
Es ist einer jener Punkte, der die meisten Menschen vom Kauf eines Elektroautos abhält: Die im Vergleich zu einem Auto mit Verbrennermotor geringere Reichweite. Im Alltag ist es allerdings größtenteils irrelevant, ob das E-Auto nun 200, 300 oder gar 400 Kilometer weit kommt. Warum das so ist, habe ich in den ersten Tagen des zwei Wochen langen Tests mit dem Nissan Leaf gelernt.

Umdenken beim Tanken nötig
Bisher war ich es gewohnt, mein Auto alle anderthalb bis zwei Wochen nach etwa 1000 Kilometern Fahrt wieder vollzutanken. Beim Elektroauto ist dieser Tankstopp nicht mehr nötig. Das Prinzip des elektrischen Tankens gleicht im Grunde dem Aufladen eines jeden Smartphones. Der Vergleich mit dem Handy liegt nahe: Genauso wie ich mein Smartphone jeden Abend auflade, muss eben auch das Elektroauto abends an die Steckdose. Umgekehrt gibt es auch Fahrer, die dasselbe während der Arbeitszeit tun. So wie Christoph Kaufmann. Im Video erklärt er, wie der Aufladevorgang funktionert.
So hat man jeden Tag die volle Reichweite zur Verfügung. Und nachdem kaum jemand täglich 250 Kilometer Auto fährt, ist die Reichweitenangst größtenteils unbegründet.
Garage wird zur Stromtankstelle
Allerdings: Wer wirklich auf ein E-Auto umsteigt, der muss sich Gedanken über die Herkunft des Stroms und über eine Lademöglichkeit zuhause machen. Ein Elektroauto macht nur Sinn, wenn in der heimischen Garage oder in der Einfahrt eine Lademöglichkeit installiert wird. Die meisten Hersteller bieten dafür eine Wandladestation an, an der das Auto angeschlossen und schnell wieder aufgeladen werden kann. Zwischen 500 und 2000 Euro sollten Käufer für dieses Zubehör mit einkalkulieren. Wer sein E-Mobil an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose aufladen will, kann das zwar tun. Allerdings dauert das Laden im Niederspannungsnetz unvergleichbar länger. Beim Leaf dauert das Laden an der Steckdose 17 Stunden.

Eine Ladesäule in jedem Ort
Unübersehbar ist auch: Wer in einem Mietshaus ohne Garage wohnt oder wie ich einen Tiefgaragenstellplatz ohne Stromanschluss zur Verfügung hat, kann sich nicht einfach eine Ladestation einbauen lassen. Wenn ich also ein Elektroauto anschaffen würde, wäre ich zumindest vorerst auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen. Das klappt im Schwarzwald-Baar-Kreis erstaunlich gut. In fast jedem Ort findet sich eine Ladesäule. In Villingen habe ich die Stromtankstelle vor dem Landratsamt genutzt, in Bad Dürrheim die Schnellladestation vor dem Kaufland. Hier ist der Strom sogar umsonst.
Zuhause tanken ist am günstigsten
Verwirrend ist für mich zunächst die Anzahl an Anbietern von Strom. Dort, wo Strom etwas kostet, sind die Tarife oft schlecht ausgeschildert oder kryptisch ausgewiesen. Teilweise wird auch nach Nutzungsdauer abgerechnet. Wer auf den Preis achtet, muss so das Smartphone zücken und den Stromtarif selbst ausrechnen. Denn dann kommt es darauf an, wie schnell das eigene Auto auflädt.

Ein Kostenbeispiel für den Leaf: Ich habe das Auto häufig an der Ladestation der EGT am Technologiezentrum in St. Georgen geladen. Mit dem Typ2-Stecker kann der Leaf 6,6 Kilowattstunden aufnehmen. Das kostet dort 2,20 Euro pro Stunde. Einmal volltanken dauert dort etwa sechs Stunden. Preis: 13,20 Euro oder umgerechnet 33 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Verbrauch von etwa 15 Kilowattstunden auf 100 Kilometer komme ich auf Kraftstoffkosten von 4,95 Euro. Zum Vergleich: Mein BMW braucht im Durchschnitt exakt fünf Liter Diesel. Zuletzt habe ich für 1,30 Euro getankt. Somit werden 6,50 Euro fällig, etwa ein Drittel mehr.

