länder machen: wieder weg vom Tablet und vom Handy. In echten Büchern blättern, sich im Deutsch- oder Englisch-Unterricht auch auf der Bühne ausprobieren, Texte auswendig vortragen, echte Empfindungen, das echte Leben spüren. Nicht nur „Copy“ und „Paste“ mit ChatGPT.
Wird die Künstliche Intelligenz Schule weiter verändern?
Johannes Schröder: Das frage ich mich oft: Was brauchen Schülerinnen und Schüler in diesen Zeiten noch? Ist das Persönlichkeitsbildung, wenn man die K.I. irgendwelche Texte erstellen lässt und diese dann kopiert? Wollen Eltern wirklich Elternbriefe lesen, die nicht vom Lehrer, sondern von ChatGPT erstellt wurden? Oder liest das dann vielleicht auch gleich ChatGPT? Die Frage ist: Was ist Bildung eigentlich?
Was hat Sie schließlich veranlasst, den sicheren Hafen des Beamtentums aufzugeben und das Wagnis Comedy zu beginnen?
Johannes Schröder: In meiner Theater-AG habe ich Schüler ermuntert, auf der Bühne alles zu geben, dass man voll in der Rolle aufgeht, dass man mit Leib, Herz und Seele alles für sein Publikum gibt. Dabei ist mehr und mehr auch in mir der Wunsch entstanden, Neues auszuprobieren, auf die Bühne zu gehen.
Wie verlief dann der Absprung?
Johannes Schröder: Zuerst einmal habe ich ein „Sabbatjahr“ angespart und bin dann ein Jahr lang nach Kanada gegangen, wo mich niemand kannte und man auch als Laie auf kleinen, offenen Bühnen für ein Gratisgetränk fünf Minuten sein eigenes Programm vor zehn oder zwölf Zuschauern vortragen kann. Dort habe ich spätabends meine ersten Gags und Witze ausprobiert.
Hat es gleich gut geklappt?
Johannes Schröder: Überhaupt nicht. Ich bin von Haus aus eigentlich eher schüchtern und hatte beim ersten Mal einen riesigen Kloß im Hals. Aber danach sagte ich mir, okay, der Anfang ist gemacht. Und danach wurde es von Mal zu Mal besser und die Leute haben öfter auch gelacht.
Danach war klar, sie werden Comedian?
Johannes Schröder: Schon auf dem Rückflug aus Kanada verfestigte sich der Gedanke: Ich werde unter dem Künstlernamen „Herr Schröder“ als Lehrer auf die Bühne gehen. Sechs Jahre lang bin ich dann noch parallel in Teilzeit vor der Klasse und auf der Bühne gestanden. Bis ich mich dann endgültig entscheiden musste und mich für die Comedy entschieden habe.
Was sagten Ihre Kollegen, Ihre Freunde dazu?
Johannes Schröder: Sie waren eher wohlwollend, aber durchaus skeptisch – verbunden mit der Frage, wann ich wieder zurückkäme.
Mittlerweile füllen Sie große Hallen. Verlief der Übergang vom Lehrer zum Comedian problemlos?
Johannes Schröder: Im Grunde ist es etwas sehr Ähnliches, vor der Klasse oder auf der Bühne zu stehen: Man muss hier und dort alles geben. Und die Schule bietet doch für alle von uns so viele Anknüpfungspunkte, so viele gute und schlechte Erinnerungen, das ist so ein reichhaltiger Fundus, dass der Stoff hier niemals ausgeht.
Man sagt ja, Lehrer hätten ein besonderes Sendungsbewusstsein. Fühlen Sie auch auf der Bühne eine Art pädagogischen Lehrauftrag?
Johannes Schröder: Na ja, sagen wir es mal so: Anfangs war ich auf der Bühne eher zynisch, eher hart, habe mich zum Beispiel lustig gemacht über den überaus beliebten, aber vielfach beneideten Sportlehrer, die bildungsferne Spaßgurke aus der Turnhalle, der den pädagogischen Alltag leichter nimmt, Grillfeste veranstaltet. Heute vermeide ich diesen früheren Zynismus eher, bin vielleicht weicher geworden. Zynismus ist einfach. Es erfordert aber mehr Mut und Geschick, das Publikum mit weicheren, liebevolleren Witzen zum Lachen zu bringen. Den Zynismus meide ich auch deswegen, weil ich jungen Lehrerinnen und Lehrern ja nicht die Freude an ihrem großartigen Beruf nehmen möchte.
Es bleibt also in Ihren Augen ein großartiger Beruf? Könnten Sie sich vorstellen, wieder als echter Lehrer zu arbeiten?
Johannes Schröder: Ja, das könnte ich. Am liebsten würde ich an einer Schule wieder die Theater-AG leiten. Aber nicht mehr so viel korrigieren müssen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Roger Orlik