Militärpfarrer Stefan Havlik

„Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht.“ – So schildert der Evangelist Johannes den Moment, als Judas Ischariot die Gemeinschaft der Jünger verlässt, um Jesus zu verraten. Judas, der „Erzverräter“, wie ihn Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ darstellt, ist aber nicht nur ein Mensch, den Neid und Gier übermannen und der sich zum Verrat entschließt – er ist, auch am Abend des Gründonnerstags, wenn Christen auf allen Kontinenten in besonderer Weise des letzten Abendmahls Christi mit seinen Jüngern gedenken, ein Hinweis auf die bedingungslose Freiheit des Menschen.

Wir sind keine Marionetten im Puppenspiel eines Gottes, der Alles, was durch uns geschieht, in einem Drehbuch niedergeschrieben hat – und die Weltgeschichte gleicht nicht einer göttlichen Spieluhr in ihrem vorbestimmten Lauf. Von Anfang der Zeiten an ist es dem Menschen gegeben, sich für und gegen Gottes Gesetz, das Gute oder das Böse zu entscheiden. Auch wenn die Kirche von der Tätigkeit des Teufels in dieser Welt ausgehen muss, so entlässt es den Menschen in keinem Augenblick aus seiner Verantwortung: Es braucht ihn weiterhin dazu, dem Dunklen zu verfallen oder sich gegen alle Widrigkeiten für das Licht zu entscheiden.

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Menschen voller Gier

Der Mensch wird oft seiner Verantwortung nicht gerecht – das zeigt die Geschichte der Menschheit, das zeigt in immer rasanterem Tempo die Entwicklung des 21. Jahrhunderts. Da sind Menschen, die so von der Gier erfüllt sind, dass sie Gottes ganz und gar guter Schöpfung Alles entreißen wollen, um noch mehr eigenen Besitz anzuhäufen. Da sind Menschen, die die Ordnung der Schöpfung nicht anerkennen, sondern selbst nach der Rolle des Schöpfers streben. Der Verrat am Heilsplan Gottes ist nicht nur eine Entscheidung des Judas Ischariot vor 2000 Jahren.

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Der Verräter verlässt die Gemeinschaft – er geht hinaus in die Nacht, die Freude am Judaslohn der 30 Silberlinge wird nur kurz währen und er selbst der Finsternis verfallen. Auch wir als Kirche, die wir in der Gemeinschaft mit Christus und damit in seiner Nachfolge bleiben wollen, werden bis zum Ende der Zeit damit umgehen müssen, dass sich Menschen gegen Christus entscheiden, dass sie um der Gier, des Neides, der Macht willen den Weg in die Dunkelheit suchen. Höflicher Applaus dazu ist uns nicht möglich – es bleibt die Hoffnung, dass sich trotz aller grellen Angebote dieser Welt Menschen auch weiterhin entscheiden, im Saal des Abendmahls, in der Nähe Christi, auf dem Weg Gottes zu bleiben. Dafür bleibt uns Christen: Die Gemeinschaft der Kirche und das Gebet.