Ein Brandbrief von sechs Sozialstationen in der Region hat zuletzt auf einen möglichen Notstand in der ambulanten Pflege aufmerksam gemacht, der durch die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht droht. In diesem Brief wird von 150 Menschen gesprochen, die möglicherweise nicht mehr versorgt werden können. Nicht der erste Hilferuf zu diesem Thema.

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Kritische Stimmen aus der Pflege und der Medizinischen Versorgung gab es reichlich. „Ungerecht“ war zu hören, oder ein allgemeine Impfpflicht wurde als gerechtere Alternative vorgeschlagen, um eine befürchtete Personalflucht in andere Branchen zu vermeiden und trotz einer hohen Impfquote in den pflegerischen und medizinischen Berufen.

Etwas mehr als einen Monat vor Inkrafttreten der neuen Regelung, hat der SÜDKURIER im Schwarzwald-Baar Klinikum nachgefragt, wie sich die aktuelle Situation darstellt. Welche Auswirkungen werden erwartet? Wie ist die Stimmung bei den rund 3200 Mitarbeitern? Und welche Vorbereitungen werden getroffen, um mögliche Engpässe zu vermeiden?

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Impfquote steigern

„Aktuell sind circa 92 Prozent der Beschäftigten immunisiert und es gibt eine Reihe an Mitarbeitenden, deren Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen ist“, teilt Kliniksprecherin Sandra Adams mit. In der zweiten Februarhälfte werde in Vorbereitung auf den 15. März damit begonnen, den Impfstatus aller Beschäftigten digital mittels einer eigens dafür angeschafften Software zu erfassen.

Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar Klinikums
Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar Klinikums | Bild: Schwarzwald-Baar Klinikum

„Das Programm erfüllt alle datenschutzrechtlichen Anforderungen“, fügt Adams hinzu. Die direkten Führungskräfte seien im Austausch mit den betreffenden Beschäftigten. Um die Impfquote weiter zu steigern, werde das Klinikum seinen Mitarbeitenden eine Impfung mit dem Impfstoff Novavax anbieten, sobald dieser verfügbar sei.

Klinikgeschäftsführer Matthias Geiser sagt dazu: „Nur mit dem Impfen erreichen wir die Herdenimmunität, die notwendig ist, um die Covid-19-Pandemie in den Griff zu bekommen und das Problem langfristig zu lösen.“ Es handle sich bei der Impfpflicht um eine Regelung des Gesetzgebers, und die Politik habe nun die Aufgabe, die Impfpflicht durchzusetzen. „Das können wir nachvollziehen, wobei wir eine allgemeine Impfpflicht besser gefunden hätten“, so Geiser weiter.

Mathias Geiser, Geschäftsführer des Schwarzwald-Baar Klinikums
Mathias Geiser, Geschäftsführer des Schwarzwald-Baar Klinikums

Zudem sei der Zeitpunkt im Hinblick auf die zu erwartenden Belastungen während der Omikron-Welle sicher nicht günstig. „Wir sind im Austausch mit der Behörde und setzen uns dafür ein, dass der Klinikbetrieb trotz Impfpflicht und Belastung aufgrund der Omikron-Welle weiter funktioniert.“

Novavax-Impfungen ab 21. Februar

„Die Impfpflicht wird wahrscheinlich nicht geräuschlos vorüber gehen“, so lautet die Meinung von Sven Hinterseh in seiner Funktion als Landrat. Das Gesundheitsamt stehe zum Thema in engem Austausch mit dem Klinikum. „Es ist bereits heute abzusehen, dass sich vereinzelt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz Impfpflicht wohl nicht impfen lassen werden und dann damit die Konsequenzen wie Betretungs- und Beschäftigungsverbote in Kauf nehmen werden“, so der Landrat.

Chancen sieht er vor allem im Impfstoff von Novavax. Dieser könnte Menschen zur Impfung bewegen, die mRNA-Impfstoffen eher kritisch gegenüber stehen. „Ich halte es weiterhin für wichtig, dass die Möglichkeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben ist, sich impfen zu lassen.“ Hierfür würden in den Kreis-Impfstützpunkten ausreichend Termine zur Verfügung stehen, ab dem 21. Februar voraussichtlich auch mit dem neuen Impfstoff von Novavax.

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Was geschieht am 16. März?

