Etliche bewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen, penible Kontrollen und ein Angeklagter, der in Handschellen und Fußfesseln in den Verhandlungssaal des Konstanzer Landgerichts geführt wird: Am Dienstag, 24. August, hat dort der Prozess gegen den 25 Jahre alten Skelcim K. begonnen.

Er soll im Dezember 2017 im Vorraum der Donaueschinger Diskothek Okay einen Türsteher mit einer Pistole niedergeschossen und dabei schwer verletzt haben. Im Anschluss soll er geflüchtet sein. Er wurde schließlich mit internationalem Haftbefehl in Albanien festgenommen worden. Das geschah im Mai 2019, seit Februar ist K. in der Justizvollzugsanstalt Stammheim in Untersuchungshaft. Angeklagt wird K. von der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung

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K. äußerte sich am ersten Prozesstag nicht in der Sache, sondern lediglich zu seinen persönlichen Verhältnissen. 1996 geboren, zuerst in Calw gelebt, Scheidungskind. Früh gerät er mit dem Gesetz in Konflikt und verbringt schon bald seine erste Zeit im Gefängnis. So war es auch im Jahr 2017. Im Juli wird er aus der Justizvollzugsanstalt Offenburg entlassen, im Dezember kommt es zu dem Vorfall.

Wie Skelcim K. den Vorfall sieht

Aber was war damals in der Diskothek genau passiert? K. ließ dazu seinen Verteidiger Manfred Gnjidic eine vorab verfasste Erklärung verlesen. Der Angeklagte habe sich vor dem Diskobesuch in einer Donaueschinger Sisha-Bar aufgehalten. Eigentlich habe er daraufhin nach Villingen gewollt und einen Freund gefragt, ob er ihn hinfahre würde.

Er habe nicht in die Disko gewollt und auch nichts von einem dortigen Hausverbot für ihn gewusst. Eine scharfe Pistole dabei gehabt zu haben – das sei sicher ein Fehler gewesen, wird eingeräumt. K. habe nur zwei Freundinnen abholen wollen, worauf er von den Türstehern sofort zurückgestoßen worden sei. Die seien aggressiv vorgegangen und hätten ihm gesagt, dass sie ihn verprügeln wollten. „Die Türsteher umkreisten mich. Ich hatte Angst“, lautet es in der Erklärung. Der Türsteher habe gesagt: „Schieß doch!“ Und schließlich sei es zum Schuss gekommen. Skelcim K. ließ verlauten, er habe nie jemanden umbringen wollen. In seiner Panik habe er die auf ihn eindrängenden Türsteher abhalten wollen. Die scharfe Waffe – sie sei ein Fehler gewesen.

Ein Videobeweis

„Ich tue mich schwer, wenn einer eine Waffe zieht. Für mich ist keine Bedrohung erkennbar“, relativierte der Vorsitzende Richter Arno Hornstein. Einen objektiven Blick gewährte schließlich ein Video aus zwei Perspektiven, das an dem Abend des Vorfalls aufgezeichnet worden war. Zu sehen ist der Angeklagte, wie er zielstrebig auf den Eingangsbereich im Inneren des Gebäudes zuläuft. Zwischen ihm und den Türstehern kommt es zu einem minimalen Wortwechsel, dann wird K. vom Türsteher Ralf H. geschubst. Einen Moment danach wird die Pistole gezogen, offensichtlich werden Worte gewechselt. Drei Türsteher laufen auf K. zu, am nächsten dran ist Torsten S. – ihn trifft schließlich der Schuss.

Was Türsteher Torsten H. erlebt hat

5,5 Zentimeter unter der Brustwarze trifft das Projektil den Türsteher, zerreißt in der Folge Teile seines Dickdarms: „Ich dachte nicht, dass es sich dabei um eine echte Knarre handelte“, sagt H. vor Gericht. Er überlebt den Schuss, trägt jedoch große Narben davon. Auf dem Körper – aber auch psychischer Natur.

Warum die Türsteher auf K. eingedrängt haben? „Ich wollte ihn entwaffnen“, erklärt Torsten S.. Vor dem Schuss sei er sportlich sehr aktiv gewesen, habe Thai-Boxen trainiert. Das sei jetzt nicht mehr möglich. „Als er geschossen hat, bin ich zusammengesackt. Es hat sich wie ein dumpfer Schlag angefühlt. Ich bin jedoch davon ausgegangen, das ist eine Schreckschuss-Waffe. Wer rennt denn schon mit einer scharfen Waffe herum?“ S. sagt, er habe sich aufgerappelt und man habe ihn ins Restaurant der Diskothek gebracht. Erst als er Stichweste und Hemd auszieht, erkennt er: „Da ist Blut.“ In einer Notoperation kann sein Leben gerettet werden.

