Nackentransparenz, Vierkammerblick und embryonale Gehirnstrukturen sind bei ihr normaler Berufsalltag: Die Gynäkologin Birgit Müller aus Donaueschingen ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Pränataldiagnostik (PND), also der Untersuchung von schwangeren Frauen und ihrer noch ungeborenen Kinder. Sie hat in ihrer Praxis das einzige Hochleistungs-Ultraschallgerät im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis.
In Tübingen Medizin studiert
Gleich nach ihrem Medizinstudium in Tübingen in den 1980er-Jahren hatte sie im Rahmen ihrer Facharztausbildung zwei Lehrer, die im Bereich der PND verschiedene Grundlagen erforschten. Sie ermöglichten ihr von Beginn an intensive Einblicke in diese zu jener Zeit noch recht junge Disziplin.
Die Ultraschall-Untersuchungen haben seither enorme Fortschritte gemacht. Die Möglichkeiten in den 1980er-Jahren beschränkten sich weitestgehend darauf, die Maße des ungeborenen Kindes im Mutterleib zu messen, eine Gewichtsschätzung vorzunehmen und die Fruchtwassermenge zu beurteilen.
Die Doppler-Ultraschall-Technologie ab Mitte der 1980er-Jahre erlaubte dann tiefere Einblicke in das Flussprofil der Nabelschnur.
Das ermöglichte wiederum die Beurteilung der Versorgung von Mutter und Kind und die Betreuung von Risikoschwangeren sowie die Ermittlung des idealen Geburtszeitpunktes vor Eintritt einer Unterversorgung und Schädigung des Kindes, so Birgit Müller.

Der nächste Meilenstein folgte etwa Mitte der 1990er-Jahre, als es in der sogenannten „Ära Herz“ möglich wurde, das Herz komplett zu untersuchen und auch Herzfehler frühzeitig zu erkennen.
Um die Jahrtausendwende erfolgte die Einführung der Muster-Screenings, mit der zum Ende jedes Schwangerschafts-Trimesters eine Ultraschall-Untersuchung angeboten wird.
Dies dient in Kombination mit den Blutwerten, dem Alter der Mutter, der Körpergröße des Kindes sowie der gemessenen Nackentransparenz dazu, eine Risikoabschätzung für Chromosomenstörungen wie etwa Trisomie 21 vorzunehmen.
Dahinter steht das Ziel, die Anzahl der aufwendigen und kostspieligen invasiven Eingriffe wie etwa die Fruchtwasser-Untersuchungen zu reduzieren.
Heute ist zudem die Genetik ein großes Thema, um das Fötus-Erbgut auf mögliche Veränderungen zu untersuchen oder eine Prognose für künftige Schwangerschaften abzugeben.
Birgit Müller arbeitete von 1996 bis 2004 als Oberärztin in der Villinger Frauenklinik, bevor sie im Folgejahr die Praxis in der Karlstraße in Donaueschingen übernahm und sich dort niederließ.
„Zunächst führte ich die Praxis als normale Frauenarzt-Praxis fort und erweiterte sie später um den Bereich der Pränataldiagnostik“, erklärt die Gynäkologin.
Mitarbeiterinnen planen Termine
Die Kombination beider Bereiche erfordert eine gute Planung: „Zum Glück habe ich drei sehr gute Mitarbeiterinnen, die hier bestens unterstützen und die Termine entsprechend planen.“
Die Termine der PND sind sehr anspruchsvoll: „Ich habe früher viel operiert. Die Untersuchung erfordert genauso viel Konzentration wie die eines Operateurs“, erklärt die Ärztin. „Zudem ist hier kein Raum für Hektik, denn eine gründliche Untersuchung braucht Zeit“, fährt sie fort.
„Manchmal gibt es Herausforderungen, die im Vorfeld nicht bekannt oder planbar sind, wenn einem das ungeborene Kind etwa den Rücken zudreht oder die Schwangeren sehr stark übergewichtig sind, was in den letzten Jahren deutlich zunimmt und die Untersuchung enorm erschwert“, führt sie weiter aus.
Anschaffungskosten wie eine Wohnung
Ein guter Untersucher benutze natürlich auch ein gutes Gerät, das allerdings auch recht kostspielig ist: Mit Anschaffung, regelmäßigen Software-Updates und Wartung entstehen innerhalb von zehn Jahren Kosten in Höhe von mehr als 300.000 Euro.
Die Patienten für die speziellen PND-Sprechstunden werden von Arzt-Kollegen aus den umliegenden Gemeinden, aber auch weit über die Grenzen des Schwarzwald-Baar-Kreises hinaus zu Birgit Müller nach Donaueschingen überwiesen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Vergleichbare Geräte und Untersuchungen gibt es ansonsten erst wieder in Freiburg oder Tübingen.
„Auch wenn die PND-Untersuchungen harte Arbeit sind, sind sie enorm wichtig. Zwar müssen wir die Schwangeren auch manchmal mit Informationen und Ergebnissen der Diagnostik konfrontieren, die sie nicht hören möchten“, sagt Müller.
Eine Dankeskarte lohnt den Aufwand
Wenn die Ergebnisse aber die Weichen für den optimalen Geburtszeitpunkt und eventuelle operative Eingriffe nach der Geburt stellen konnten und dann die Dankeskarte der Eltern eines fröhlichen neuen Erdenbürgers erhalten, den es ohne die Diagnostik höchstwahrscheinlich nicht geben würde: „Dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben und sich die harte Arbeit gelohnt hat“, so die Ärztin.