Es darf wieder mit Astrazeneca geimpft werden. Im Kreisimpfzentrum Schwarzwald-Baar löste die Nachricht Erleichterung aus, aber auch Sorgenfalten: Wie starten? Das Problem dabei ist vom Land und vom Bund gemacht: Es gibt immer noch viel zu wenig Impfstoff. Das ist das Eine. Und das Andere: Das Land hat dem Kreis eine Liste hinterlassen, auf dem zunächst über 3900 Personen standen aus der Region, die für einen Impftermin mit Astra angemeldet waren, vom Land und von der Kassenärztlichen Vereinigung aber nach Angaben des Landratsamtes nicht weiter bearbeitet werden konnten.

Landrat gegen Minister

Das Problem bekam auch Daniel Springmann auf den Tisch. Der Leiter des Kreisimpfzentrums muss diese Herausforderung ordnen. In einer Mitteilung wiederholt Hinterseh Darstellungen aus einem Interview mit dem SÜDKURIER und schaltet derweil auf Attacke: „Im Schwarzwald-Baar-Kreis müssen viele hundert Bürger der Prioritätsstufe 1 (die über 80-Jährigen) geimpft werden. Das Land hat dem Schwarzwald-Baar-Kreis die Warteliste der Personen übergeben, die sich über die Telefonnummer 116 117 für einen Impftermin gemeldet haben“, beklagt er.

Landrat Sven Hinterseh.
Landrat Sven Hinterseh. | Bild: Trippl, Norbert

Insgesamt seien auf dieser Warteliste „3994 über 80-jährige Personen vermerkt, die bis zur Übergabe an den Landkreis noch kein Impfangebot erhalten hatten. In der Zwischenzeit konnten 1677 Personen aus dieser Warteliste erstmals geimpft und 1320 Personen ein Impftermin angeboten werden. Warten müssen aktuell immer noch 530 über 80-Jährige der Warteliste“, listet der Landrat weiter auf.

Kleinere Landkreise impfen schneller

Die Landkreise werden unabhängig von ihrer Größe mit gleichen Impfstoffmengen versorgt. Kleinere Landkreise als Schwarzwald-Baar wie etwa Rottweil können deshalb Hochbetagte schneller impfen. „Diese Ungerechtigkeit muss das Land und hier namentlich der zuständige Sozialminister Manne Lucha nun endlich abstellen“, so Landrat Sven Hinterseh.

Das könnte Sie auch interessieren

Und weiter: „Es ist nicht vermittelbar, dass bei uns im ländlichen Raum die Leute länger auf ihre Impfung warten müssen als in den großen Zentren, wo die Zentralen Impfzentren des Landes und die Kreisimpfzentren quasi Tür an Tür sind und die viel besser mit Impfstoff versorgt werden, als andere Kreisimpfzentren. Und wenn das Land hochbetagte Menschen in die weiter entlegenen Zentralen Impfzentren schicken möchte, das wären bei uns Freiburg, Offenburg und Tübingen, dann hat das mit einer wohnortnahen Versorgung nichts mehr zu tun“, so Hinterseh weiter. „Im Schwarzwald-Baar-Kreis sieht man das nicht zuletzt an der Tatsache, dass bei uns eben viele über 80-Jährige noch kein konkretes Impfangebot gemacht werden konnte, da uns das Land nicht mit ausreichend Impfstoff versorgt. Hier ist der Sozialminister in der Pflicht, diesen Missstand und diese Ungerechtigkeit und somit Benachteiligung nun endlich abzustellen.“

Das Kreisimpfzentrum in der Schwenninger Tennishalle steht oft leer, es mangelt an Impfstoff.
Das Kreisimpfzentrum in der Schwenninger Tennishalle steht oft leer, es mangelt an Impfstoff. | Bild: Trippl, Norbert

Im Schwenninger Kreisimpfzentrum geht Leiter Daniel Springmann das Ganze faktisch an. Seine ersten Gedanken beim Impfstopp? „Ich hatte gehofft, dass es bei uns zu keinen gesundheitlichen Problemen nach Astrazeneca-Impfungen kommt. Und ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir das sinnvoll angehen können.“

