Wenn Narren eines können, dann Sprüche klopfen. Michael Fuchs, gelernter und sogar studierter Narr aus Radolfzell, weiß das. Für das neue Fasnachtsmuseum Langenstein, das am Rande eines Golfplatzes von Orsingen-Nenzingen hochgezogen wurde, ist ihm kein Maß zu klein. „Das wird das größte Fasnachtsmuseum in Deutschland“, sagt Fuchs. Als Präsident des Museumsvereins trieb er den Neubau entscheidend voran.
Tatsächlich ist das Haus, das in drei Jahren Bauzeit auf einem Grundstück der Familie Douglas erstellt wurde, ein starkes Stück. Von außen wirkt es wie ein modernes Schwarzwaldhaus. Viel Holz, dazu das geräumige und vorne leicht eingedellte Dach. Der Grundstückseigentümer wünschte sich eine Bauweise, die sich ins Schlossareal einfügt. So verfiel der Architekt auf die Optik eines Schwarzwaldhauses. 2,6 Millionen Euro wird das Ganze einmal kosten. Die Gelder seien schon fast alle beieinander, berichtet Carola Schäpke, die diese Baustelle begleitet hat – ehrenamtlich.

Wo von außen noch im Retro-Stil gefeiert wird, wird es im Inneren modern. Auf 1200 Quadratmeter Fläche breitet sich das Brauchtum aus. Die Häser und Masken aller 120 Mitgliedszünfte sind vertreten – in der Regel ein Stück pro Zunft. Der Architekt hatte dabei eine bestechende Idee, um das Gewimmel zu vermeiden, das sonst in Zunftstuben herrscht: Die verkleideten Puppen stehen in drei Etagen übereinander. Sie stehen wie in einem überdimensionalen Setzkasten vor gediegen einfarbigem Hintergrund. Das lässt Details wunderbar studieren.
Michael Fuchs weist darauf hin: Nicht nur die bunten Kleider der vielen Mitglieder sind hier repräsentiert. Auch das Geschirr und Geläute der Rebellen des Viererbunds wird ausgestellt (also Rottweil, Oberndorf, Elzach, Überlingen). Dazu kommen einzelne Larven und Kleidle von Zünften der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. Langenstein sieht sich als Querschnitt durch den fasnachtlichen Südwesten. Fasnacht hat sogar eine europäische und öffnende Dimension liest man später an anderer Stelle.
Der Neustart ist den Vereinen nicht leichtgefallen. Er geschah auch nicht freiwillig. Bisher saßen Schaukästen und Puppen in einem Flügel von Schloss Langenstein. Das war romantisch, aber unpraktisch. „Im Winter war es zu kalt, wir konnten nicht öffnen“, erinnert sich Schäpke. Ausgerechnet in den Wochen vor der Fasnacht standen die Freunde der Narretei vor verschlossenen Türen.
Den Ausschlag für den Auszug aus den bisherigen Räumen gaben die Schlosseigentümer. Sie wollen den Trakt anders nutzen, sanieren, exklusive Wohnungen einbauen. So standen die Brauchtumsleute auf der Straße. Verzagt waren sie nicht, ein Neubau stand bald im Raum. Der Trägerverein nutzte sein Netzwerk und sammelte kräftig. „Viele Handwerker haben umsonst gearbeitet“, berichtet Carola Schäpke stolz. Für manches Gewerk sei es eine Ehre gewesen, die Hand fürs große Werk zu reichen.
Von einem Heimatmuseum alten Schlages hat Langenstein nichts mehr. Viel Technik wird eingesetzt. Neben der närrischen Hardware (Schaufensterpuppen im Häs) macht die Software die Narrenzeit erst verständlich. Auch wird deutlich, wie beweglich manche Tradition ist, die heute für uralt gehalten wird. Im 19. Jahrhundert war von der alten Straßenfasnacht nur wenig übriggeblieben, dafür saßen Bürger im Stil der rheinländischen Karnevalisten bei aufgebauschten Bällen. Erst nach 1945 setzte die närrische Restauration ein und damit die Besinnung auf ältere Muster von Kleid und Maske.
NS-Zeit nicht ausgespart
Auch die dunklen Kapitel werden nicht ausgespart. Eindringliche Fotos zeigen, wie nach 1933 einige Umzugswagen und Gruppen die judenfeindliche Politik des Regimes spiegelten und mittrugen. Etwa, wenn sich Kinder als fliehende Juden mit Bärten und Koffern verkleideten. Mit Willy Hermann wird auch ein prominenter Büttenredner und Komponist von Fasnachtsliedern ins Bild gerückt. Hermann hatte nach 1933 Karriere als NS-Propagandaredner gedient.
Nach dem Krieg ging seine närrische Karriere geradlinig weiter, er wurde für seine Texte gefeiert. Seine Schmonzetten wurden bis 2018 geschmettert – das war das Jahr, als gemeinsame Recherchen des SÜDKURIER und des Stadtarchivars Jürgen Klöckler das braune Vorleben von Hermann erstmals ausleuchteten. Da war schnell Schluss mit lustig. Nur schade, dass der Text im Museum an diesem wichtigen Punkt nicht ganz auf dem Laufenden ist.
Erfreulicher ist das Podest, das für die Größen der Bühnenfasnacht errichtet wird. So gibt es mindestens ein Wiedersehen mit verstorbenen Größen wie Alfred Heizmann, Sigrun Mattes („Die Kuh vom Land“) und Lothar Bottlang („Der Bua vom Land“). Wer sich Zeit für diese Schau nimmt, weiß mehr über einen der wichtigsten Bräuche zwischen Bodensee und Schwarzwald. Und er hat guten Grund zum Schmunzeln, vielleicht nicht der geringste Grund, dieses Museum zu besuchen in einer Zeit, in der es immer weniger Grund zum Lachen gibt.