Brigach und Breg bringen die Donau zuweg: Diesen Spruch dürften im Südwesten die meisten Menschen kennen. Für Wanderer und Radfahrer entlang des – nach der Wolga – zweitlängsten Flusses Europas beginnt die Reise in Donaueschingen. Doch der Zusammenfluss der beiden Quellflüsse der Donau verkauft sich im Augenblick unter Wert, denn nur wenige Meter entfernt verläuft die B 27, eine Hauptverkehrsader im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Folge: Der Donauzusammenfluss ist lärmvermüllt, optisch langweilig und lädt nicht dazu ein, sich hier länger aufzuhalten.
Künftig soll alles besser werden – weil die B 27 vierspurig ausgebaut wird. Um den Flächenverbrauch auszugleichen, muss ein Rückhalteraum geschaffen werden. Da die Bundesstraße mit den neuen Fahrbahnen noch näher an den Zusammenfluss rücken wird, plant das Regierungspräsidium, diesen 300 Meter westlich in Richtung der Stadt Donaueschingen zu verlegen, Brigach und Breg zu renaturieren und einen Auwald zu schaffen. Donauschingens Oberbürgermeister Erik Pauly spricht gerne von einer „Jahrhundertchance“. Und dass nur ein Bruchteil der Kosten die Stadtkasse belastet, gefällt ihm und dem Gemeinderat natürlich auch.
Eine Chance, Natursünden wiedergutzumachen
In diesem Frühjahr beginnen die Voruntersuchungen, bis 2020 soll alles abgeschlossen sein. Für den neuen Donauzusammenfluss müssen das Kreistierheim und das Clubhaus der Hundesportfreunde umziehen – was kein Problem ist. Das Tierasyl ist total veraltet, erfüllt längst nicht mehr alle tierschutzrelevanten Kriterien und soll schon seit Jahren ersetzt werden. Die Hundefreunde müssen zwar ihren Übungsplatz mit einem schönen alten Baumbestand verlassen und ihr Clubhaus einige Hundert Meter entfernt neu bauen, doch bisher sind keine öffentlichen Klagen bekannt geworden.
Die Neugestaltung des gesamten Areals eröffnet die Chance, Natursünden aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Denn Brigach und Breg sind heute zwei kanalartig ausgebaute Flüsse. Norbert Menz von Menz-Umweltplanung in Tübingen ist für die ökologische Baubegleitung zuständig. Er stellte den beiden Gewässern ein schlechtes Zeugnis aus. An Fische, Insekten und Vögel habe man bei der Begradigung nicht gedacht. Jetzt sollen Brigach und Breg wieder mäandern dürfen. Sie erhielten den Raum zurück, um sich eigendynamisch weiterentwickeln zu können, sagt Marlene Reichegger, Projektleiterin im Regierungspräsidium.
Rückzugsräume für Fische und Vögel
Das heißt: Die Flüsse bekommen unterschiedliche Breiten und unterschiedliche Tiefen, damit Fische auch bei Niedrigwasser Rückzugsmöglichkeiten haben. Dann lagern sich auch wieder Sedimente ab, die Fische zum Laichen benötigen. Auch die Ufervegetation wird sich so verändern, dass sie zum Rückzugsraum von jungen Fischen und Lebensraum für Vögel und Insekten wird. Norbert Menz spricht sogar von Steilufern, die der Flussregenpfeifer zum Bruthöhlenbau brauche. Auch der Eisvogel könnte sich wieder ansiedeln. Der Ausbau einer Bundesstraße kann schöne Folgen haben.
Eine Gefahr für künftiges Hochwasser soll durch die Veränderungen des Flusslaufes nicht entstehen, versicherte Projektleiterin Marlene Reichegger: „Was heute hochwassersicher ist, wird auch hochwassersicher bleiben.“
Der lange Fluss
Die Donau, mit einer Länge von 2857 Kilometern nach der Wolga der zweitlängste Fluss in Europa, fließt durch folgende zehn Länder: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, die Republik Moldau und die Ukraine und damit durch so viele wie kein anderer Fluss auf der Erde. Die beiden Quellflüsse, Brigach und Breg, fließen bei Donaueschingen zusammen. Dabei gilt die Breg als der etwas größere Fluss. Sinnbildlich gilt zudem noch der Quelltopf des Donaubachs in der Nähe der Flüsse-Vereinigung als Donauquelle. Finanziert wird die Verlegung des Zusammenflusses letztlich massiv über EU-Mittel. Der Neubau des Kreistierheims soll ohne Zuschüsse etwa 2,8 Millionen Euro kosten. (sk)