Als die Fasnet wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, da war das für viele wie ein Déjà-vu. Schon einmal musste die närrischen Tage ausfallen. Und zwar 1991. Damals tobte der Golfkrieg und amerikanische Soldaten marschierten in den Irak ein. „Corona ist da allerdings eine ganz andere Kategorie. Das ist eine Gefahr für jene, die Fasnet machen und jene, die kommen, um sie zu erleben“, sagt der Mundelfinger Gebhard Merz.

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Der Ehrenpräsident der Schwarzwälder Narrenvereinigung (SNV) war damals im Organisations-Gremium, das bereits drei Jahre lang ein großes Narrentreffen in Mundelfingen organisiert hat. Am Wochenende des 19. und 20. Januars 1991 sollte es stattfinden – am Freitag davor wurde es abgesagt – wegen des Krieges.

Treffen mit Zelt geplant

„Wir hatten ein Narrentreffen geplant. Und es sollte das erste für uns mit einem großen Festzelt werden“, sagt Merz. Man habe andere Vereine besucht, um sich über solch große Zelte zu informieren. Immerhin: sie sind ein ordentlicher Kostenfaktor. Einige Tausend Mark soll es für den Betrieb beim Narrentreffen kosten.

Schließlich entscheidet man sich, es zu versuchen. Der Aufbau soll rund zwei Wochen dauern. Etwa eine Woche vor dem Treffen des Termins ist Gebhard Merz bei einer Veranstaltung in Niedereschach. Der Konflikt im nahen Osten ist dort Thema, es wird gemunkelt: „Können wir da überhaupt Fasnet machen? Die Denkweise war damals noch etwas anders“, sagt Merz mit Blick auf die heutigen Konflikte. Die Situation sei beklemmend gewesen

Köln sagt ab

Am Dienstag dann der große Hammer: „Der Kölner Karneval wurde abgesagt“, so Merz. Eine Entscheidung mit Symbolkraft für sämtliche Narren im Land. Ein Domino-Effekt tritt ein. In Mundelfingen ist der halbe Ort derweil mit dem Festaufbau beschäftigt. „Bei uns herrschte die Stimmung, dass wir es durchziehen.“

Dann kam der Anruf von Roland Wehrle von der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte: „Wir sollten zu einem Treffen mit dem damaligen Regierungspräsidenten Sven von Ungern-Sternberg.“ In Freiburg habe man diskutiert. „Er sagte, dass er hinter uns stehe und dass wir die Fasnet nicht absagen sollen.“

Studenten wollen demonstrieren

Mittwoch kommt eine weitere Nachricht aus Freiburg. Die Studenten haben dort erklärt, jede Fasnets-Veranstaltung, sollte sie stattfinden, stören zu wollen: „Darauf kam die Nachricht, dass in Lörrach ein großes Treffen abgesagt wurde“, berichtet Merz. Die Zeit habe ihn sehr angestrengt. „Jeden Tag bis 1 oder 2 Uhr im Festzelt beim Aufbau und den Diskussionen, tags darauf zur Arbeit – und immer die Ungewissheit. Ganz ehrlich: mir ging das Klämmerle.“

Am Donnerstagabend befindet sich Gebhard Merz wieder im Zelt, als seine Frau ihn ruft. Eine überregionale Zeitung sei am Apparat und wolle ihn sprechen: „Sie sagten mir dann, dass wir die einzigen seien, die noch nicht abgesagt hätten. Und warum denn nicht?.“ Merz erklärte, dass man den Sinn nicht sehe. Der Konflikt würde trotzdem ausgetragen. „Aber was, wenn die Studentenschaft das Fest stört?“ Davor fürchtet sich Merz. Vor einer Eskalation und der Ruf-Schädigung für die Fasnet. „Da war mir eigentlich klar, dass das Fest nicht stattfinden kann.“

Absage am Freitag

Schließlich habe man sich im Mundelfinger Festzelt getroffen: der damalige Hüfinger Bürgermeister Anton Knapp, Ortsvorsteher Adolf Baumann, das Präsidium der SNV. „Der Knackpunkt waren die Kölner Karnevalisten. Das war der Anfang vom Ende“, so Merz. Am Freitagmorgen wird abgesagt. Das Festzelt war erst wenige Stunden fertig aufgebaut. Die Stimmung auf einem Nullpunkt angekommen.

