Es ist kurz nach 9 Uhr, als Sabine Hauser den Telefonhörer abnimmt. „Moment, ich muss noch kurz an die Ladentür“, sagt sie. Ihre kleine Buchhandlung Buchhaltestelle in der Villinger Brunnenstraße hat zwar nicht „klassisch“ geöffnet – aber eben auch nicht „geschlossen“. Die Unterscheidung ist der Villingerin enorm wichtig: „Wir bieten Click & Collect an, das ist nicht geschlossen“, sagt sie.

Buchhändlerin Sabine Hauser auf einem Archivbild vom April 2020, als Behelfsmasken noch erlaubt waren. Längst arbeiten sie und ihre ...
Buchhändlerin Sabine Hauser auf einem Archivbild vom April 2020, als Behelfsmasken noch erlaubt waren. Längst arbeiten sie und ihre Mitarbeiter mit FP2-Masken. | Bild: Sprich, Roland

Nach einem Jahr Pandemie, einem Jahr Hin und Her, ist die 58-Jährige längst routiniert darin, ihren neuen Arbeitsalltag zu bewältigen. Wenngleich sie sich dafür, wie sie sagt „nicht nur zwei, sondern drei Beine ausreißt“.

Alle helfen mit

Vor allem, seit wieder nur das Abholen vorbestellter Waren erlaubt ist: Sie nimmt Bestellungen am Telefon, per Mail und auch per Whatsapp an, organisiert die Auslieferung, bei der ihre Tochter mithilft, teilt ihre sechs Minijobber in Schichten ein, besorgt für ihre Angestellten Schnelltests und FFP2-Masken und hält ihre Internetseite mit Hilfe ihres Sohnes auf dem neuesten Stand.

Das könnte Sie auch interessieren

„Mein Arbeitszimmer zu Hause sieht so aus wie das hier im Laden“, sagt sie. Zur Not kann von zu Hause aus auch ihr Mann, der im Homeoffice arbeitet, den Kunden am Telefon weiterhelfen. Die Unternehmerin hat sich arrangiert. Glücklich ist sie mit der Situation nicht. „Viele denken, wir bekommen die große Unterstützung vom Staat“, sagt sie. Fehlanzeige. Das Überbrückungsgeld 3 hat die gelernte Einzelhandelskauffrau und Buchhändlerin gar nicht erst beantragt. Da die Anträge vom Steuerberater ausgefüllt werden müssen, würde sich das kaum lohnen.

Für die Stadt da bleiben

Sabine Hauser hat beschlossen, ihr Überleben als Händlerin selbst zu sichern. „Und meine Stammkunden wollen auch, dass ich überlebe“, sagt sie. Für deren Treue sei sie sehr dankbar. „Wir wollen auch für unsere Stadt da bleiben“, sagt sie.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Frust ist dennoch da. „Ich bin eine Kauffrau, die immer eine Reserve hat. Doch irgendwann ist auch die aufgebraucht.“ Der im Grund seit fünf Monaten ununterbrochen andauernde Lockdown habe ihr beispielsweise das Weihnachtsgeschäft genommen. „Normalerweise leben wir von dem Umsatz bis in den Juni.“

Der geplante Bundesverordnung sieht sie mit gemischten Gefühlen entgegen. „Einfach mal zwei Wochen zumachen, und zwar alle“, fände sie besser. Von Schuldzuweisungen hält Sabine Hauser nichts. „Ich wollte aktuell auch kein Politiker sein. Hinterher kann man immer alles besser machen.“

Länger zu als geöffnet

300 Meter weiter in der Oberen Straße ist im Gasthaus „Löwen“ seit gut einem Jahr ein neuer Pächter am Start. Eigentlich. „Faktisch habe ich schon länger zu als geöffnet“, sagt Küchenmeister Marco Garofalo. Kurz vor Beginn der Pandemie hat der 36-Jährige zusammen mit seinem Bruder Antonio den Löwen neu eröffnet.

