Albrecht Löbner, Geigenbaumeister in Trossingen, lässt keinen Zweifel daran, dass er vor über 40 Jahren die richtige Jobwahl getroffen hat: keine Musikerkarriere, auch kein pädagogischer Beruf, sondern die Entscheidung fürs Handwerk. „Ich habe den schönsten Beruf der Welt“, sagt er überzeugt.
Sein Arbeitsplatz, ehemalige Räumlichkeiten eines Schuhmachers, sieht aus wie das Idealbild einer Werkstatt. Im oberen Bereich der Wände hängen Geigen, an den Arbeitsplätzen vor den großen Fenstern liegen Farben, Bögen, Werkzeuge und die vielen kleinen Dinge, die für den Geigenbau gebraucht werden.
Ein Cello schettert
Weiter hinten in der Werkstatt schlägt Benjamin Rieker die Saite eines Cellos an. Immer wieder. Löbner runzelt die Stirn. „Das Cello schettert“, sagt er, und Mitarbeiterin Felizitas Roßmy nickt.
Nun gilt es, den Grund für die Misstöne herauszufinden. Äußerlich ist dem Instrument zunächst nichts anzusehen, so dass sich die Fehlersuche nicht ganz einfach gestaltet.
Geigenbauer bauen und reparieren nicht nur Violinen, sondern sind auch für Celli und Bratschen zuständig. Der Kontrabass, eigentlich auch im Portfolio dieses Berufsbildes, ist eher ungeliebt. Einfach zu groß.
„Wer zusagt, einen Kontrabass zu richten, der muss es selbst machen“, sagt Löbner, und seine Mitarbeiter lächeln. Dabei hat der Geigenbaumeister aus der Musikstadt durchaus Beziehungen zu diesem Giganten, spielte er dieses Streichinstrument doch früher selbst.
Die ersten Jahre
„Ich war schon immer von Instrumenten fasziniert“, sagt Löbner. Dass er sie einmal bauen würde, war ein Entschluss, der eher später reifte. Löbner stammt weder aus einer Handwerker- noch Musikerfamilie – die Leidenschaft für dieses Metier war ihm nicht in die Wiege gelegt. Im Remstal aufgewachsen, studierte er zunächst in Hamburg, um dann eine Kehrtwende zu vollziehen.
In der Nähe der Hansestadt fand sich ein Geigenbaumeister, der ihn als Auszubildenden aufnahm. Während eines einwöchigen Praktikums konnte er seinem späteren Lehrherren klar machen, dass er für diesen Beruf brennt.
Nach dem Abschluss seiner ersten Lehrzeit wechselte er nach Den Haag, nachdem er in Hamburg seine Gesellenprüfung gemacht hatte. Ende der 80er-Jahre zog es ihn dann wieder Richtung Süden: In Gomaringen bei Tübingen schloss er seine Gesellenzeit ab, fand er einen Anstellung, die Meisterprüfung im Jahr 1991 folgte.
Die Entscheidung für Trossingen
Nun galt es, eine strategische Entscheidung zu treffen: Wo sind Geigenbauer gefragt? „Ganz sicher nicht in Freiburg, dort gibt es 15, oder in Stuttgart, dort 20“, sagt Löbner.
So fiel die Entscheidung auf die Provinz. Auf eine kleine Stadt mit einem großen musikalischen Herzen: Trossingen, von Hohner geprägt, einzige Kommune dieser Größenordnung in Baden-Württemberg mit einer Musikhochschule.
Ermuntert durch einen Professor, den er bereits zuvor kennengelernt hatte, wurde Trossingen fortan sein Wohn- und Arbeitsmittelpunkt. Die Entscheidung hat er nie bereut, sagt er mehr als drei Jahrzehnte nach dieser Standortwahl. Viele Studenten kommen zu ihm, aber auch Musikerinnen und Musiker, die er schon seit vielen Jahren kennt.
