Als junger Arzt raus aufs Land? Das wollen scheinbar die wenigsten. Nicht umsonst, gerät die Ärzteversorgung im ländlichen Raum zunehmend an ihr Limit. Eine Hausärztin oder ein Hausarzt erhält bis zu 30.000 Euro Landesförderung, wenn er sich in Baden-Württemberg in einer ländlichen Gemeinde niederlässt, deren hausärztliche Versorgung nicht oder in naher Zukunft nicht mehr gesichert ist.
Das Problem ist dabei nicht nur den Ärzten bewusst, sondern auch deren Mitarbeitern. Die fragen sich auch direkt: Wie geht es weiter, geht mein Arbeitgeber in den Ruhestand?
Dass zu wenige Ärzte in den ländlichen Raum kommen, das ist auch eine Sorge, die Birgit Klausmann von der Praxis Karl Stuff in Donaueschingen umtreibt: „Viele Ärzte sind bereits im Rentenalter, haben in der Praxis einen Aufnahmestopp für neue Patienten. Wie es in Zukunft weitergeht? „Ich gehe dem mit Angst entgegen“ sagt Klausmann.
Sie gehört zum ersten Studiengang Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement. Abgeschlossen wird dieser mit einem Bachelor-Abschluss. Er befindet sich seit September 2022 im Aufbau. Auch hier das Ziel: Die Praxis so zu organisieren, dass der Arzt entlastet wird.
Dazu hat die Praxis Stuff noch eine andere Idee angestoßen. Für Medizinische Fachangestellte gibt es die Möglichkeit, sich zu Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (Verah) oder Nichtärztliche Praxisassistenten (NäPa) ausbilden zu lassen. 2019 hat Klausmann in Bayern erfahren, dass dort auch Tele-Verahs im Einsatz sind.
In einem Rucksack befinden sich dabei etwa ein Tablet mit Drei-Kanal-EKG, Blutdruckgerät, Blutzuckermessgerät, Spirometer, Pulsoximeter und mehr. Die Daten werden in Echtzeit und verschlüsselt übertragen. Im Bedarfsfall kann sich die Verah sogar direkt von der Praxis via Videosprechstunde einschalten. Gleichzeitig kann sie sich live dazuschalten, um ein Patientengespräch zu führen.
Eine Station für die Baar?
Klausmanns Gedanke: Wieso nicht eine Station etablieren, in der Verahs arbeiten – und sich der Patienten annehmen? „Wir dachten uns, dass wir etwas anbieten, wo die Leute zu uns kommen können“, so Klausmann.
Aber: Die AOK habe zwar ihre Unterstützung signalisiert, gebraucht werde jedoch eine Zulassung seitens der Kassenärztlichen Vereinigung und der Bezirksärztekammer.
Hier müssen die Rahmenbedingungen abgesteckt sein: Wie sieht das Modell genau aus? Wie ist die Infrastruktur des Gebäudes? Was wird alles benötigt? In Baden-Württemberg gebe so etwas bislang noch nicht – was eines der Probleme zu sein scheint.
In Döggingen gebe es passende Räumlichkeiten, Gespräche mit der Ortsverwaltung hätten stattgefunden. „Dort ist man offen dafür“, sagt Klausmann.
Schließlich bleibt das Projekt offenbar seit 2019 in den Mühlen der Bürokratie hängen. Schriftverkehr geht hin und her. Dann kommt die Pandemie. Getan hat sich seitdem nichts mehr. „Es wäre etwas Neues – und auch schon während der Pandemie sinnvoll gewesen“, sagt Klausmann. Was fehlt, das ist der gesetzliche Rahmen.
Was sagt die Stadt?
„Die Stadt begrüßt grundsätzlich alle Lösungsansätze, die eine Entlastung der Hausärzte und ein erweitertes Angebot für die Patienten darstellen“, sagt Rathaussprecherin Beatrix Grüninger.
Die Stadtverwaltung weise jedoch darauf hin, „dass im Zusammenhang mit der Gründung einer Verah-Station auf der Baar seitens der Stadt keine konkreten Gespräche mit der Ärzteschaft oder der Kassenärztlichen Vereinigung stattgefunden haben“, so Grüninger. Eine abschließende Beurteilung könne hierzu nicht gegeben werden. Die Stadt sei in diesem Bereich nicht zuständig.
Bei der KV habe man Kenntnis von einem ähnlichen Modell im Rems-Murr-Kreis, „wo eine Nebenbetriebsstätte eröffnet wurde, in der kein Arzt, sondern nur eine Medizinische Fachangestellte anwesend war“, erklärt KV-Pressesprecher Kai Sonntag. Das Modell sei auch von der KV Baden-Württemberg unterstützt worden, „von dem Arzt nach meinem Wissen aber wieder eingestellt worden“, so Sonntag weiter.
Wo liegen die Hürden?
Er sieht das Problem hier weniger in bürokratischen Hürden bestehen, „vielmehr in den Möglichkeiten einer solchen Station und damit auch in der Akzeptanz der Patienten“. Das Gesundheitswesen sei sehr arztzentriert, was bedeute, dass für viele Prozesse ein Arzt unterschreiben müsse. Sonntag erwähnt hier als Beispiele Verordnungen, Überweisungen und Krankschreibungen.
„Da ist es dann für die Patienten schwierig, wenn sie in die Station gehen, dann aber doch noch in die eigentliche Praxis müssen. Und natürlich gibt es dann auch einige Anforderungen, die mit dem Betrieb einer Praxis verbunden sind“, erklärt Sonntag.