Noch Ärger im Nachgang

Was die Türsteher beschreiben, das ähnelt sich. So auch die Ausführungen von Nenat B., der an jenem Tag auch beteiligt war. „Er hatte Hausverbot und als er reinkam, wurde er von Ralf weggeschubst“, beschreibt B.. Nach dem Schuss sei Skelcim K. die Treppe der Diskothek hinab geflüchtet, sei dort in ein Auto gestiegen und davongefahren. „Wir wussten nicht, ob das seine echte Pistole ist.“

B. sagt, er habe im Nachgang des Vorfalls noch ein Erlebnis in einem Fitnessstudio gehabt. Dort sei die Schwester von Skelcim K. aufgetaucht: „Weißt Du, wer ich bin? Ich bin schlimmer als mein Bruder. Überlegt Dir, was Du aussagst, sonst bringe ich Dich um“ – das habe Nenat B. zu hören bekommen. Er arbeite mittlerweile nicht mehr als Türsteher: „Da wird man sofort über einen Kamm geschoren.“ Zudem sei es mittlerweile zu gefährlich. „Die Jugend hat keinen Respekt mehr.“

Definitiv Hausverbot

Großes Thema im Prozess war die Frage, ob K. überhaupt Hausverbot erhalten habe – und wenn ja, dann von wem. Eine Antwort darauf geben konnte Maximilian H., auch ein ehemaliger Türsteher im Okay. „Direkt habe ich nichts mitbekommen. Ich habe nur gehört, dass geschossen wurde“, erklärte H.. Er bestätigte, dass Skelcim K. regelmäßig in der Disco für Ärger gesorgt habe. Er habe etwa gedroht: „Ich hole Albaner und dann mache ich alle an der Tür platt.“

Es sei schließlich Maximilian H. gewesen, so sagt er, der das Hausverbot ausgesprochen habe. Laut ihm habe K. sich auch an anderen Orten nicht mehr aufhalten dürfen. „Die Gäste haben sich über ihn beschwert. Er ist wie ein Bulldozer durch die Disko gelaufen“, so H.. K. habe auch an dem Abend des Schusses ganz sicher gewusst, dass er nicht in die Disko dürfe: „Man braucht kein Abitur, um ein Hausverbot zu verstehen.“

Große Erinnerungslücken

Als Zeuge geladen war auch Ahmed A., der an jenem Abend Skelcim K. zur Diskothek gefahren hatte. „Das ist vier Jahre her, ich habe einen Großteil davon vergessen“, so A..

An jenem Abend im Dezember habe K. ihn angerufen und gefragt, ob er ihn mit nach Villingen nehmen könne. Beim Okay habe man nur gehalten, um einen Schlüssel abzuholen, den die Schwester von A. in der Diskothek mit dabei gehabt haben soll. Kimi – so der Spitzname von Skelcim K. – habe gesagt, dass er schnell den Schlüssel hole. Nach kurzer Zeit sei er ins Auto zurückgekehrt und man sei losgefahren.

Immer mehr Gedächtnislücken

Bei den Fragen des Richters tauchen schließlich immer mehr Gedächtnislücken auf: „Es wirkt so, als ob Sie bei Fragen, die für Herrn K. unangenehm werden, Erinnerungslücken haben“, so Richter Hornstein. Die Aussagen, die von der Polizei direkt nach dem Vorfall in der Disko aufgenommen wurden, klangen da deutlich anders. Darin habe Ahmed A. behauptet, K. habe in der Disko „noch schnell was klären wollen“. Daran, dass er K. kurze Zeit später wieder habe aus dem Auto aussteigen lassen, will er sich nicht erinnern.

Wie geht es weiter?

Im Prozess wird noch der Türsteher Ralf H. angehört. Er ist derjenige, der Skelcim K. in der Diskothek gestoßen haben soll. Daneben werden sich verschiedene Sachverständige zum Fall äußern und es soll erörtert werden, wie die Haftbedingungen von K. in Albanien gewesen sein sollen. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.