Die Hoffnung, nach der Corona-Krise ruhigere Zeiten zu erleben, zerschlug sich mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Mit Inflation und Energiekrise schließt sich an die Pandemie die nächste Phase voller Sorgen an.

Und ähnlich wie bei Corona geistern schnell Halbwahrheiten umher, Gerüchte machen die Runde, was alles passieren könnte oder gar wird. Der Bereich der Energieversorgung ist davon ganz besonders betroffen.

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Ein Begriff, der dabei regelmäßig fällt, ist jener des Blackouts – wenn der Strom ausfällt: „Allgemein wird unter einem ‚Blackout‘ ein unkontrollierter, großflächiger und lange andauernder Stromausfall verstanden“, erklärt Claudia Halici, Pressesprecherin der TransnetBW GmbH. Dabei handelt es sich um den Übertragungsnetzbetreiber, der für Baden-Württemberg zuständig ist. „Ein solches Szenario halten wir für sehr unwahrscheinlich.“

Claudia Halici, Pressesprecherin Transnet BW.
Claudia Halici, Pressesprecherin Transnet BW. | Bild: Transnet BW

Das sieht Ralf Waßmer von der ED Netze GmbH ähnlich. Er ist dort Leiter der Netzinformationstechnik: „Mir ist nicht bekannt, dass komplett Europa jemals betroffen war.“ Was aber gerade bei uns in der Region sehr wohl passieren kann, „das sind unterschiedliche Störungen, etwa durch Dritte, wenn ein Bagger ein Kabel abreißt. Oder wenn etwa ein Baum in eine Leitung fällt. Mit einem Blackout hat das allerdings nichts zu tun.“

Ralf Waßmer, Leiter Netzinformationstechnik ED Netze GmbH.
Ralf Waßmer, Leiter Netzinformationstechnik ED Netze GmbH. | Bild: Juri Junkov/ED Netze GmbH

Was allerdings wahrscheinlicher sei, „und hier müssen wir vielleicht etwas Trennschärfe ziehen“, erklärt Alexandra Edlinger, Pressesprecherin der ED Netze GmbH, „bei einem Blackout ist alles weg, es gibt aber auch den Brownout.“

Dabei handle es sich um einen lokalen Blackout, „der kann auch kontrolliert erfolgen“, sagt Michael Scheibel. Er ist Teamleiter der Verbundleitstelle der ED Netze GmbH. Das Stromnetz befinde sich konstant in der Waage zwischen Verbrauch und Erzeugung. Wenn das in Ungleichgewicht gerate, dann müsse etwas unternommen werden, „man spricht von einer kontrollierten Kaskade. Man schaltet etwas zeitlich ab, bis das Netz wieder stabil ist.“

Michael Scheibel, Teamleiter Verbundleitstelle ED Netze GmbH.
Michael Scheibel, Teamleiter Verbundleitstelle ED Netze GmbH. | Bild: Juri Junkov/ED Netze GmbH

Das etwa im Winter jedoch die erzeugte Energie für den Verbrauchsbedarf nicht ausreiche, „bis dahin greifen mehrere Vorleistungen“, erklärt Waßmer. So habe man dafür Reservekraftwerke oder Absprachen mit der Industrie, das an bestimmter Stelle die Leistung reduziert werden müsse: „Wenn das nicht greift geht es weiter in die Kaskade. Wir sind darin dann eine Instanz, um gezielt zu reduzieren.“ Wie Waßmer sagt, werden Kunden dann „diskriminierungsfrei spannungslos geschalten.“ Diese Szenarien seien jedoch nicht neu und werden schon seit Jahren so vorgehalten.

Ist es schon einmal so weit gekommen?

„In meiner Zeit habe ich das nur zu Übungszwecken erlebt“, sagt Waßmer. Scheibel erläutert: „Für den Ernstfall werden Szenarien geübt.“ Ausschließen könne niemand so etwas, entsprechend seien solche Pläne auch in den Schubladen der Unternehmen: „Die sind gängig. Und jeder Betrieb schaut, dass er im Notszenario auch Maßnahmen einleiten kann.“ Man sei eng im Austausch mit dem Übertragungsnetzbetreiber. „Wir handeln dann auf Anweisung“, so Waßmer.

Was könnte einen Blackout verursachen?

Ein Blackout wird also als unwahrscheinlich eingestuft. Was müsste aber passieren, dass so ein Fall dennoch eintritt? „Durch gravierende Naturkatastrophen könnte die Systemsicherheit massiv gefährdet werden. Das ist nicht neu“, erklärt Claudia Halici. Neu sei die angespannte Versorgungslage, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands. „Diese angespannte Versorgungslage wird aber durch die Übertragungsnetzbetreiber beherrscht und höchstwahrscheinlich nicht zu einem ‚Blackout‘ führen.“

Und wenn es doch zu einer solchen Lage kommt?

„Täglich finden sogenannte Monitorings statt, bei denen alle Faktoren, die die Versorgungssituation beeinflussen, genau betrachtet werden“, so Halici weiter. Jede Stunde im Betriebsprozess der Übertragungsnetze werde mehrfach geplant – „erst ein Jahr im Voraus, dann einen Monat und dann eine Woche im Voraus, am Vortag und am Tag selbst.“ Für jede Stufe gebe es die „eigenen Werkzeuge“, wie etwa Reservekraftwerke. „Auf diese Weise haben wir die Netzsituation stets unter Kontrolle.“

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Zu den Ängsten in Sachen Stromausfall zählt auch der Umstieg auf erneuerbare Energien in Zusammenhang mit dem Atomausstieg Deutschlands. Reicht die Energie dann noch aus? „Wir betrachten diese beiden Erzeugungsformen unter dem Aspekt der steuerbaren Kapazität, die wir brauchen, um Netzstabilität zu sichern“, sagt Halici.

Vor rund 20 Jahren habe es in Deutschland mehrere hundert Kraftwerke gegeben, die gesteuert werden konnten, um Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten. „Heute kommen dazu mehrere Hunderttausend Erneuerbare-Anlagen, deren Angebot an Strom wetterabhängig ist. Das macht es in den Schaltleitungen anspruchsvoller, Verbrauch und Angebot im Gleichgewicht zu halten.“

Angespannt, aber beherrschbar

Der vereinbarte Streckbetrieb der letzten drei deutschen Kernkraftwerke bis Mitte April 2023 sei daher der aktuell angespannten Versorgungslage geschuldet – „einer angespannten, aber beherrschbaren Lage“, sagt Halici. Der Ausstieg aus der Kernenergie sei seit Langem gesellschaftlicher Konsens. „Die Abschaltungen sind – auch mit Blick auf die Versorgungssicherheit – umsichtig geplant worden und kein Grund zu Beunruhigung.“

Und er der Stromexport ins Ausland?

Deutschland profitiere vom europäischen Stromverbundnetz, es wirke als ausgleichendes System. „Das heißt, dass wir alle Ressourcen teilen und somit das System als Ganzes widerstandsfähiger wird. Je größer das System ist, desto stabiler ist es auch“, sagt Halici.

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Bei allen netz- und marktseitigen Maßnahmen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber stehe die Systemsicherheit in Deutschland im Fokus. „Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber ergreifen nur Maßnahmen, mit denen sie Probleme lösen, nicht solche, mit denen sie Probleme erzeugen“, bezieht sich Halici darauf, dass Deutschland trotz Energieproblemen Strom ins Ausland verkaufen würde.