„Bislang liegt uns keine Kündigung vor, die explizit mit der Impfpflicht begründet wurde“, teilt Sandra Adams mit. Betriebsratsvorsitzender Markus Herzog spricht von bislang einem Mitarbeiter, der die Impfpflicht als Kündigungsgrund angegeben hatte. Einen großen Ansturm beim Betriebsrat bezüglich der Impfpflicht gebe es jedoch nicht. „Einige Mitarbeiter wenden sich aber doch an uns. Die häufigste Frage dabei ist, was am 16. März genau passiert, wenn man nicht geimpft ist“, berichtet Herzog.

Der Betriebsrat habe daher versucht, sich zum Thema kundig zu machen und geht derzeit von folgendem Ablauf aus: Das Klinikum müsse die Namen ungeimpfter Mitarbeiter bis zum 16. März dem Gesundheitsamt melden. In der Folge gehe die Aufsichtsbehörde dann auf die Betroffenen zu. Erst nachdem die danach gültigen Fristen ablaufen, könnten Maßnahmen wie ein Betretungsverbot oder ein Arbeitsverbot folgen. „Die Mitarbeiter werden freigestellt, bekommen dann kein Gehalt mehr und der Arbeitsvertrag ruht.“ Gekündigt sei dieser dadurch aber nicht, skizziert Herzog grob das vom Betriebsrat erwartete Szenario.

Eine Bestätigung dieser Annahme liefert Sandra Adams: „Ohne eine behördliche Anordnung führt ein fehlender Immunisierungsausweis im Klinikum auch nicht zu einem Tätigkeitsverbot. Erst, wenn ein Beschäftigungsverbot des Gesundheitsamts vorliegt, werden Mitarbeitende freigestellt.“

Mehrmals in der Pandemie gab es ein Besuchsverbot im Klinikum. Ab dem 16. März könnte es erstmals ein Betretungsverbot für ungeimpfte ...
Mehrmals in der Pandemie gab es ein Besuchsverbot im Klinikum. Ab dem 16. März könnte es erstmals ein Betretungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiter geben. | Bild: Schwarzwald-Baar Klinikum

Kündigungen nicht im Interesse des Klinikums

Die Kliniksprecherin fügt hinzu: „Die Aufsichtsbehörde hat die gesetzliche Aufgabe, die Impfpflicht durchzusetzen.“ Zugleich gebe es dabei auch einen Ermessensspielraum. „Wir gehen davon aus, dass im Einzelfall auch der Aspekt der Versorgungssicherheit eine Rolle spielt. Hierzu gehen wir mit der Aufsichtsbehörde in einen Austausch“, erklärt Adams. Vom Sozialministerium seien zwischenzeitlich Handreichungen angekündigt worden, in denen Leitlinien zur Ausübung dieses Spielraums durch die Aufsichtsbehörde erwartet werden.

Zu den Entscheidungen des Gesundheitsamtes ab Mitte März sagt Landrat Sven Hinterseh: „Dies wird uns als Landratsamt vor eine neue, große Herausforderung stellen, denn wir erwarten, dass wir zahlreiche Einzelfallentscheidungen treffen müssen. Einzelheiten stehen noch nicht fest, da wir noch auf Auslegungshilfen des Sozialministeriums warten.“

Landrat Sven Hinterseh
Landrat Sven Hinterseh | Bild: Landratsamt

Markus Herzog ist sich derweil sicher, dass „das Klinikum keinen der Mitarbeiter aktiv von der Arbeit fernhalten wird, außer, es gibt eine entsprechende Anordnung.“ Denn: Mitarbeiter zu verlieren, sei nicht nur in der aktuellen Situation ein Problem. In vielen Bereichen gebe es stets offene Stellenangebote. „Wir brauchen alle“, so Herzog. Kündigungen durch das Klinikum sind demnach eher nicht zu erwarten.

Herausforderung in einzelnen Bereichen

In Sachen Engpässen durch die Impfpflicht lautet das Fazit des Betriebsratsvorsitzenden: „Persönlich glaube ich daran, dass die Suppe am Ende nicht so heiß gegessen wird, wie sie serviert wurde.“ Lediglich in einzelnen Bereichen könnte es seiner Meinung nach zu Herausforderungen kommen, wenn am Ende einzelne Mitarbeiter freigestellt werden und damit partiell Lücken in Dienstplänen entstehen. Einen großen Versorgungsengpass erwartet er nicht.

Um dafür gewappnet zu sein, gebe es ab Anfang März einen Dialog mit der Geschäftsführung, sobald genaue Zahlen zur Impfquote vorliegen. Danach sei sicher Zeit bis Ende des Monats, denn so lange werde es dauern, bis mögliche Verbote wirksam werden, gibt sich Herzog zuversichtlich.

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