Gibt es Männer, die freiwillig singen? Ja, es gibt sie glücklicherweise noch. Während vielerorts die Glanzzeiten großer Männerchöre vorbei sind und diese aufgrund von Überalterung und Mitgliedermangel aufgelöst werden, blüht im Linzgau ein neuer Männerchor auf – der Linzgau-Chor.

Linzgau-Chor ist ein Männerchorprojekt in der Region

Knapp 40 Männer zwischen Überlingen und Wald finden hier zu den wöchentlichen Proben zusammen. Tiloudin Anjarwalla, ein erfahrener Chorleiter und Organist, studierter Schul- und Kirchenmusiker, leitet den Linzgau-Chor. Der 49-Jährige hilft den Sängern, Noten in Musik zu verwandeln.

Beim Betreten des Feuerwehrgerätehauses in Wald erklingt schon aus vielen Stimmen „Adiemus“ von Karl Jenkins. Zwar erinnern die Worte und Silben an Latein, doch in Wahrheit ist das Lied in einer Fantasiesprache gehalten. Nur der Titel „Adiemus“ ist lateinisch und bedeutet übersetzt „Wir werden aufsuchen“. Bekannt wurde das Lied vor 30 Jahren durch einen Fernseh-Werbespot der amerikanischen Fluggesellschaft Delta Air Lines.

Neuestes Mitglied ist 90 Jahre alt

Im Feuerwehrgerätehaus in Wald treffen sich die Sänger des Chores wöchentlich zur Probe und nehmen dafür auch gerne eine weitere Anfahrt auf sich. Eine breite Basis des Chores bildet der Sängerkranz Glashütte-Kappel, über einen Projektchor stießen Männer aus Überlingen, Altheim, Pfullendorf und Meßkirch dazu. Neuestes Mitglied des Chores ist seit Jahresbeginn Alois Widmann aus Heimatsweiler bei Altheim. Der 90-Jährige singt seit 66 Jahren. Ihn reizte es, in einem Männerchor im zweiten Bass zu singen. Im Linzgau-Chor ist er sofort angekommen: „Es ist wie eine große Familie. Die Kameradschaft hat sich gleich heimisch angefühlt.“ Das gemütliche Beisammensein nach der Probe ist fest etabliert.

Proben für eine Messe und weitere Auftritte

Derzeit probt der Linzgau-Chor auch für eine Messe von Charles Gounod, die am 5. Juli um 19 Uhr in der Pfullendorfer St.-Jakobus-Kirche und am 26. Juli um 18 Uhr in der Auferstehungskirche Überlingen aufgeführt wird. Für Samstag, 11. Oktober, steht ein großes Projekt an: Ein Abend der Männerchöre in der Walder Zehn-Dörfer-Halle mit sechs Formationen, berichtet Anton Hübschle, Vorsitzender des Männerchors Sängerkranz Glashütte-Kappel.

Chorleiter Tiloudin Anjarwalla ist zeitlich sehr eingespannt

Mit sicherer und erfahrener Hand leitet Tiloudin Anjarwalla den Männerchor.
Mit sicherer und erfahrener Hand leitet Tiloudin Anjarwalla den Männerchor. | Bild: Sandra Häusler

Viele Jahre unterrichtete er an der Schule Schloss Salem. Seit 2023 arbeitet er am Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg in Stuttgart. Doch die Leitung des Linzgau-Chores hat er gerne übernommen: „Es singen hier Männer, die tatsächlich begeistert sind und dabei sein wollen. Wir nehmen uns die Freiheit, alles zu singen, das für die Männer passt, von Messen bis zur traditionellen Männerchorliteratur. In Wald herrscht eine besondere Vereinskultur, die Männer sind so engagiert und der Linzgau-Chor ein funktionierender Männerchor, auch wenn mal Sänger ausfallen. Das Projekt ist die Klammer für mehrere Vereine. Wenn es irgendwo noch einen halben Männerchor gibt, darf er sich gerne melden und dazustoßen.“

Dirigent schreibt dem Linzgau-Chor die Noten auf den Leib

Die meisten Noten, wie den romantischen Evergreen „Du und ich im Mondenschein“ aus den Zwanzigerjahren, schreibt Tiloudin Anjarwalla dem Linzgau-Chor auf den Leib. Auf der Homepage werden seine Noten zum Herunterladen angeboten, und es gibt von einigen Stücken Videoanleitungen. Diese bieten dem ein oder anderen eine hilfreiche Unterstützung. „In den Proben soll möglichst viel Zeit für Musik und Freude an der Musik sein“, so Anjarwalla. Deshalb wird Organisatorisches im Vorfeld abgewickelt und über die Internetseite publiziert. Bei der Liedauswahl werden die Wünsche der Mitglieder einbezogen. Die soziale Komponente ist ein wichtiger Faktor des Chores.

Unterstützung von der Gemeinde

Vorsitzender Anton Hübschle dankt der Gemeinde Wald, dass sie dem Chor das Feuerwehrgerätehaus als Proberaum zur Verfügung stellt. Aus Hausen am Andelsbach hat Tenor Karl-Walter Arnold zum Linzgau-Chor gefunden: „Da gefällt es mir so, bei dieser guten Kameradschaft.“ Fritz Kille aus Walbertsweiler gegenüber dem SÜDKURIER begründet: „Singen im Alter ist gut für das Gehirn und die Lunge. Die Atmung wird trainiert.“ Er freut sich über den „hochqualifizierten und sehr menschlichen“ Dirigenten Anjarwalla, Karl-Walter Arnold stimmt ihm zu. Auch Martin Linné aus Überlingen nennt „die Freude am Singen und die große Bewunderung für unseren Chorleiter“ als Gründe, warum er so gerne Teil des Chores ist. Und warum singen Männer eigentlich überhaupt? „Weil sie zuhause in der Badewanne keiner hören will“, beantwortet Anton Hübschle lachend die Frage.