Donaueschingen – Wer krank ist, geht zum Arzt. Das war schon immer so. Doch wird das auch so bleiben oder hält die Digitalisierung im medizinischen Bereich so stark Einzug, dass der persönliche Besuch beim Hausarzt dadurch überflüssig wird?
Heute schon ist es in vielen Arztpraxen gang und gäbe, dass der Patient mit einer vorgefertigten Einschätzung seines Leidens oder gar mit der festen Überzeugung einer Diagnose beim Mediziner auf der Matte steht, die er anhand modernster Technik in Erfahrung gebracht. Als „Dr. Google“ wird das Phänomen bezeichnet, das Menschen dazu veranlasst zunächst eine mal eine längere oder kürzere Internet-Recherche zu betreiben, bevor sie mit ihren Symptomen zum Arzt gehen. Wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, sind die Ärzte davon mehr und mehr genervt.
Der Hausarzt Karl Stuff aus Donaueschingen sieht das Thema „Dr. Google“ etwas entspannter. „Mich stört das nicht so massiv. Ich habe auch Verständnis dafür, dass die Patienten sich informieren möchten“, nimmt Stuff Stellung, der schon 33 Jahre lang als Hausarzt tätig ist. Für ihn sei es wichtiger, den Hintergrund für dieses Verhalten in Erfahrung zu bringen. „Das Internet kann ein persönliches Gespräch beim Arzt nicht ersetzen, denn oft stecken Ängste dahinter, die auch besprochen werden müssen“, erklärt der Hausarzt. Eine viel wichtigere Fragestellung für die Zukunft der ärztlichen Versorgung ist für ihn die Tatsache, wie es gelingen kann, wenn immer weniger Hausärzte eine immer größere Zahl von Patienten behandeln können. Stuff versorgt selbst rund 2000 Patienten.
Alleine kann er das nicht bewältigen. Deshalb setzt er auf eine stärkere Unterstützung seiner medizinischen Fachangestellten, sprich Arzthelferinnen. Zwei von ihnen haben sich zur sogenannten „Verah“ weitergebildet. Mit dieser Zusatzqualifikation haben sie mehr Möglichkeiten, um Patienten zu behandeln und nehmen dem Chef damit „etwa 50 Prozent der Arbeit ab“, so Stuff. Sie übernehmen auch die Routine-Hausbesuche bei Patienten, die nicht mehr selbst in die Praxis kommen können. „Wenn sich vor Ort eine Frage ergibt, die von der Verah-Mitarbeiterin nicht sofort beantwortet werden kann, nutzen wir schon auch die modernen Kommunikationskanäle, wie Whatts-App, um schnell zu reagieren“. berichtet der Donaueschinger Arzt.
Neben der Unterstützung durch die Verah ist der Mediziner aber auch davon überzeugt, dass sich noch viele medizinische Techniken entwickeln werden, die es Arzt und Patient ermöglichen Gesundheitsdaten auszutauschen. „Man muss aber auch bedenken, dass dafür auch die Breitbandvernetzung, gerade im ländlichen Raum, verbessert werden muss. Es nützt nichts, wenn die Technik da ist, aber die Internetverfügbarkeit nicht“, mahnt Stuff. Zukunftsvisionen, die schon umher geistern, sind solche, dass Menschen schon bei der Morgentoilette ihren Urin auf mögliche Indikationen untersuchen lassen können oder ihre Zuckerwerte direkt in die Praxis übermittelt werden. Dann wird der Arzt mehr und mehr auch zum Datenmanager. Doch auch hier werden Computerprogramme erst dann Alarm schlagen, wenn Werte außer der Norm auftreten. In den Arztpraxen ist bereits sichtbar, was die Weiterentwicklung der Technik ermöglich kann.
„Zum Beispiel, wenn man die Ultraschall-Technik denkt. Früher haben die Patienten bei der Schwangerschaftsvorsorge rein gar nichts erkannt. Heute sehen Eltern ihr Kind schon in 3D und können sich ein genaues Bild machen, wie ihr Kind aussehen wird, wenn es zur Welt kommt“, zeigt sich Stuff begeistert. Auch in den Laboren haben sich die Techniken entwickelt, die es ermöglichen in aller Kürze konkrete Werte zu sehen, so der Hausarzt weiter. Die Qualität der Diagnostik werde sich dadurch weiter und weiter verbessern, ist der 66-Jährige überzeugt.
Doch neben all den Zukunftsvisionen dürfe vor allem eines, so der Hausarzt, nicht außer Acht gelassen werden. „Der Mensch ist nicht nur eine Summe von Fakten. Wir wissen, dass das Gehirn eine wesentliche Einflussnahme auf den Heilverlauf des Patienten hat. Sagen wir dem Patienten also in dem Auge-in-Auge-Gespräch beim Arzt, dass er in zum Beispiel drei Wochen wieder gesund ist, dann hilft das auch dabei, dass es schließlich auch so ist“, so der erfahrene Donaueschinger Hausarzt. „Dr. Google“ wird den echten Arzt in Zukunft kaum ersetzen können, andere Entwicklungen werden ihm und dem Patienten aber gewiss helfen.
Blick geht über das Medizinische hinaus
Lara Egle arbeitet seit 2004 in der Hausarztpraxis von Karl Stuff in Donaueschingen. 2008 hat sie sich zur "Verah" qualifizieren lassen. Sie versorgt bei den Hausbesuchen regelmäßig 30 Patienten und unterstützt damit ihren Chef deutlich stärker als vorher. Welche Aufgaben sie übernimmt, erklärt die 35-Jährige:
Zum einen wollte das der Chef gerne und auch ich war schon immer sehr offen gegenüber Fortbildungen. An der Sache hat mich auch die Abwechslung gereizt. Ein Drittel meiner Arbeitszeit machen die Hausbesuche aus. So entsteht zu den einzelnen Patienten eine stärkere Bindung.
Welche medizinischen Leistungen übernehmen Sie bei den Hausbesuchen?
Das ganze Programm – von EKG, Blutabnahme, Verbände bis hin zur Abfrage von Demenzerscheinungen mittels Fragebögen. Wichtig ist aber auch, dass der Blick nicht nur den medizinischen Aspekten gilt, sondern auch dem sozialen Umfeld. Wenn der Patient zu Hause nicht mehr alleine klar kommt, dann gehört es auch zu meinen Aufgaben Angehörige zu informieren. Es ist wichtig, dass jemand regelmäßig vor Ort ist und sich einen Eindruck vom Patienten und von der Situation macht.
Glauben Sie, dass moderne Medien und Techniken sich im medizinischen Bereich durchsetzen werden?
Grundsätzlich glaube ich, dass die Technik funktionieren kann. Aber die jetzige Generation wünscht diese Entwicklung nicht, da ihr das Verständnis dafür fehlt. Davon abgesehen ist die Internetversorgung auf dem Land ja noch relativ schlecht ausgeprägt. Wichtiger sind Hausnotrufe, die Alarm geben, wenn der Patient es nicht mehr selbst kann. Mit der Generation Smartphone wird das aber in einigen Jahren mit Sicherheit ganz anders aussehen. Der Arztbesuch wird dadurch mit Sicherheit nicht ersetzt.
Wie hat sich die Wahrnehmung der Patienten Ihnen gegenüber verändert, seitdem Sie die Weiterbildung abgeschlossen haben?
Das hat sich schon sehr verändert. Manchmal werde ich von den Patienten schon mit Arzt angesprochen, wobei sie das dann eher scherzhaft meinen. Definitiv bin ich aber schon vor dem Arzt ein wichtiger Ansprechpartner für die Patienten.
Fragen: Madlen Falke