
133.544 Personenfahrzeuge sind im Landkreis Schwarzwald-Baar zum Mai 2021 zugelassen. Von 212.872 Einwohnern (Stand: 31. Dezember 2020) sind 176.693 über 18 Jahre alt. Viele zugeparkte Wohnstraßen und Wohngebiete zeugen davon der ungebrochen hohen Nachfrage nach dem eigenen Auto. Während EU, Bund und Land die Verkehrswende vorantreiben, ist die Frage: Wo steht der Schwarzwald-Baar-Kreis. Die neusten Zahlen wurden jetzt publik.
Frank Bonath ist der umweltpolitische Sprecher seiner Fraktion. Der Villinger Unternehmensberater wollte es jetzt genau wissen. Wo steht der Landkreis, wenn 2035 keine neuen Autos mit Verbrennermotor zugelassen werden sollen? Bonath hat eine Anfrage an das Verkehrsministerium adressiert, Verkehrsminister Winfried Hermann legte nun prompt die Zahlen auf den Tisch. Bonath sagt: „Es gibt noch sehr viel zu tun.“
- So viele E-Autos gibt es bei uns: Zum 31. Mai 2021 sind laut dem Landesverkehrsministerium im Schwarzwald-Baar-Kreis 401 vollelektrische Pkw und 479 Pkw mit Hybridantrieb mit einem E-Kennzeichen zugelassen. Insgesamt allerdings sollen 1620 vollelektrische und Pkw mit Hybridantrieb in der Kreisregion zugelassen sein. Die Differenz erklärt sich so: Längst nicht Alls Fahrzeughalter haben bei der Zulassung ein Kennzeichen mit dem E-Zusatz ausgewählt.
Viele langsame Ladesäulen in der Region
- So viele öffentliche Ladesäulen haben wir: Ebenfalls zum Ende des Monats Mai sind es laut Hermann im Schwarzwald-Baar-Kreis 91 öffentliche Ladepunkte, die in den Kommunen bereitgestellt sind. 26 davon in Villingen-Schwenningen, 12 in Donaueschingen. Von diesen 91 Ladepunkten wiederum sind lediglich 12 als so genannte Schnellladepunkte ausgewiesen. 81 davon gelten als deutlich langsamere Normalladepunkte. Im deutlich kleineren Landkreis Rottweil zählt das Land 116 Ladepunkte. Im Landkreis Konstanz sind es 146, in Landkreis Waldshut 178.

- E-Autos pro öffentlicher Ladesäule: Werden die 1620 vollelektrischen Pkw und Pkw mit Plug-in-Hybridantrieb im Landkreis auf die hier vorhandenen 93 öffentlich zugänglichen Ladepunkte im Schwarzwald-Baar-Kreis umgerechnet, ergibt sich für die Region ein Schnitt von 17,4 E-Pkw pro Ladepunkt. „Damit im Jahr 2030 jeder dritte Pkw klimaneutral fahren wird, werden im Land bis 2030 zwei Millionen private und öffentlich zugängliche Ladepunkte benötigt§, sagt Winfried Hermann. Zudem, so der Verkehrsminister weiter, habe die im Rahmen der Zwischenbilanzkonferenz des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg im Jahr 2020 veröffentlichte Strategie Ladeinfrastruktur das Ziel, einen bedarfsgerechten und flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen, gewerblichen und privaten Raum durch geeignete Rahmenbedingungen zu fördern. Im Klartext: Klassische Tankstellen sollen auch E-Ladepunkte anbieten, vor allem im Ausland ist dies vielfach entlang von Autobahnen bereits gang und gäbe.
Langsames laden, lange Standzeit
- Was bedeuten diese Verhältnisse im Alltag? Die entscheiden Zahl ist die 81, also die Normalladepunkte. Je nach Akkugröße des Fahrzeugs steht hier ein Wagen über Stunden bis zu einem Ladestand von beispielsweise 80 Prozent. Das heißt: 17,4 E-PKWs pro Ladepunkt sagt nicht allzu viel aus. Klar ist: Nur einige wenige Autos mit einem großen Akku blockieren einen Normalladepunkt im Extremfall über 24 Stunden. Das wiederum heißt: Die Ladesäuleninfrastruktur ist nicht tragfähig genug, um größere Mengen von zugelassenen Fahrzeugen rasch zu versorgen.

