Einige Großereignisse graben sich tief ins kollektive Gedächtnis ein. Beispielsweise der innerdeutsche Mauerfall am 9. November 1989, der Terroranschlag am 11. September 2001 in New York oder manche Naturkatastrophen.
Als eine solche hat auch der Sturm „Lothar“ seine Spuren in den Köpfen hinterlassen: Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999, also vor genau 25 Jahren, fegte das Orkantief quasi ohne Vorwarnung mit zuvor nie gemessenen Windgeschwindigkeiten über West- und Mitteleuropa.
Massive Schäden im Schwarzwald-Baar-Kreis
Allein in Baden-Württemberg starben 13 Menschen, bei Hüfingen entgleiste ein Zug mit 250 Menschen, in der Folge war die Schwarzwaldbahn blockiert, außerdem waren zahlreiche Straßen gesperrt. Auch in Villingen-Schwenningen richtete der Sturm massive Schäden an.
In der Doppelstadt wurden Windstärken bis 110 Stundenkilometer gemessen. Das war relativ gering im Vergleich zu den Windstärken auf dem Feldberg (215 km/h) und auf dem Hohentwiel bei Singen (260 km/h). Dennoch waren die Schäden auch in VS groß, etliche Häuser wurden abgedeckt.
Kurgebiet stark betroffen
In Villingen war das Kurgebiet vom Sturm besonders stark betroffen.
Umgeknickte Bäume blockierten stundenlang die Straßen und demolierten Dächer und Wintergärten. Im Unteren Dammweg stürzt ein Baum auf eine Stromleitung, wodurch in der Innenstadt sowie in der Südstadt der Strom für mehrere Stunden ausfiel.
In der Innenstadt fielen die Christbäume um, die Niedere Straße wurde zeitweise wegen herabstürzender Dachziegel gesperrt und sämtliche Parkanlagen von den Sturmböen arg zersaust. Im Bereich des Bahnhofs zertrümmerten umgestürzte Bäume Scheiben und Dächer geparkter Autos.

Dach vom Haus geblasen
In Schwenningen flog einer Familie gar das komplette Dach vom Haus. Mit Sandsäcken sicherte die Feuerwehr die Dächer des Schwenninger Krankenhauses. Dort zerfetzte es teilweise die Dächer des Bettenhauses und des Schwesternwohnheimes. Auch im Umland richtete der wütende Sturm erhebliche Schäden an.

Als ob die Polizei nicht schon genug zu tun gehabt hätte, mussten sich die Beamten am Mittag auch noch um rund 1100 enttäuschte Eishockey-Fans am Villinger Bahnhof kümmern. Die wollten eigentlich mit einem Sonderzug zum Spiel des SERC nach Mannheim reisen. Wegen Sturmschäden auf den Bahnlinien konnte dieser Zug jedoch nicht fahren.
Stadtwald schwer getroffen
Schwer getroffen wurde auch der Stadt- und Privatwald von Villingen-Schwenningen. „Es ist ein Riesenschaden“, berichtete am 29. Dezember 1999 Eberhard Härle, der damalige Leiter des städtischen Forstamtes. Schätzungsweise 100.000 Festmeter wurden am zweiten Weihnachtsfeiertag von dem Orkan umgeknickt wie Streichhölzer. Besonders betroffen waren der Neuhäuslewald westlich von Pfaffenweiler und in Waldbereiche östlich des „Hölzlekönigs“ auf Schwenninger Gemarkung.

Im Vergleich zu einigen anderen Forstflächen, etwa im Kinzigtal oder an der Hornisgrinde, ist das städtische Forstamt allerdings noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Gleichwohl brauchte das Forstamt und die beauftragten Firmen ein ganzes Jahr, um das von „Lothar“ geknickte und entwurzelte Sturmholz aufzuarbeiten und aus dem Wald zu holen.
In den Folgejahren hat das Forstamt die vom Sturm niedergemähten Waldflächen wieder aufgeforstet oder sie der natürlichen Waldverjüngung überlassen. Die Wälder haben sich erstaunlich schnell erholt. Die sturmgeschädigten Flächen, so bilanziert der aktuelle Forstamtsleiter Tobias Kühn rückblickend, „haben sich toll gemacht“. Es seien „stabile, vielgestaltige Waldflächen“ entstanden.

„Die Wunden sind geschlossen“
Sein Fazit nach 25 Jahren: „Die Wunde ist geschlossen.“ Für Waldbesucher sind die Sturmschäden von damals längst nicht mehr als solche zu erkennen. Die Bäume sind inzwischen zum Teil 15 Meter hoch oder höher. Die ersten Bestände aus der Wiederaufforstung nach Lothar „stehen vor der ersten Durchforstung“, berichtet Kühn.
Das Forstamt hat die Sturmschäden von 1999 klug genutzt, um einen Baumartenwechsel zu beschleunigen. Dieser soll den Wald, der seit 150 Jahren von der Fichte dominiert ist, stabilisieren. Damals wurden verstärkt Eichen, Buchen, Bergahorn und Weißtanne aufgeforstet.
Neue Herausforderungen
„Heute würde man andere Baumarten anpflanzen als damals“, konstatiert der Forstamtsleiter. Die rasant fortschreitende Erderwärmung in den vergangenen 25 Jahren zwingt die Forstleute zu ständigen Anpassungen ihrer Strategien im Bemühen, die heimischen Wälder zu retten.
Für den Forst war „Lothar“ ein massiver Einschnitt. Es entstand eine neue Zeitrechnung, vor und nach „Lothar“. Der Jahrhundertsturm war vielleicht nur ein heftiger Vorbote dessen, was noch kommen soll. „Mit Sturm Lothar sind wir heute durch“, stellt Tobias Kühn fest. Doch der Wald und sein Erhalt, er bleibt weiterhin das Sorgenkind der Forstleute.