Es ist ein Brandbrief, der aufhorchen lässt: Die Stiftung St. Franziskus nach eigenen Angaben mit 2400 Mitarbeitern eines der größten sozialwirtschaftlichen Unternehmen im Land und mit vielen Pflegeeinrichtungen in der Region vertreten, befürchtet schlimmes.
Wenn Mitte März die vom Bundestag verabschiedete berufsbezogene Impfpflicht für die Pflege-, Gesundheits- und die Sozialbranche umgesetzt wird, „drohen Schließungen von einzelnen Bereichen“. So steht es in einer Pressemitteilung, die das Unternehmen am Dienstag verschickte.
300 Mitarbeiter nicht geimpft
Warum ist das so? Mit Sorge blicken die beiden Vorstände der Stiftung, Thorsten Hinz und Stefan Guhl, auf den 16. März. Ab diesem Tag können die Gesundheitsämter Betretungs- und Beschäftigungsverbote für ungeimpfte Mitarbeiter aussprechen. In der Stiftung St. Franziskus seien derzeit von rund 2400 Mitarbeitern etwa 300 nicht geimpft.
Die Vorstände weisen auf die schweren Versorgungsengpässe hin, die drohen, wenn allein fünf Prozent der Mitarbeiter mit einem Betretungs- und Beschäftigungsverbot belegt würden: „Es gäbe Bereiche in der Alten- und Behindertenhilfe, die wir aufgrund der fehlenden Fach- und Arbeitskräfte kaum noch aufrechterhalten könnten.“
Unter Umständen müssten dann auch Pflegebedürftige oder Klienten mit Behinderung verlegt oder anderweitig versorgt werden als bisher. Das wäre für alle Beteiligten sehr bedrückend und belastend, werden Andrea Weidemann und Nicole Bauknecht, Aufgabenfeldleiterinnen der Behindertenhilfe, zitiert. Die Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen: Aktuell bitten immer mehr Mitarbeiter um die Ausstellung von Arbeitszeugnissen, heißt es außerdem.
Auf großes Unverständnis trifft das Gesetz der rein berufsbezogenen Impfpflicht auch bei den Mitarbeitervertretungen der Stiftung. Monika Gutbrod, Mitarbeitervertreterin der Altenhilfe, kritisiert: „Dass nur ein Teil der Gesellschaft von dieser Maßnahme betroffen ist, bringt viel Unmut. Die Bekämpfung der Pandemie liege in der Verantwortung der Gesamtgesellschaft.“
Die Stiftung St. Franziskus fordert von der Politik, Lösungen für das Dilemma zu finden. Weder dürfe jemand wegen der berufsbezogenen Impfpflicht seinen Arbeitsplatz verlieren noch darf die ohnehin sehr belastete Versorgungsstruktur weiter destabilisiert werden, betonen die beiden Vorstände. Bevor Betretungs- oder Beschäftigungsverbote ausgesprochen werden müssen, sollten deutlich mildere Mittel geprüft und darauf geschaut werden, wie die Infektionslage und die Intensivbettenauslastung vor Ort seien.

Das Unternehmen steht mit seinen Bedenken nicht allein: „Auch im Caritasverband haben wir Sorge, dass es Beschäftigte geben wird, die die Impfpflicht zum Anlass nehmen, sich von einer Betätigung im Gesundheitswesen abzuwenden“, teilt Vorstandsvorsitzender Michael Stöffelmaier auf Anfrage mit.