Löwen-Wirt Marco Garofalo ist von dem ständigen Hin und Her frustriert. Die fehlende Perspektive sei das Schlimmste, sagt der Küchenmeister.
Löwen-Wirt Marco Garofalo ist von dem ständigen Hin und Her frustriert. Die fehlende Perspektive sei das Schlimmste, sagt der Küchenmeister. | Bild: Fröhlich, Jens

„Meine Zuversicht schwindet von Tag zu Tag“, sagt der Gastronom. Das Schlimmste seien der psychische Druck und die Perspektivlosigkeit. „Weiß ich, ob ich im Winter wieder zumachen muss? Da geht einem irgendwann die Luft aus.“ Das Take-away-Angebot sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Für das Mitnahmeangebot nehmen wir nicht denselben Preis wie für das Essen im Restaurant.“ Die November- und Dezemberhilfen hat er mittlerweile ausbezahlt bekommen, für die Monate Januar bis April gibt es bislang: nichts.

Koch orientiert sich neu

Sein fest angestellter Koch, seit mittlerweile einem halben Jahr in Kurzarbeit, wolle sich beruflich umorientieren. Das nehme er ihm auch nicht übel. „Er hat Familie, das geht auf Dauer nicht.“ In der Küche steht Marco Garofalo derzeit selbst, unterstützt von seinen zwei Auszubildenden. Hier bereiten sie das Essen zum Mitnehmen zu. Die Karte wurde entsprechend angepasst, denn längst nicht alles eigne sich zum Take-away. „Ein kurz gebratenes Fleisch ist nur noch lauwarm, bis man zu Hause ist.“

Planbarkeit fehlt

Mit Sorge blickt der Küchenmeister auf die geplante Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes. Die Politik sei zu weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen. „Für die Gastronomie wäre das der Super-GAU. Ich hoffe, dass das nicht so durchgeht.“ Müssten die Restaurants künftig ab einem Inzidenzwert von 100 auf Take-away umstellen, „weiß ich nicht mehr, wie wir noch den Wareneinkauf planen sollen“, sagt er. Schon jetzt müsse viel weggeworfen werden, obwohl er mit einem weitaus geringeren Wareneinsatz arbeite.

Wie die IHK Unternehmen und Selbstständigen mit einer Hotline hilft

Seit März 2020 bietet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg eine Corona-Hotline an, bei der mehrere Mitarbeiter tätig sind. Einer von ihnen ist der 27-jährige Matthias Schanz, der ansonsten als politischer Referent bei der Kammer tätig ist.

  • Viele Fragen: Seit März 2020 sind bei der Hotline rund 12.000 Anrufe eingegangen, berichtet Matthias Schanz. Die Fragestellung richte sich größtenteils danach, was aktuell zur politischen Debatte stünde, so etwa die Testpflicht in den Unternehmen. „Die meisten Anrufer sind kleine Mittelständler oder Solo-Selbstständige“, sagt Matthias Schanz. Im ersten Lockdown seien die im Nebenerwerb Selbstständigen umgeknickt, mittlerweile treffe es die im Haupterwerb selbstständig Tätigen. Oft sei die Verzweiflung groß, da ist von aufgelösten Lebensversicherungen und gekündigter Altersvorsorge die Rede. Verständlich, aber riskant. „Es gibt ja auch ein Leben nach der Pandemie.“ Doch letztlich hapere es bei den meisten an der Liquidität. Besonders problematisch sei die Lage beispielsweise für Gründer, die sich zum Jahresende 2019 selbstständig gemacht haben. „Sie fallen aus vielen Programmen raus, weil sich Hilfen am Umsatz orientieren, den sie gar nicht generieren konnten.
  • So wird geholfen: Die Mitarbeiter der Hotline geben Hilfestellung im Dschungel der immer komplexer werdenden Hilfsprogramme und versuchen auch, hinsichtlich der rechtlichen Lage weiterzuhelfen oder Ansprechpartner zu vermitteln. „Meist können wir tatsächlich ein konkretes Hilfsangebot machen“, sagt der Referent. Manchmal helfe auch schon das Zuhören. Wenngleich sich eine gewisser Fatalismus eingestellt habe, seien viele Anrufer auch verzweifelt. „Die psychische Belastung der Menschen ist enorm“, sagt Matthias Schanz. „Verzweifelte Eltern am Telefon, schreiende Kinder im Hintergrund, das ist der Soundtrack der Hotline.“
  • Erreichbarkeit: Die Corona-Hotline der IHK ist unter 07721/922 244 montags bis freitags von 8.30 bis 17 Uhr erreichbar. E-Mail: coronaauskunft@vs.ihk.de. Viele weitere Informationen gibt es auch auf der Internetseite der IHK unter www.ihk-sbh.de/corona