Die Polizei folgte einer Blutspur und das Opfer hatte Glück, dass es überlebte. Aus einem Treffen von drei Männern die in einer Wohnung von Villingen-Schwenningen, die unter anderem harten Alkohol tranken, wurde im März diesen Jahres ein Blutbad.

Jetzt muss sich 50-Jähriger vor dem Landgericht Konstanz wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Angeklagter ist ein früherer Angehöriger der russischen Miliz. Unklar ist, ob Diskussionen über Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Rolle spielten.

Ein Bild des Schreckens

Der Polizei bot sich in Villingen-Schwennigen ein Bild des Schreckens. Eine Blutspur führte von der Straße bis über die Treppen und eine Wohnung im ersten Geschoss. Dort müssen sich üble Szenen abgespielt haben: Ein 39 Jahre alter Mann erlitt zwei Messerschnitte am Hals.

Die Halsschlagader sei laut Staatsanwalt nur knapp verfehlt worden. Der Verletzte rannte ins Freie. Er fürchtete um sein Leben und auch um das des 51-jährigen Kumpel, der in der Wohnung zurück blieb. Dieser wurde durch weitere Stiche an der Hand und in der Körperseite verletzt.

Der Angeklagte im blauen Hemd wird in den Gerichtssaal geführt. Er trägte eine Papiertüte mit sich.
Der Angeklagte im blauen Hemd wird in den Gerichtssaal geführt. Er trägte eine Papiertüte mit sich. | Bild: Rindt Claudia

War es Notwehr?

Der Angeklagte will in Notwehr gehandelt haben. Doch der 39-Jährige und der 51-Jährige schildern die Tat ganz anders. Sie kennen den Angeklagten als Waffennarr. Der 51-Jährige sagte, unter Alkohol und Drogen könne der Beschuldigte unangenehm werden.

Klar ist derzeit nur: Der Beschuldigte läuft mit Messern herum (“Manchmal braucht man ein Messer“) und findet es ganz normal, eine Softair-Pistole in Form eines Maschinengewehrs zu besitzen. „Ich habe die aus Spaß gekauft“. Sein inzwischen erwachsener Sohn habe als Jugendlicher damit gespielt. Auch eine Schreckschusspistole lagert beim ehemaligen Angehörigen der russischen Miliz.

Er gehörte der russischen Miliz an

Der Angeklagte ist ein großer, schlacksiger Typ, der mit einer Papiertasche den Verhandlungssaal im Landgericht betritt. Er sagt, er sei als „vollsozialistischer Junge“ in Russland aufgewachsen. Er sei sportlich gewesen, und habe ab dem siebten Lebensjahr Eishockey gespielt, und sei im Verein ein guter Pistolenschütze gewesen.

Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt. Er trägt eine Papiertüte mit sich.
Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt. Er trägt eine Papiertüte mit sich. | Bild: Rindt Claudia

Nach seinen Angaben war er bei der russischen Armee und gehörte 3,5 Jahre lang der russischen Miliz an. 1997 wanderten er und seine Familie nach Deutschland aus. Er arbeitete in einem technischen Beruf. In Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Rottweil wurde ihm bescheinigt, seine Arbeit in der Montage pünktlich und zuverlässig zu erledigen.

Viel Alkohol und auch Cannabis

Der 50-Jährige räumte vor Gericht ein, dass er gelegentlich, also ein bis zweimal im Monat, stark Alkohol konsumiere. Er gab an: Bei 300 Gramm sei bei ihm die Schmerzgrenze erreicht. Nicht jeden Tag, aber oft, habe er auch kleine Mengen Cannabis geraucht. In der Untersuchungshaft habe er aber nicht unter Entzugserscheinungen gelitten.

Der Mann wurde am Tag der Tat Anfang März dieses Jahres von der Polizei festgenommen. Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte stark alkoholisiert und hatte deutlich mehr als zwei Promille, das ist nachgewiesen. Unklar aber ist, ob er wegen des Alkohols völlig vernebelt war. Dazu äußern sich die Zeugen nicht eindeutig.

Das Messer stammt vom Flohmarkt

Der Angeklagte sagte, er habe zum Treffen in der Wohnung ein Messer mitgebracht, das er auf dem Flohmarkt erworben habe, und eines, das er immer im Schuh trage, um sich notfalls verteidigen zu können. Bevor er zustach, seien zwei Attacken des 39-Jährigen voraus gegangen, der ein großer wuchtiger Mann ist. Zuerst habe er ihm dieser ohne Grund einen schlimmen Schlag aufs Auge versetzt. “Die Zwei saßen da, als wäre nichts passiert.“

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Da habe es ihm gereicht. Er habe gehen wollen. Dann sei der 39-Jährige nochmals auf ihn los gegangen. Er habe Schläge ins Gesicht bekommen, er hätte sich mit seiner Erfahrung mit den Händen verteidigen können, aber Angst bekommen, dass es sich um eine Provokation handeln könnte. Erstmal habe er nur Schläge abgewehrt.

Als er sich in Lebensgefahr wähnte, habe er zum Messer gegriffen. Er erinnere sich auch nur an einen Stich, und bei diesem will er das Messer so gehalten haben, dass keine tiefen Verletzungen entstehen könnten. Als früherer Angehöriger der russischen Miliz wisse er mit Messern und Waffen umzugehen.

Kein Streit?

Die beiden anderen schildern den Tathergang völlig anderes. Demnach soll das Opfer überhaupt keinen Streit mit dem Täter gehabt haben. Dieser sei völlig überraschend mit dem Messer auf das Opfer losgegangen.

Der 39-jährige Geschädigte sagte mehrfach, er vermute, dass der etwa eine halbe Stunde vorher erfolgte Schlag der Auslöser war. Dieser Schlag sei aber nicht von ihm gekommen, sondern vom 51-Jährigen Mieter der Wohnung. Dieser bestätigte dies vor Gericht. „Ich habe ihm eine geknallt“, den Angeklagten aber nicht ernsthaft verletzt. Und warum?

Angeklagter wird laut

Der Angeklagte sei mit zunehmenden Alkoholkonsum immer lauter geworden. Er habe diesen gebeten er möge wegen seiner pflegebedürftigen Mutter im Obergeschoss etwas leiser sein. Doch der Angeklagte habe weiter herumgeschrien und geantwortet: „Was geht mich deine Mutter an?“

Dann, so sagte der Zeuge, sei er handgreiflich geworden. Der 51-Jährige stellte weiter fest, der Angeklagte sei schon früher unangenehm aufgefallen, weil er soff, kiffte und Messer und Äxte mit sich führte. Auf die Frage, warum er ihn dennoch in seine Wohnung eingeladen habe, sagte er: „Vielleicht habe ich ein zu gutes Herz.“

Im Kopf im Kampfmodus?

Zur Erklärung der Messerstiche sagte er über den Angeklagten: „Im Kopf ist er vielleicht im Kampfmodus.“ Der Angeklagte habe viel über Russland geredet, und sich ins Thema Ukraine hineingesteigert. Er sei ein Befürworte des Angriffs. Er und der andere hätten dazu aber nichts gesagt: „Wir wollten nicht darüber diskutieren. Ich wollte die Sportschau sehen.“

Unter dem Strich sagt der 51-Jähige über den Angeklagten: „Wie kann man nur so drauf sein?“ Schon bei einer früheren Gelegenheit, beim gemeinsamen Grillen, habe sich der 50-Jährige so aufgeführt, dass andere sagten, den solle er nie wieder mitbringen.