Dass Elektroautos die Zukunft sein werden, ist abzusehen, wird bisweilen aber immer noch heiß diskutiert. Vor allem Reichweite, Akku-Technik und nicht zuletzt Anschaffungskosten stehen häufig in der Kritik. Doch was ist dran? Lohnt es sich dennoch umzusteigen? Wie weit reicht der Akku? Ist Elektromobilität schon alltagstauglich?

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Matthias Ratz aus Niedereschach ist davon fest überzeugt. Er hat sich 2019 eine zehn Kilowatt-Photovoltaikanlage auf sein Haus installieren lassen, samt Wechselrichter und Ladestation für Autos, auch Wallbox genannt. 18.000 Euro hat das damals gekostet, quasi schlüsselfertig, installiert von einem Handwerksbetrieb aus der Region. Viel Geld auf den ersten Blick. Eine große Investition, deren Rentabilität sich vermutlich erst nach mehren Jahren genau bewerten lässt.

Wie sieht die Bilanz nach zwei Jahren aus?

Lohnt sich eine solche Investition? „Das hängt vor allem vom Eigenverbrauch ab“, erklärt Ratz. Weil die Einspeisevergütung von Photovoltaikanlagen stetig sinkt, rät er Neueinsteigern, möglichst viel vom produzierten Strom selbst zu verbrauchen. Ratz bekommt für seine Anlage noch rund 10 Cent pro Kilowattstunde. Bei neuen, vergleichbaren Anlagen sind es aktuell nur noch 7,36 Cent pro Kilowattstunde.

An sonnigen Tagen produziert die Photovoltaikanlage von Matthias Ratz so viel Strom, dass der Eigenverbrauch gedeckt ist und sein ...
An sonnigen Tagen produziert die Photovoltaikanlage von Matthias Ratz so viel Strom, dass der Eigenverbrauch gedeckt ist und sein Elektroauto schnell geladen wird. Überschuss wird in das Stromnetz eingespeist. | Bild: Fröhlich, Jens

Der Aspekt Eigenverbrauch gewinnt also immer mehr an Bedeutung, was letztlich auch den Zeitpunkt beeinflusst, ab wann sich die Anschaffung amortisiert. Ein grober Wert liegt zwischen zehn und 14 Jahren. Ratz hat für seine Anlage einen Wert von etwa zwölf Jahren berechnet. „Ein wenig Ideologie gehört aber nach wie vor dazu“, ist sich Ratz sicher. Um den Eigenverbrauch weiter zu steigern, eigenen sich beispielsweise Hausspeicher. Ratz hatte sich vor zwei Jahren aber bewusst gegen diese zusätzliche Anschaffung entschieden, die weitere rund 10.000 Euro verschlungen hätte. Er sagt: „Mein Auto ist mein Speicher.“

Mit Elektroauto Eigenverbrauch erhöhen

Mit dem Kauf seiner Photovoltaikanlage ist er von einem Autogas-Auto auf ein Elektro-Auto umgestiegen. Nach einem ersten Modell nennt Ratz jetzt einen Hyundai Ioniq 5 sein Eigen. Dieses Auto beherrsche alle gängigen und modernen Technologien beim Laden, vom langsamen Aufladen zuhause über Sonnenstrom, bis hin zum Laden an Schnellladesäulen. „An so einer Säule ist die Batterie in 18 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. Die Reichweite beträgt über 400 Kilometer.“ Und damit, so der 54-Jährige, sei das Fahrzeug auch für lange Strecken geeignet. „1200 Kilometer an einem Tag zu fahren, das schafft man.“

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Scheint die Sonne über Niedereschach, wird das Auto mit eigenem Strom geladen. Auch seine Tochter tankt Sonnenstrom vom Hausdach. Im laufenden Jahr konnte die Familie so rund 50 Prozent des produzierten Stroms selbst verbrauchen. Der Rest wurde für rund zehn Cent pro Kilowattstunde in das öffentliche Netz eingespeist. Unter dem Strich kommt die Familie auf einen Verbrauch von rund 5500 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Kosten pro 100 Kilometer

Was kostet nun das Fahren mit dem Elektroauto im Alltag? Bei einem Neukauf winken Umsteigern aktuell attraktive Förderungen, weshalb die Anschaffungskosten für Elektroautos nicht unbedingt höher sind als bei Verbrennern. Bei den Unterhaltskosten sieht Ratz die E-Mobile deutlich im Vorteil. Wartungskosten, etwa für Bremsen und Motor seien aufgrund der einfacheren Technik geringer. „Die Bremse betätige ich nur ganz selten“, erzählt Ratz. Vielmehr wird bei modernen E-Mobilen viel Bremsleistung auch durch sogenannte Rekuperation erzeugt, also Stromrückgewinnung, etwa beim Ausrollen vor Ampeln und Kreuzungen oder bergab. „Dieses Bremsverhalten ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, zahlt sich aber aus“, rechnet Ratz vor.

