Hans-Jürgen Kommert

„Corona hat Spuren in der Psyche von vielen Kindern und Jugendlichen hinterlassen“, ist sich die Psychotherapeutin Andrea Nöcker aus Furtwangen sicher.

Behandlungsdauer verlängert

Der Fachbereich von Andrea Nöcker ist die Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche. Sie habe zum einen mehr Therapieanfragen von jungen Patienten zu verzeichnen, zum anderen habe sich auch die Behandlungsdauer vieler Bestandspatienten verlängert, weil seit dem Lockdown Behandlungserfolge nicht so stabil zu halten sind oder auch schlicht schwerer realisierbar sind. Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass mit dem Patienten ein geregelter Tagesablauf, das Pflegen sozialer Kontakte, sowie eine Reduzierung von Mediennutzung erarbeitet wurde.

Unsicherheit ist ein Nährboden

„Unsicherheit ist ein Nährboden für Angsterkrankungen und Depressionen, auch bei Kindern“, stellt die Psychotherapeutin im Gespräch fest. Und aktuell lebe die junge Generation in einer Zeit, die unsicherer sei, als sie dies jemals zuvor erlebten. „Da brechen wichtige Schutzfaktoren für die kindliche und jugendliche Psyche weg“, sagt die Therapeutin.

Halt und Sicherheit vermitteln

Idealerweise vermittelten erwachsene Bezugspersonen wie Eltern oder Lehrer Halt und Sicherheit, indem sie „wissen, wo es langgeht“, aber nun erlebten Kinder und Jugendliche diese Erwachsenen zunehmend als verunsichert und ängstlich. Zudem seien auch Aktivitäten in Vereinen oder anderen Gruppen als protektive Faktoren weggefallen.

„Das Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln, erhöht sich durch diese Umstände“, betont die erfahrene Psychotherapeutin. „Es ist schon so, dass diese Pandemie Familien an ihre Grenzen bringt – und dabei spreche ich hier noch nicht einmal das Thema häusliche Gewalt an“, räumt Andrea Nöcker ein.

Zunehmende Probleme mit Organisation des Alltags

Schlicht und ergreifend bekämen Eltern zunehmende Probleme mit der Organisation zwischen Schule, Homeschooling, Beruf und womöglich noch Homeoffice – was letztlich eine schwere Last für die Familie darstelle. Es gelte nun für Eltern, bei ihren Kindern genau hinzusehen, was die Kinder aktuell bedrücke.

Auch solle überprüft werden, welche Informationsquellen die Jungen nutzen, und ob es sich dabei um sachliche Quellen handele oder die Kinder vielleicht mit Fake News konfrontiert werden, die sie zusätzlich verunsichern.

Positive Aktivitäten nicht einschränken

Positiv seien Dinge, die gut tun, Spaß vermittelten, die den Kindern etwas einbrächten; positive Aktivitäten sollten nicht eingeschränkt werden, nach machbaren Alternativen sollte gesucht werden. „Richten Sie den Fokus auf positive Dinge, geben Sie den Kindern einen strukturierten Tagesablauf, geregelte Strukturen geben Halt und Sicherheit“, sagt sie.

Professionelle Hilfe annehmen

Man solle nicht zögern, auch professionelle Hilfe anzunehmen. Denn ein früher Therapiebeginn sorge für eine deutlich bessere Prognose. „Trotz aller Sorge um die Kinder darf aber auch nicht vergessen werden, dass Kinder generell über eine große Anpassungsfähigkeit verfügen und aus Krisen auch hinzulernen und im besten Falle gestärkt daraus hervorgehen können“, erklärt Nöcker abschließend.