„Natürlich gab es bei alldem auch eine wirtschaftliche Sicht auf die Dinge“, erklärt Gebhard Merz. Am Freitag sei ein Sternmarsch geplant gewesen. Wenn nur die Hälfte der eingeladenen Gäste nicht gekommen wäre, hätte man ein Problem bekommen. „Ich habe dann angefangen mit den Lieferanten zu telefonieren, was denn jetzt passiert. Mit dem Zelt, dem Essen.“

Gebhard Merz mitten im Narrentrubel 1992, als das große Narrentreffen der Schwarzwälder Narrenvereinigung in Mundelfingen stattfindet.
Gebhard Merz mitten im Narrentrubel 1992, als das große Narrentreffen der Schwarzwälder Narrenvereinigung in Mundelfingen stattfindet. | Bild: Roland Sigwart

Beim Zelt ist die Lösung simpel: „Solange darin das erste Bier nicht gezapft ist, bleiben lediglich die Kosten für die Arbeit der Richtmeister. Das waren etwa 2000 Mark. Ansonsten hätte das Zelt etwa 25.000 Mark gekostet“, sagt Merz. Probleme gab es indes beim Metzger: „Der hatte zentnerweise das Fleisch daliegen. Was soll man da machen?“ Kurzerhand einigt man sich und es findet eine Verkaufsaktion statt, „an der wir auch alles wegbekommen haben.“

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Um 10 Uhr wurde alles abgesagt, um 19 Uhr war das Zelt wieder verschwunden. „Die Solidarität war riesig. Aus anderen Orten kamen Leute, um uns zu helfen“, sagt Merz. Das Fass, das eigentlich für den Anstich geplant war, wurde dann am Abend im Clubhaus der Kehrwieder-Narren geleert: „Da haben wir uns drüber hinweggetröstet.“

Späte Freude

Die Trauer über die Absage kehrt sich jedoch später in Freude um. Einerseits war der Sonntag, an dem das Fest hätte steigen sollen, derart kalt, dass man im Zelt sicher ein Problem mit der Heizung bekommen hätte, andererseits verzichteten die Tannheimer Osemali im folgenden Jahr auf die Ausrichtung eines Narrentreffens, um den Mundelfingern das Nachholen ihres zu ermöglichen. „Ein tolles Entgegenkommen“, sagt Merz.

Die Entschädigung für das ausgefallene Fest 1991: Im Jahr 1992 darf Mundelfingen erneut ran – und die Feier wird ein voller Erfolg.
Die Entschädigung für das ausgefallene Fest 1991: Im Jahr 1992 darf Mundelfingen erneut ran – und die Feier wird ein voller Erfolg. | Bild: Roland Sigwart

Die Erfahrungen von 1991 habe man dort einfließen lassen können – etwa die Sache mit der Heizung. Und das Fest wurde ein riesiger Erfolg. „Es ist in die Geschichte eingegangen. Was da Leute gekommen sind – es war wahnsinnig.“ An vier Nächten sei „die Bude voll gewesen. Ein Riesenerfolg“, so Merz.

Und was bleibt im Nachhinein? „Gott sei Dank haben wir es damals abgesagt. Das war schon Risisko-behaftet. Mit der Heizung, das wäre uns garantiert um die Ohren geflogen.“ Am meisten habe Merz später geärgert, als er zum Ende des Krieges im Fernsehen eine riesige Konfetti-Parade in New York beobachtet: „Wir sagen die Fasnet ab, und dort wird so gefeiert.“