Einschränkungen in Sachen Reichweite sind für ihn Schnee von gestern. Das Elektroauto von Matthias Ratz hat über 400 Kilometer ...
Einschränkungen in Sachen Reichweite sind für ihn Schnee von gestern. Das Elektroauto von Matthias Ratz hat über 400 Kilometer Reichweite und satte 305 PS. An einer Schnellladesäule ist der Akku seines Wagens in nur 18 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. | Bild: Fröhlich, Jens

Auf der Strecke von Hardt hinunter nach Schramberg, ein etwa fünf Kilometer langes Teilstück auf seinem Arbeitsweg, lade sich der Akku so weit auf, dass sich die Reichweite wieder knapp zehn Kilometer erhöhe. Beim „Tanken“ wird der Kostenvorteil von Elektroautos besonders deutlich. 2,28 Euro kosteten Ratz zuletzt 100 Fahrkilometer mit seinem 305 PS starken Fahrzeug. Das variiert, je nachdem, ob vermehrt eigener Strom, oder Energie an Ladesäulen „getankt“ wird. Das dokumentieren seine detaillierten Aufzeichnungen zu allen bisherigen Ladevorgängen.

In diesem Zahlenwerk tauchen auch immer wieder ganz kostenlose Ladevorgänge auf, etwa wenn er beim Einkaufen die Angebote von Supermärkten nutzt. Der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde Haushaltsstrom beträgt in Deutschland rund 30 Cent. Je nach Elektroauto und der darin verbauten Batteriekapazität entstehen somit Kosten zwischen 4,50 bis sechs Euro pro 100 Kilometer. „Ohne eigenen Sonnenstrom würden meine Ladekosten zwischen 5,20 und 5,80 Euro liegen“, erklärt Ratz weiter. Zum Vergleich: Mit sparsamen Benzinmotoren liegt man derzeit bei rund zehn Euro pro 100 Kilometer.

Alltagstauglichkeit

„Es ist schon eine Umstellung“, bilanziert Ratz. Ein Prozess, der aber für jeden machbar sei. Über Handy-Apps hat er die Leistung seines Dach-Kraftwerkes, seiner Auto-Ladestation, der Netzeinspeisung sowie den Stromverbrauch im Haus stets im Blick. Via App findet Ratz aber auch schnell zu einem der rund 40.000 verfügbaren Ladepunkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das sei heutzutage nicht komplizierter, als eine der rund 20.000 Tankstellen anzusteuern.

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Äußerst simpel gestaltet sich auch das Bezahlen. Das funktioniert mit einer Karte oder ebenfalls via Smartphone-App. „Man muss sich mit dem Thema auseinandersetzen und ein wenig mehr planen, dann funktioniert das alles problemlos.“ Aufgrund der großen Reichweite seines Autos kommt Ratz meist eine Woche ganz ohne Aufladen aus, trotz über 60 Kilometer Arbeitsweg.

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„Passe ich meine Bürotage zuhause an die Wetterprognosen an, wird der Strom vom Dach optimal genutzt.“ Und über das Solardach des Ioniq 5 wird der Akku sogar unterwegs aufgeladen. „Seit Juli wurden damit 30 Kilowattstunden Strom produziert. Das reicht für 150 Kilometer Fahrstrecke.“

Was noch fehlt

Technologie-Potenzial sieht Ratz vor allem in der Möglichkeit, die im Auto gespeicherte Energie in entgegengesetzter Richtung auch im Haus verbrauchen zu können, oder bei Bedarf in das Netz einzuspeisen. „Technisch gesehen ist das möglich, aber noch nicht erlaubt“, so Ratz. Warum, das kann er nicht verstehen. Denn auch Hausspeicher würden nichts anderes tun, nur, dass sie fest im Haus installiert sind. Warum also zwei Speichersysteme vorhalten, wenn nur eines nötig sei, fragt er sich.

Die Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert den Strom. Wechselrichter und Wallbox an der Garagenwand sorgen für die optimale ...
Die Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert den Strom. Wechselrichter und Wallbox an der Garagenwand sorgen für die optimale Verteilung. Einen Großteil der produzierten Energie kann Matthias Ratz im Akku seines Autos speichern und so den Eigenverbrauch erhöhen. | Bild: Fröhlich, Jens

Die Steuerung, bis wie viel Prozent der Auto-Akku entladen werden darf, lasse sich einfach via App einstellen. Damit er für diese Zukunft gewappnet ist, hat er sich für ein Auto entschieden, das diese Funktionen bereits im Gepäck hat. Ratz ist auch froh, über Netzstecker und Verlängerungskabel elektrische Geräte im Haus direkt an sein Auto anschließen zu können. Ein Vorteil, der zum Beispiel beim Stromausfall in Niedereschach vor einiger Zeit geholfen hätte. Kühlschrank, Fernseher oder Licht wären nicht ausgefallen. Noch komfortabler wäre freilich die automatische Variante über die hauseigene Ladestation. Ein Ansatz, der sich auch eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung und Speicherung der Zukunft spielen wird.

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