- Daheim laden: Deshalb setzen viele auf die Ladestation zu Hause. Eine Wallbox mit einem Starkstromanschluss in der heimischen Garage ist etwa so schnell wie ein normaler öffentlicher Ladepunkt. Über Nacht ist daheim auch ein großer Akku gut und, wenn es sein muss, komplett aufgeladen. Tatsächlich werden die großen Akkus fast nie auf 100 Prozent geladen. Die Hersteller empfehlen im Alltagsbetrieb einen Maximalladestand von 80 bis 90 Prozent der Kapazität. So werde, heißt es von E-Autoherstellern, der Stromspeicher im Auto besonders langlebig und könne auch in späteren Jahren noch bis zu hohen Ladegraden über 80 Prozent aufgeladen werden. Sehr alte E-Autos schaffen hier manchmal nicht mehr die 90-Prozent-Marke, heißt es in Fahrer-Foren.
Die Region hinkt hinterher
- Was passiert im realen Leben: Die Klage der Anbieter von öffentlichen Ladepunkten, diese würden kaum genutzt, sind oft hausgemacht. Die Ladeleistung ist zu langsam, der Preis zu hoch. Für E-Autofahrer ist die Einkaufstour zu Discountern besonders attraktiv. Hier gibt es mancherorts an Schnellladesäulen Strom zum Nulltarif – während des Einkaufs. Wer 40 Minuten lang durch die Regalschluchten bummelt, kann in der Zeit vor entsprechend ausgerüsteten Supermärkten sein Fahrzeug wieder fast voll aufladen, vorausgesetzt, er ist nicht mit dem letzten Strom dorthin gefahren. Landesverkehrsminister Hermann drückt das in seiner Antwort an Frank Bonath etwas Anbieter-schonender aus. Er formuliert: „Insgesamt muss der Markthochlauf der Elektromobilität von einem flächendeckenden und bedarfsorientierten Ausbau der Ladeinfrastruktur begleitet werden.“
- Der Faktor des Wertverfalls: Personen, die sich aktuell ein neues Auto kaufen, müssen mehr denn je den Faktor des Wertverlusts im Auge behalten. Zum Beispiel: Wie groß wird der technische Fortschritt binnen fünf Jahren sein und zu welchem Preis könnte mein Fahrzeug dann noch verkaufbar sein. Fahrzeughersteller versuchen, diese Kluft mit ständiger Verbesserung der Software im Auto zu überbrücken. Vor allem bei Themen wie Autopilot oder teilautonomes Fahren gibt es pro Jahr zahlreiche Veränderungen. In die Werkstatt muss der Wagen dafür bei etablierten E-Autoherstellern nicht. Das neue Programm kommt übers Internet kabellos direkt in den Fahrzeugrechner.

- Immobilien-Probleme: Wer eine Garage mit Licht hat, kann dort noch lange keine Wallbox installieren lassen. Ein Starkstromkabel muss im Regelfall verlegt werden. Die Kosten bis zur Inbetriebnahme einer Wallbox in der Garage können sich so rasch Richtung 2000 Euro bewegen. Die Wallbox selbst wird derzeit vom Bund gefördert.
Herausforderungen des Alltags
- Wer keine Garage hat: Wer sein Auto an der Straße parken muss, ist entweder auf öffentliche Ladestationen oder auch auf ein Einsehen des Arbeitgebers angewiesen. Einige ambitionierte Firmen stellen Stromladestellen auf Firmenparkplätzen für ihre Mitarbeiter bereit, manchmal kostenlos, manchmal gegen einen geringen Obolus.
- Weckruf für Rathaus und Landratsamt: Auf wen kommt es bei der Verkehrswende besonders an? Bei der Umsetzung der Ziele der Verkehrswende sind für Verkehrsminister Hermann „die Städte und Landkreise die entscheidenden Akteure“. Das Land unterstütze sie daher bei dem dafür notwendigen Strukturaufbau in der Verwaltung: Das Ministerium für Verkehr fördere die Einstellung von zusätzlichem .Personal für den Ausbau einer dezentral gesteuerten, bedarfsgerechten Versorgung mit Ladeinfrastruktur. „Zu den Aufgaben gehöre es, unter anderem den Ausbau voranzutreiben, die Errichtung der Ladepunkte zu koordinieren und die Lücken im Ladenetz zu identifizieren. Es ist außerdem beabsichtigt, ein Planungstool zur Verfügung zu stellen“, so Hermann weiter in seiner Antwort an Frank Bonath.
- Weshalb gibt‘s die Unterversorgung? Frank Bonath ist ein Mann der Zahlen und Analysen. Der FDP-Stadtrat sagt am Fallbeispiel Villingen-Schwenningen, es gebe „immer genug Untersuchungen und Auswertungen dazu. Villingen-Schwenningen kommt aber oft nicht in das Stadium der konkreten Schritte.“ An die Adresse der Stadtwerke Villingen-Schwenningen gerichtet formuliert er: „Hier könnten mehr Ladepunkte schnell gemacht werden.“
Ladesäule aus Villingen
Ladesäulen sind meist unansehnliche Funktions-Stationen aus Metallplatten und Kunststoffelementen. Bei der Villinger Hess AG gibt es ebenfalls Lademodule – sie lassen sich in verschiedene Säulen des Leuchtenherstellers integrieren. Laut einem Sprecher lassen sich diese Lademodule in das Leuchtenprogramm des Hauses integrieren. Die Ladeleistung betrage hier 22kW (32 A, 400V, AC 3-phasig). Damit ist ein solcher Ladepunkt nicht im Schnellladebereich von 50kW und mehr anzusiedeln. Allerdings bietet eine solche Applikation im Mast einer Straßenlaterne damit vergleichbare Ladeleistungen wie eine private Wallbox.