Geigenbau ist Vertrauenssache. Als er in Trossingen begann, kamen die anspruchsvollen Kunden zunächst oft nur mit einem Geigenbogen, um ihn neu zu behaaren. „Das“, so der Geigenbauer lächelnd, „war ein Test, ob der Neue etwas kann“. Offenkundig bestand Löbner diese erste Prüfung, denn er ist geblieben.
Auf die Mischung kommt es an
Geigenbauer bauen nicht nur Instrumente, sie setzen sie auch instand. Ein neuer Steg, eine Reinigung, Lackretouschen fallen an, bisweilen auch Reparaturen. Der Geigenbauer aus Trossingen schätzt, dass diese Arbeitsfelder mindestens ebenso viel Zeit in Anspruch nehmen wie der eigentliche Bau. Gerade diese Mischung sichert ihm und seinen beiden Angestellten ihr Auskommen, wie er betont.
Eine Geige zu bauen erfordert viel Zeit – 200 bis 300 Arbeitsstunden, wie Löbner sagt. Das wiederum lässt Rückschlüsse darauf zu, dass ein in Handarbeit gefertigtes Instrument nicht für ein paar Hundert Euro zu haben ist. Zwischen 15.000 und 20.000 Euro müssten schon veranschlagt werden, sagt der Geigenbauer.
Lernen von den Alten
Wer über Geigenbau spricht, landet schnell bei der Vergangenheit, bei den italienischen Meistern Stradivari, Amati und Guarneri, oder beim Tiroler Pionier Jakob Stainer. Löbner zeigt sich als ausgewiesener Fachmann, hat die Lebensdaten der großen Vorgänger im Kopf, kennt die Machart ihrer Geigen und schwärmt von der Handwerkskunst der Altvorderen. Die Materialwahl, das klare Klangkonzept, die Wölbungen, die Bemaßung, die eingesetzten Lacke und Grundierungen: Die Meister des 17. und 18. Jahrhunderts haben Maßstäbe gesetzt.
Die Bedeutung der Vergangenheit
Wer diesen Beruf ergreife, müsse die Geschichte des Geigenbaus schon gut kennen, sagt Löbner. Gleichzeitig macht er klar, dass es eben auch darauf ankommt, seinen eigenen Weg zu finden: nicht nur die Großen zu kopieren, sondern auch eigene Akzente zu setzen.
So experimentierte er mit Holz eines Spitzahorns, was für den Geigenbau eher ungewöhnlich ist. In der Regel kommt der Bergahorn für Geigenboden, die Zargen und den Hals zum Einsatz.
Doch die Variante mit dem Baum aus dem direkt benachbarten Hohnergarten funktionierte prächtig. Neben dem Ahorn kommt auch Fichtenholz zum Einsatz: Das Nadelholz wird für die Decke gebraucht, jenen Teil des Instruments mit den F-Löchern.

Die Suche nach dem guten Holz
Das Holz bezieht er zum großen Teil über einen Fachhändler, doch bisweilen holt er sein Material auch direkt aus dem Wald. Im Schwarzwald holte er vor Jahren einmal einen Spitzahorn ab. Das Holz, so eine wichtige Anforderung, muss im Winter geschlagen werden – am besten in der Zeit um den Jahreswechsel. „Bevor der Saft steigt, darauf kommt es an“, sagt der Handwerker.
Beachtet werden auch die Mondphasen: Drei Tage vor Neumond gilt als idealer Zeitpunkt. Was es damit auf sich hat, muss nicht bis ins Letzte hinterfragt werden. „Wieso sollen wir diese Vorgaben nicht aus der Vergangenheit übernehmen?“, sagt Löbner und lächelt.
Junge haben Interesse am Beruf
Um die Zukunft seines Berufs muss er sich keine Sorgen machen. In Mittenwald, einem Zentrum des Geigenbaus, werden in der dortigen Staatlichen Musikinstrumentenschule jährlich ein Dutzend neue Schülerinnen und Schüler aufgenommen. In Europa gibt es noch andere Ausbildungsinstitute für Geigenbauer, so dass der Nachwuchs für diesen laut Löbner schönsten Beruf der Welt gesichert ist.