Als Katrin Vernau Anfang der 90er-Jahre am Schwenninger Deutenberg-Gymnasium ihr Abitur ablegte, da konnte keiner ahnen, welch atemberaubende berufliche Laufbahn sie in den kommenden drei Jahrzehnten absolvieren sollte.
Heute steht die 51-jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin in der Spitze des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Es ist die mit 4200 Mitarbeitern größte Sendeanstalt der ARD und – nach der britischen BBC – der zweitgrößte Fernseh- und Hörfunksender Europas.
Ende 2024 wurde die gebürtige Schwenningerin für eine sechsjährige Amtszeit zur neuen Intendantin des WDR gewählt. Das Spitzenamt hat sie vor wenigen Tagen, Anfang Januar, angetreten. Als Nachfolgerin von Tom Buhrow, dem ehemaligen Tagesthemen-Moderator, der von 2013 bis 2024 die Geschicke des WDR als Intendant leitete.
Gegen Top-Journalisten durchgesetzt
Bei der Intendantenwahl setzte sich Katrin Vornau souverän gegen so bekannte Fernseh-Gesichter wie Jörg Schönenborn (60), Fernseh-Moderator und WDR-Programmdirektor, Helge Fuhst (40), Moderator der Tagesthemen und einer der ARD-Chefredakteure, sowie den ZDF-Washington-Korrespondenten Elmar Theveßen (57) durch.
Die Zeit der journalistischen Alpha-Männchen in den ARD-Leitungsgremien sei wohl vorbei, orakelte danach das Nachrichtemagazin „Spiegel“.
Diesen Karrieresprung an die Spitze des WDR gegen die starke Konkurrenz von Top-Journalisten hat die erprobte Managerin vermutlich auch ihrem vorangegangenen Spezialauftrag zu verdanken.
Tom Buhrow sorgte dafür, dass Vernau als damalige Verwaltungsdirektorin des WDR beim skandalgeplagten Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) für Ordnung sorgte.

Beim Sender RBB aufgeräumt
Von September 2022 bis Juni 2023 fungiere sie als Interims-Chefin des RBB, nachdem der Sender wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft und des Missmanagements unter der vorherigen Intendantin Patricia Schlesinger in die Krise geraten war.
Beim RBB ist es ihr binnen sechs Monaten gelungen, die drohende Insolvenz abzuwenden und das Programm neu auszurichten.
Nach diesem Erfolgsstück trauten es die WDR-Rundfunkräte der Wirtschafts- und Verwaltungsexpertin Vernau wohl am ehesten zu, das ARD-Flaggschiff, den WDR, in schwierigen Zeiten in die Zukunft zu führen.

In einer Lehrerfamilie aufgewachsen
Doch wer ist die Frau, die nun in der obersten Führungsetage des deutschen Rundfunkwesens angekommen ist? Darüber gibt Katrin Vernau im Gespräch mit dem SÜDKURIER ausführlich Auskunft.
Aufgewachsen ist sie im gutbürgerlichen Wohngebiet auf Rinelen im Schwenninger Norden mit ihrem Bruder in einer Lehrerfamilie. Beide Eltern waren Studienräte am Deutenberg-Gymnasium, die Mutter für Mathe, Französisch und Englisch, der Vater unterrichtete Englisch und Sport, Letzteres zeitweise auch am Hoptbühl-Gymnasium in Villingen.
„Bildung war in meiner Familie immer ein wichtiges Thema“, berichtet Katrin Vernau. Sprachen lernen, Bücher und Zeitungen lesen, das hat schon ihre Kindheit und Jugend geprägt. Grundschule Rinelen, Gartenschule, Gymnasium am Deutenberg: 1992 legte sie dort ihr Abitur ab.
Sie fiel schon damals durch hervorragende Schulleistungen auf. Nebenbei hat sie im Schulchor gesungen, gelegentlich mit ihrer Stimme auch im Kirchenchor „ausgeholfen“ und anderen Schülern Nachhilfeunterricht erteilt.

Sport getrieben, so berichtet Katrin Vernau, hat sie damals in der Turngemeinde Schwenningen. Leichtathletik beim bekannten Trainer Alfred Siegle. Zeitweise hat sie in der TG auch Handball gespielt. Allerdings, wie sie einräumt, nur mit begrenztem Talent.
„Es war für mich eine sehr schöne, beschauliche und behütete Jugend in Schwenningen“, urteilt sie in der Rückschau. „Ich habe mich extrem wohlgefühlt.“
Für sie eine wichtige Grundlage für alles Weitere in ihrem Leben. „Ich glaube, dass mir dieses Umfeld eine große Erdung und Verwurzelung gebracht hat, die mir geholfen haben in den stürmischen Zeiten, die kommen sollten.“
„Chancen beim Schopfe packen“
Stürme hat sie in ihrer beruflichen Karriere einige erlebt. Allerdings erlitt die Schwenningerin bislang keinerlei Schiffbruch. Für sie ging es stetig und steil bergauf.
Wenn sie jungen Leuten, die sich beruflich entwickeln wollen, einen Rat geben würde, dann diesen: „Sie sollten das machen, was sie gerne machen. Sie sollten in ihre eigene Ausbildung investieren. Und sie sollten, wenn sich eine Chance auftut, diese beim Schopfe packen.“
Daran hat sich Katrin Vernau selbst gehalten. „Die meisten Karriereschritte haben sich bei mir ergeben“, stellt sie fest. „Aber wenn ich gefragt wurde, dann habe ich zugegriffen.“

Als erprobte Krisenmanagerin und Verwaltungsexperten liegt es nun an ihr, die große Sendeanstalt in die Zukunft zu führen. Hier wartet eine Mammutaufgabe auf sie.
Es geht ihr darum, das Programm und die Sendestrukturen im WDR zu verbessern, näher ans Publikum zu rücken, junge Leute zu erreichen und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks politisch abzusichern.
Diese will sie mit Sachkompetenz und ohne Starallüren meistern. Bodenständigkeit scheint ihr wichtig. „Ich mache keine großen Wellen und Auftritte, bin keine große Selbstdarstellerin“, hat sie sich in ihrer Bewerbung als WDR-Intendantin selbst charakterisiert. Um im selben Atemzug ihre Teamfähigkeit zu betonen.
Neue Heimat in Köln gefunden
Seit zehn Jahren lebt Vernau nun in Köln. „Ich habe hier meine neue und zweite Heimat gefunden“, sagt sie. „Die Kölner machten es mir einfach, anzukommen.“ Die offene Art der Rheinländer gefällt ihr.
Doch ihrer alten Heimat fühlt sich die viel beschäftigte Managerin noch immer sehr verbunden. Drei- bis viermal im Jahr, so berichtet sie, kommt sie nach Hause, besucht die Eltern, Verwandten und die alten Freunde und Bekannten.
Ihre älteste Freundin aus Kindergartenzeiten, die inzwischen in der Schweiz zu Hause ist, stammt übrigens aus Villingen. Auch in diesem Jahr plant sie wieder Besuche in der alten Heimat: Zum Geburtstag ihrer Mutter und zum Treffen mit ihrem Abi-Jahrgang will sie kommen.
Und meistens nimmt sie vor der Rückfahrt nach Köln noch Maultaschen mit: „Von meinem Lieblingsmetzger Haller“. Die Maultaschen aus Schwenningen, sie sind inzwischen auch in ihrem Kollegenkreis beim WDR in Köln eine geschätzte Ware. Und für Vernau ein Stück Heimat.