Er fordert daher: „Wir brauchen schnellstmöglich die allgemeine Impfpflicht oder mindestens die Ausweitung der Impfpflicht auf weitere Berufsgruppen wie pädagogische und erzieherische Berufe sowie Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche.“
Stöffelmaier sagt aber auch: „Ich begrüße die Impfpflicht im Gesundheitswesen als Vorstufe zur allgemeinen Impfpflicht als derzeit besten Ausweg aus der Pandemie. Angesichts der vielen Opfer der Pandemie in den Pflegeeinrichtungen halte ich es für vertretbar, dass zum Schutz der besonders vulnerablen Gruppen von uns als Beschäftigte im Gesundheitswesen die Verantwortung in besonderem Maße eingefordert wird.“
„Auch im Caritasverband haben wir Sorge, dass es Beschäftigte geben wird, die die Impfpflicht zum Anlass nehmen, sich von einer Betätigung im Gesundheitswesen abzuwenden.“Michael Stöffelmaier, Caritas-Vorstandsvorsitzender
Er geht allerdings davon aus, dass es auch bei Einführung der allgemeinen Impfpflicht Menschen geben werde, die sich einer Impfung weiterhin verweigern werden und lieber Bußgelder und andere Einschränkungen in Kauf nehmen, als sich impfen zu lassen.
Bei der Caritas seien über alle Felder des Gesundheitswesens hinweg etwa zehn Prozent der Beschäftigten noch ohne ausreichenden Impfschutz. Stöffelmaier habe allerdings die Hoffnung, dass sich die Quote ohne Gesichtsverlust für die Beteiligten auf fünf bis sieben Prozent drücken lasse. Das sei aber aufgrund des ohnehin viel zu knappen Personals im Gesundheitswesen eine Größenordnung, „die uns Sorge bereitet“.
Weniger Plätze in Einrichtungen befürchtet
Den Wegfall werde die Caritas nur dadurch auffangen können, dass „wir unsere Platzzahlen reduzieren“. Im stationären Bereich fallen dadurch etwa zehn bis elf Plätze weg, im Bereich der Tagespflegen drei bis vier Plätze. Im ambulanten Bereich werden etwa fünf bis sieben Prozent weniger Patienten versorgt werden können. „Wenn die Situation bei anderen Trägern ähnlich aussieht, werden wir einen nationalen Versorgungsengpass erleben“, betont er.
Allerdings sehe er keine Alternative. Zwar biete eine Impfung keinen vollständigen Schutz und es gebe zum Teil heftige Impfreaktionen. Aber: „Die in unserer Arbeit erlebten Folgen einer Infektion sind jedoch um ein Vielfaches schlimmer und vermeidbar.“

Besser sieht es beim Spitalfonds Villingen, unter anderem verantwortlich für ein Alten- und Pflegeheim, aus. Von den etwa 80 Mitarbeitern seien fünf bis sechs ungeimpft. Die hätten allerdings signalisiert, erklärt Geschäftsführer Günter Reichert, dass sie sich mit einem Totimpfstoff impfen lassen würden.
Da Novavax bereits zugelassen sei und bald auch in Deutschland verteilt werde, hofft Reichert nun darauf, dass die Beschäftigten von Pflegeeinrichtungen es bevorrechtigt erhielten. Viele, die bei den gängigen Impfstoffen Nebenwirkungen befürchten, würden auf solche Totimpfstoffe hoffen. Selbst wenn diese nicht rechtzeitig im Schwarzwald-Baar-Kreis einträfen, werde es im Heilig-Geist-Spital zu keinen Einschränkungen kommen.
Auch bei der Korian-Gruppe, die unter anderem die Pflegeeinrichtungen Hirschhalde und Schäffelhof in Bad Dürrheim sowie den Luisenhof in Vöhrenbach betreibt, werde es zu keinen Einschränkungen aufgrund der Impfpflicht kommen, sagt Sprecherin Tanja Kurz.
Von den 273 Mitarbeitern in den drei Einrichtungen seien 94 Prozent bereits geimpft. Drei Mitarbeiter warten auf den Totimpfstoff. Zwölf Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen lehnen eine Impfung bislang ab, erklärt sie weiter. Das Unternehmen wolle keinen Mitarbeiter verlieren. „Wir hoffen, dass sich die bisher Unentschlossenen noch für eine Impfung entscheiden.“