Wenn angesichts der schrecklichen Kriegsereignisse in der Ukraine eine Million Menschen ihre Heimat in Richtung Deutschland verlassen, dann werden dem Landkreis Tuttlingen in den nächsten Wochen allein von staatlicher Seite etwa 1600 Flüchtlinge zugewiesen.

Im Landkreis sind jetzt bereits rund 500 Hilfesuchende erfasst. 49 Geflüchtete kamen auf offiziellem Weg der Zuweisung. Sie trafen am Donnerstag mit einem Bus ein. 60 weitere wird das Land Baden-Württemberg nächste Woche in den Kreis senden, so Landrat Stefan Bär.

2015 lebten 1200 Flüchtlinge in der Kaserne

Vor sechseinhalb Jahren lebten allein in der Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle des Landes (BEA) in der Immendinger Kaserne 1200 geflüchtete Menschen. Die Einrichtung war im Herbst 2015 während der ersten großen Flüchtlingswelle im Zusammenwirken mit der Gemeinde Immendingen und dem Autohersteller Daimler geschaffen worden, der bereits Besitzer der in Auflösung befindlichen Kaserne war. Aus der mehrmonatigen Aufenthaltszeit der damaligen Flüchtlinge resultiert einige Erfahrung mit der Organisation der Hilfe und der Betreuung, auf die man jetzt bei der Gemeinde bauen kann.

Flüchtlinge finden in der Immendinger Kaserne in den Jahren 2015 und 2016 eine neue Heimat. Ende März 2016 wird das Immendinger ...
Flüchtlinge finden in der Immendinger Kaserne in den Jahren 2015 und 2016 eine neue Heimat. Ende März 2016 wird das Immendinger Flüchtlingscamp aufgelöst. | Bild: Jutta Freudig

Vorbereitungsphase für die Aufnahme

Der Immendinger Bürgermeister Manuel Stärk sagt im Gespräch: „Wir sind in der Vorbereitungsphase für die erneute Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen und arbeiten dabei eng mit der Gemeinsamen Anlaufstelle (GASt) des Landkreises und der Stadt in Tuttlingen zusammen.“

Manuel Stärk, Bürgermeister von Immendingen
Manuel Stärk, Bürgermeister von Immendingen | Bild: SK

Gestartet wurde in Immendingen die Suche nach Wohnraum, wobei man speziell von hilfesuchenden Frauen mit Kindern ausgeht. Bislang seien rund hundert Geflüchtete bereits privat untergebracht, so Stärk. Dass nun noch weitere offizielle Zuweisungen des Landkreises folgen, sei klar.

Ehrenamtlicher Helferkreis wird wieder belebt

Außerdem hat Immendingen mit der Reaktivierung des ehrenamtlichen Helferkreises begonnen, der schon bei der Flüchtlingsbetreuung 2015 aktiv war. Nach der Auflösung der BEA in der Kaserne hatten die Helfer diese Aufgabe in kleinerem Maß für die bis heute bestehende Immendinger Gemeinschaftsunterkunft fortgesetzt.

Dort leben im Moment etwa 60 Asylsuchende, vorwiegend aus Syrien und Afghanistan. Sollte der jetzige Zustrom von Ukrainern anhalten, werden laut aktuellen Aussagen von Landrat Stefan Bär auch in die Immendinger Unterkunft und nach Geisingen Zuweisungen erfolgen.

In der Immendinger Gemeinschaftsunterkunft an der Max-Eyth-Straße werden vorerst noch keine Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet. Sie ...
In der Immendinger Gemeinschaftsunterkunft an der Max-Eyth-Straße werden vorerst noch keine Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet. Sie ist derzeit von etwa 60 Menschen aus anderen Ländern voll belegt. | Bild: Jutta Freudig

Unterstützung für geflüchtete Kinder

„Unter anderem haben wir das Angebot von Gemeinderätin und Schulleiterin Ute Scharre-Grüninger, im Rahmen der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe Sprachkurse in Deutsch zu geben“, erläutert der Immendinger Bürgermeister weiter.

Stärk sieht es als nicht ganz einfach an, die geflüchteten Kinder kurzerhand in die Schulen zu schicken. Wie schon 2015 könnte der ehrenamtliche Helferkreis auch andere Betreuungsangebote für jüngere und erwachsene Geflüchtete machen.

Küche in Kirchenwohnung wird eingerichtet

Organisiert wird von der Gemeinde im Moment auch die Ausstattung der Küche einer von der katholischen Pfarrgemeinde bereitgestellten Wohnung. Das gilt für Küchenutensilien und auch Gegenstände für den Wohnraum. Neben privaten oder kirchlichen Wohnungen zieht eine Fremdenverkehrsgemeinde wie Immendingen selbst Ferienwohnungen zur Nutzung durch Ukraine-Flüchtlinge in Betracht.

Kreis plant mit Unterkünften und Hallen

120 Wohnungen oder Zimmer wurden laut Aussagen von Landrat Stefan Bär auf Kreisebene für den Zweck gemeldet. Dennoch werden derzeit 150 Plätze im Trossinger Dr.-Karl-Hohner-Heim und 100 Plätze in einem Gebäude im Gewerbepark Take-Off Tuttlingen/Neuhausen als neue Gemeinschaftsunterkünfte hergerichtet.

Im Gespräch ist auch eine Interimsnutzung des momentan leerstehenden Gesundheitszentrums Spaichingen. Die Zimmer mit Nasszellen im dortigen ehemaligen Kreiskrankenhaus eignen sich laut Bär ideal für geflüchtete Mütter mit Kindern. Sollten die Plätze knapp werden, schließt Bär nicht aus, Gemeinden oder Kirchen um die Nutzung von Hallen, Bildungs- oder Jugendzentren oder sonstiger freier Gebäude zu bitten.

Die Mühlau-Sporthalle in Tuttlingen wird zum Übergangsquartier für Geflüchtete aus der Ukraine. Bis zu 150 Menschen finden dort ...
Die Mühlau-Sporthalle in Tuttlingen wird zum Übergangsquartier für Geflüchtete aus der Ukraine. Bis zu 150 Menschen finden dort vorübergehend Platz. | Bild: Stadtverwaltung Tuttlingen

Kreis hilft beim Start im fremden Land

In der GASt registrierte Flüchtlinge erhalten über den Landkreis innerhalb weniger Tage finanzielle Unterstützung. Am Donnerstag waren bereits Zahlungen an 147 Haushalte erfolgt. Bär: „Auch Flüchtlinge, die über ukrainisches Geld verfügen, stehen vor dem Nichts, denn ihre Währung wird hier nicht umgetauscht.“ Erwachsene Ukraine-Flüchtlinge dürfen arbeiten, könnten eventuell Kompetenzen auch in der Betreuung einbringen, so der Landrat.

Kinder dürften zur Schule, obwohl die Eingliederung von Seiten der Schulen sicher nicht einfach sei. Der Kita-Besuch erfordert eine Masernimpfung. Insgesamt wünscht sich Bär für die Flüchtlinge „ein niederschwelliges Betreuungsangebot, das in den Gemeinden organisiert wird“.