Marianne Markwardt hatte als Kind zwei Berufswünsche: Entweder Polizistin oder Lehrerin. Ihre Mutter rät ihr zu Letzterem. Familie und Beruf lassen sich in der Schule besser unter einen Hut bringen. Markwardt studiert in Freiburg die Fächer Deutsch, Geschichte und Religion, macht ihr Referendariat an der Realschule in Donaueschingen. 2014 entscheidet sie sich dennoch, zur Polizei zu gehen. "Dieser Traum hat mich nie ganz losgelassen", sagt die 31-Jährige. Während der Ausbildung merkt sie dann aber schnell, dass es sie wieder in die Schule zieht.
Klage gegen das Land
Was sie dorthin jedoch mitgenommen hat, ist der Gerechtigkeitssinn. Marianne Markwardt gehört zu den Musterklägern gegen die baden-württembergische Landesregierung. Das sind betroffene Lehrer, die sich quasi stellvertretend bereit erklären, als Kläger aufzutreten. Der Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat gegen Sparmaßnahmen des Landes geklagt, bei denen Junglehrern in den ersten drei Arbeitsjahren acht Prozent des Gehalts genommen werden. Mit Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht hat am 16. Oktober beschlossen, dass das Vorgehen der Landesregierung 2012, die Eingangsbesoldung ab 1. Januar 2013 von jungen Beamten in den ersten drei Dienstjahren um bis zu acht Prozent abzusenken, gegen die Verfassung verstößt.
300 Euro weniger
Als Markwardt erstmals bemerkt, dass ihr vom Gehalt etwas genommen wird, hat sie dafür keine Erklärung: "Ich habe auf den Gehaltszettel geschaut und eine Absenkung um 300 Euro gesehen." Bei Kollegen erkundigt sie sich. Die Antwort: Das sind Sparmaßnahmen des Landes. Unfair, findet die Jung-Lehrerin. Sie beginnt als Krankheits-Vertretung, arbeitet so ein Jahr lang. In den Sommerferien wird sie wieder entlassen. Nach der Wiedereinstellung und sechs Wochen ohne Gehalt fällt ihr dann zum ersten Mal die abgesenkte Eingangsbesoldung auf, da sagte sie sich: "Jetzt reicht's."
Der BBW tut sich indes schwer, für seinen geplanten Prozess gegen die Absenkung der Eingangsbesoldung entsprechende Musterkläger unter den Lehrern zu finden. Zu groß die Furcht vor möglichen beruflichen Konsequenzen. Fündig werden sie bei Marianne Markwardt, die sich im VBE engagiert: "Ich habe mich beim VBE nach und nach eingearbeitet. Außerdem sind meine Noten sehr gut, ich habe einen Einserschnitt. Mir war also klar, dass das Land einen guten Grund braucht, wenn man mich loswerden möchte", sagt Markwardt.
Das Thema beschäftige unglaublich, gerade auch hinsichtlich des herrschenden Lehrermangels: "Im Schulamtsbezirk werden alle Lehrer gebraucht, deswegen ist eine Versetzung sehr schwierig", erklärt die Lehrerin. Sie ergänzt: "Gerade Grund-, Haupt- und Realschulen im ländlichen Raum sind unterbesetzt." Kommt dann noch die Gehaltsabsenkung hinzu, verlieren entsprechende Stellen noch mehr an Attraktivität.
Große Herausforderungen
Den Entschluss, Lehrerin zu werden, hat die 31-Jährige allerdings nie bereut: "Das war die richtige Entscheidung. In der Schule ist es toll, auch wenn die Belastungen für Lehrer zunehmen." Sie kümmern sich um Inklusionskinder, Verständigungsprobleme bei Schülern und Eltern mit Migrationshintergrund und haben schließlich immer weniger Zeit für einzelne Schüler. Gerade als Markwardt Krankheitsvertretungen macht, lernt sie an einer Grund- und Hauptschule die Herausforderungen kennen: Sie unterrichtet Mathe und Englisch. Fächer, die sie nicht studiert hat. Die Zeit habe ihr jedoch viele neue Erkenntnisse gebracht, für die Zukunft und anstehende Aufgaben.
Aktuell befindet sie sich in Elternzeit, hat davor an der Realschule Immendingen unterrichtet. Dorthin will die Donaueschingerin später auch wieder zurückkehren. Sie fühlt sich dort sehr wohl. Trotz der steigenden Herausforderungen. Ein Schritt, die Bedingungen zu verbessern, dürfte in Form des Urteils gemacht worden sein.
Markwardt will sich weiter engagieren und wird sich nun für den VBE auch für die Personalratswahlen aufstellen lassen: "Ich will nicht aufhören mich für andere Lehrer einzusetzen, und im Personalrat kann ich das noch mal besser. Ich wirke hoffentlich damit auch dem Vorurteil entgegen, dass sich junge Leute nicht mehr für Politik entscheiden."
Das sind die Folgen des Urteils
- Der Beschluss: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bezieht sich nur auf die zweite Absenkung der Eingangsbesoldung. Die erste Absenkung, eine Legislaturperiode vorher in den Jahren 2011 und 2012, ist davon nicht betroffen. Durch Artikel 23, Absatz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg wurden zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2017 bei allen Beamten, die ab diesem Zeitpunkt in Baden-Württemberg verbeamtet wurden, die Bezüge während der drei ersten Dienstjahre um vier bis acht Prozent abgesenkt.
- Die Folgen: Etwa 30 000 Lehrkräfte profitieren von dem Urteil. Die für das Land gesparten Gelder machen im Einzelfall bis zu 10 000 Euro aus, die zurückgezahlt werden müssen. Das Urteil vom Bundesverfassungsgericht ist allerdings erst wenige Tage alt, es gilt noch abzuwarten wie das Finanzministerium mit der Sache umgeht.
- Nicht damit gerechnet: Die Maßnahme, eigentlich gedacht, um den Landeshaushalt aufzubessern, geht nun eben diesem an die Spardose. Offensichtlich hat die Landesregierung mit einem solchen Urteil nicht gerechnet. Die Rückzahlungen will sie dennoch in den Griff bekommen, sogar ohen Kürzungen an anderer Stelle. Momentan ist das Finanzamt noch damit beschäftigt, die genaue Summe der Rückzahlungen zu ermitteln.