Riesiger Aufwand für Neuterminierung

Die Herausforderung: Die Menschen auf beiden Wartelisten mussten neu kontaktiert werden. Telefonisch oder per Mail. Springmann bestätigt: „Das ist jeweils ein Einzelfall.“ Er klagt nicht, er ächzt nicht. Stattdessen macht Landrat Sven Hinterseh wieder Druck. Er sieht den Landkreis benachteiligt. Anderswo seien die über 80-Jährigen bereits geimpft. In Schwarzwald-Baar fehle dazu der Impfstoff, in diesem Falle Biontech. Er hat das angemahnt, wieder einmal.

Daniel Springmann leitet das Kreisimpfzentrum.
Daniel Springmann leitet das Kreisimpfzentrum. | Bild: Trippl, Norbert

Während all dieser Problem-Staus arbeiten die Helferteams in der Schwenninger Tennishalle weiter. gebrechliche Senioren schieben ihren Rollator vor sich her, kämpfen trotz Begleitung mit den Schlaglöchern und Pfützen auf dem abgefahrenen Parkplatz vor der Tennishalle bei der Messe. Matsch, Dreck, und doch sind hier alle voller Hoffnung und gefasst. Die Menschen, die hierherkommen, freuen sich. Endlich werden sie geimpft.

Kopfschütteln bei Mitarbeitern

Silke Schmid ist medizinische Fachangestellte. Sie arbeitet in einem abgeschlossenen Bereich des Kreisimpfzentrums – im Labor. „Frustrierend“ sei der Impfstopp vergangene Woche gewesen, erinnert sie sich an ihre Empfindungen. Sie auch auch „geschockt gewesen, weil noch weniger Impfstoff als ohnehin schon zur Verfügung gestanden“ hätte. Sie rollt hinter ihrer Maske die Augen: „Das war schlimm, vor allem für die Leute, die einen Termin bei uns hatten und nicht kommen durften.“

Das Kreisimpfzentrum in der Schwenninger Tennishalle ist bis in Details durchorganisiert.
Das Kreisimpfzentrum in der Schwenninger Tennishalle ist bis in Details durchorganisiert. | Bild: Trippl, Norbert

Das Impfzentrum ist erkennbar nicht ausgelastet. Ganze Bereiche bleiben ungenutzt. Alles eine Folge des Impfstoffmangels. Dabei hätte der Landkreis schon knapp vor Silvester hier komplett starten können. Wochenlang musste dann bis Mitte Januar gewartet werden, bis erste Impfdosen eintrafen. Einen Teilerfolg gibt es bis heute: Die Pflegeheime sind durchgeimpft. Die Hochbetagten haben bis Mitte März fast alle ihre zweite Dosis erhalten. Derweil steigt die Nervosität all jener, die sich gerne rasch impfen lassen würden, aber noch nicht an der Reihe sind.

Das könnte Sie auch interessieren

Landrat will die Luca-App

Mittlerweile will Sven Hinterseh nicht mehr zuwarten. Er treibt seit Tagen die rasche Einführung der Luca-App voran. Damit soll es möglich sein, dass der Zugang zu Geschäften, vielleicht sogar zu Restaurants möglich wird. Wer die App auf seinem Handy hat, scannt vor dem Betreten einer Adresse einen Code ein. Zuvor musste zugestimmt werden, dass jeder App-Nutzer in Infektionsfällen die mit Luca-App gesammelten Kontaktdaten dem Gesundheitsamt für eine rasche Nachverfolgung möglicher weiterer Ansteckungen automatisch zur Verfügung stellt. So lassen sich Risiko-Kontakte leicht nachverfolgen und möglicherweise Infizierte können gewarnt werden.

Und wie aufwändig im Kreisimpfzentrum gearbeitet werden muss, sehen Sie in dieser besonderen Story:

Das könnte Sie auch interessieren