Uwe Hilsenbeck und Frank Singer kennt in Villingen-Schwenningen jeder. Der Villinger Bäcker- und Konditormeister vom Goldenbühl und der Betreiber des Schwenninger Salinencafés führen echte Familienunternehmen im Oberzentrum. 20 Mitarbeiter jeweils und jetzt der gleiche Schock: Post von den Stadtwerken. Der Inhalt? Ein Hammer.
Sowohl bei Hilsenbeck wie auch bei Singer heißt es jetzt: Monatlich sind nicht mehr 2000 Euro zu überweisen. Jetzt sind es 9500 Euro. Alle vier Wochen. Nur für Strom. Ist das überhaupt betriebswirtschaftlich darstellbar?

Frank Singer schildert die Gesamtlage. „Bis zu Corona im Februar 2020 konnten wir unsere Umsatzzahlen immer steigern – dann brach alles zusammen.“ Sein Café neben der Feintechnikschule hat er bis heute geschlossen. Nur der Laden ist auf – Kaffee und Kuchen. Seine Öfen laufen mit Gas. Den Strom braucht er vor allem für die Kühlung.
Uwe Hilsenbeck hat seine Villinger Backöfen hinter dem E-Center an der Konstanzer Straße stehen. In der Fußgängerzone betreibt er das Café Törtchen. 70 Plätze wollen hier täglich bedient werden. Auch er ringt mit Corona-Folgen: „Uns fehlen die Touristen – das drückt unseren Umsatz um 15 Prozent“, hat er nachgerechnet.

Hilsenbeck und Singer sind zwei Bäcker, die jetzt vor einem Berg an Herausforderung stehen. Beide haben bereits Anlauf genommen. „Sparen“, sagt Hilsenbeck auf die Frage, was die Lösung zur neuen Stromrechnung sein könnte. „Noch energieeffizienter den Betrieb trimmen“, schildert er.
Bei Hilsenbecks geht das so: „Wir prüfen jetzt beispielsweise genauer die Rückläufe aus den Ladentheken ins Lager. Was wird nicht oder weniger verkauft“, prüfe er nun detailliert. „Dann die Produktionsmenge reduzieren“, grübelt er und sagt im selben Atemzug: „Aber wenn der Ofen an ist, dann ist er halt an, ob zehn Teile drin sind oder 50“.

250 Artikel hat Hilsenbeck im Angebot. Singer sagt, er habe „locker auch über 200“. Die Vielfalt jetzt reduzieren? Hilsenbeck und Singer ringen mit ihrer Grundvorstellung, wie es bei einem Bäcker aussehen sollte: Kuchen, Gipfel, Pralinen, süße Stückle. Dazu der Duft von frischem Apfelkuchen mit Streusel.
Das alles wird im Moment überkübelt mit der bitteren Realität. Rechnet sich das noch? Der aktuelle Preis-Schocker ist nur die Stromrechnung. Demnächst wird der Brief zum Thema Gas kommen. Was dann?

Uwe Hilsenbeck würde 2022 so gerne ein wenig feiern. „Seit 70 Jahren gibt es unseren Betrieb“, sagt er. Frank Singer ergänzt: „Wir werden in zwei Jahren 100 Jahre alt – wenn es uns dann noch gibt“, betont er.
Die ganze Standhaftigkeit des Berufsstandes wird deutlich, wenn Hilsenbeck auf die Frage antwortet, mit welchem Gefühl er derzeit nachts in die Backstube geht: „Ich bin jeden Morgen dankbar, dass die Kunden da sind.“
Umbau bei der Energie schaffen
Traurig, Wut auf Putin? Der 56-Jährige Villinger sieht alles sehr differenziert. Aufhalten lassen will er sich nicht. Er hat vier Kinder. Die Tochter ist auf der Meisterschule.
Zukunft? Ja, und zwar so: „Wir müssen den Umbau bei der Energie schaffen“, sagt er. Seine Backöfen laufen noch mit Heizöl. Hilsenbeck ist schon unterwegs zur Nachhaltigkeit. „Gott sei Dank“, so formuliert er, „habe ich im November 2021 Solar aufs Dach im Goldenbühl montieren lassen“.
Wie sehr sich das auszahlt? Er weiß es noch nicht genau, das ganze Jahr ist noch nicht rum seither. Er hofft, dass ihn die Anlage nun von den brachialen 9500 Euro ein Stück weit weg bringt.
Beide VS-Backstuben-Betreiber schildern, dass „die Kundschaft natürlich seit Monaten kostenbewusster einkauft“, wie Uwe Hilsenbeck feststellt. In der Kasse spürt er das. „Fünf Prozent des Umsatzes, manchmal ein bisschen mehr“, würde das an Minus ausmachen.
Zuckerpreise haben sich verdreifacht
Preisschock auch an der Theke vom Salinencafé? „Das Stück Apfelkuchen war zu Jahresbeginn bei drei Euro, jetzt müssen wir 3,30 Euro berechnen“, nennt Frank Singer ein Beispiel. Dass die Preise jetzt weiter hochgesetzt werden müssen, sei klar. Ob die Kunden da mitgehen können? Unklar.
Klar sind die Fakten – Singers blanke Rechnung: „55 Cent habe ich bislang für das Kilo Zucker im Einkauf bezahlt. Für das Kilo Butter 3 Euro. Zucker liegt jetzt dreifach höher bei 1,50 Euro, die Butter kostet bis zu 11 Euro aktuell“, schildert er „den Wahnsinn an den Rohstoffmärkten“ in seinen realen Auswirkungen.
Wertschätzung der Öffentlichkeit fehlt
Uwe Hilsenbeck und Frank Singer wollen mit ihrem Personal gemeinsam durch den Winter kommen. Reduzierungen schließen sie derzeit aus. Jede Nacht, jeden Tag, samstags und sonntags, stünden schließlich alle parat. „Manchmal fehlt dafür auch von der Öffentlichkeit die Wertschätzung“, sagt Hilsenbeck.

Frank Singer beliefert Kliniken und Hotels und sagt, „die Politik müsse endlich planbare Bedingungen schaffen. Wir müssen mit übersichtlichen Energiepreisen rechnen können. Die 9500 Euro für Strom im Monat sind nicht finanzierbar“, stellt er fest.
Frank Singer fordert Politik zum Handeln auf
Die Energiepreise müssen eingefangen werden. Ob mit einem Preisdeckel oder anders, fordert er. „Ich verbrenne im Moment Geld, auf Dauer hat das keinen Sinn mehr“, stellt er fest.
„Mein Betrieb wurde von der Ur-Oma gegründet und hat so viele Krisen überstanden. Es muss jetzt schnell gehen“, sagt er angesichts der kalten Jahreszeit und den daraus resultierenden steigenden Energiekosten.

Es müsse an den Arbeitsmärkten eine entspanntere Lage beim Personal irgendwie hergestellt werden. Singer sagt, er finde so gut wie keine Mitarbeiter mehr. Folgen werde das irgendwann in seinem Café haben. „Mache ich das wieder auf, dann geht nur Selbstbedienung.“