Allerdings: E-Autofahrer, die nur in der Region unterwegs sind, nutzen die kostenpflichtigen Säulen kaum. Sie kommen ohne Zwischenstop an alle Ziele und laden abends zuhause wieder auf, idalerweise mit günstigem Solarstrom vom Dach, der ganz nebenbei auch bedeutend günstiger ist. Wer nur auf öffentliche Ladesäulen zurückgreift, wird den Mehrpreis eines Elektroautos nur schwerlich über Ersparnisse beim Kraftstoff wieder reinholen. Am Ende ist klar: Wer einen Stromer fahren will, braucht eine eigene Stromtankstelle in der Garage oder vor dem Haus.

Eigene Ladestation ist sinnvoll
Wer die Möglichkeit hat, zuhause das entsprechende Zubehör einbauen zu lassen, wird im Alltag keine Probleme mit der Umstellung haben. An den öffentlichen Ladesäulen funktioniert das Aufladen meist ebenfalls unkompliziert. Ich habe für den Test einen Chip des Unternehmens "Plugsurfing" genutzt, den der Hersteller Nissan dem Testwagen beigefügt hatte. Damit kann man an 70 000 Ladesäulen europaweit auftanken. Die Abrechnung kommt am Monatsende per Post.


Und hier liegt auch einer der größten Haken: Strom an Ladesäulen ist meist teuer und häufig sind die Preise schlecht ausgewiesen. Je nach Anbieter muss man sich selbst ausrechnen, wie viel man gerade für den Strom bezahlt. Transparenz? Gleich null. Die Zahl der Ladesäulen ist einstweilen ausreichend. Allerdings ist die komplizierte Tarifgestaltung ein massives Hindernis, das potenzielle Nutzer abschreckt.
Fast am angegebenen Verbrauch
270 bis 285 Kilometer soll die Reichweite des Leaf betragen. Im Alltag wird klar: Zumindest 250 Kilometer sind unter idealen Voraussetzungen realistisch. Ideal heißt in diesem Fall: viel Stadtverkehr, keine Autobahn, flaches Gelände und schönes Wetter. Bei uns im Schwarzwald scheinen 220 Kilometer eher realistisch zu sein. Das ist für die allermeisten Fahrten vollkommen ausreichend. Denn: Anders als beim Verbrennerauto wird ein Elektroauto in der Praxis nie voll aufgeladen und dann leer gefahren.

Im Winter sinkt die Reichweite
Was im September nur in Grundzügen getestet werden konnte, war die Reichweite bei kaltem Wetter. Bei einer längeren Nachtfahrt, bei der das Thermometer zwischen vier und einem Grad Celsius anzeigte, schien die Kälte der Reichweite nichts anzuhaben. Allerdings berichten Elektroautofahrer davon, dass die Reichweite im Winter abnehmen kann. "Wenn es richtig kalt ist, macht sich das natürlich bemerkbar", bestätigt Harald Gronmaier aus VS-Rietheim. Er fährt eine Renault Zoé, die im Winter etwa 30 Prozent weniger Reichweite hat.
Haben Sie Fragen?
Wie lebt es sich mit einem Elektroauto im ländlichen Raum? Dazu war SÜDKURIER-Volontär Kevin Rodgers zwei Wochen lang mit einem rein elektrisch angetriebenen Nissan Leaf im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis unterwegs. 1500 Kilometer hat er zurückgelegt. Alltagstauglichkeit, Reichweite, Ladeinfrastruktur, Langstrecken, Bergfahrten und Kosten – diese Fragen werden in einer Serie zur Elektromobilität beantwortet. Wenn Sie weitere Fragen zum Thema Elektromobilität haben, können Sie diese gerne per Mail an kevin.rodgers@suedkurier.de direkt an den Autor richten.