Der Name dieser Rottweiler Straße klingt, als würde man dort idyllisch wohnen. Doch für die Anwohner der Straße waren die vergangenen Jahre die Hölle. Wofür ein 52-Jähriger, der dort – im von den Eltern geerbten Häusle – wohnt, von der Justiz bislang verantwortlich gemacht wird.
Der Mann sitzt inzwischen im Gefängnis, wurde vom Rottweiler Amtsgericht zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt, aus dem Gerichtssaal heraus wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr verhaftet.
Nachbarn um den Schlaf gebracht
Letzteres offenbar meist wegen Vorfällen, für die er selbst verantwortlich war. Aber auch, weil sich eine Mitarbeiterin eines Betriebs in der Nachbarschaft in ihn verliebt habe.
Teils abstrus mag es klingen, was er jetzt in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Rottweil vorbringt. Überwiegend jedoch versucht der gelernte Psychiatriepfleger, die Nachbarn für die ihm vorgeworfenen Taten verantwortlich zu machen. Denn die wollten ihn loshaben, ist er überzeugt.
Angeklagter akzeptiert das Urteil nicht
Weil er das erste Urteil nicht akzeptieren will und sich zu Unrecht im Gefängnis sieht, rollt nun das Gericht unter Vorsitz von Richter Thomas Geiger den Fall erneut auf, lädt alle Zeugen noch einmal vor.
Und die bestätigen ihre Aussagen, einer nach dem anderen. Zum Beispiel all die Beleidigungen mit äußerst derben Schimpfwörtern und Kraftausdrücken. Besonders Beamtinnen gegenüber scheint er sehr obszön und sexistisch ausfällig geworden zu sein, was etwa eine 30-jährige Polizistin im Zeugenstand bestätigt.
Schwere Drohung gegen Mitarbeiterin des Veterinäramtes
Richtig hart ging er offenbar mit einer Mitarbeiterin des Veterinäramts um. Sie wurde nach einer anonymen Anzeige gerufen, weil der 52-Jährige zwei kleine Papageien hielt, aber im völlig verdreckten, viel zu kleinen Käfig ohne Wasser.
Sie konnte vor Ort bestätigen, dass es den Tieren nicht gut ging. Und beim Blick durchs Fenster, der 52-Jährige ließ sie nicht ins Haus, stellte sie fest, dass die Wohnung völlig vermüllt war.
Überall sei Abfall und Unrat herumgelegen, auch auf einem Pflegebett im Eck, die Hinterlassenschaften der Vögel obendrauf. Als sie dem Mann klarmachen wollte, dass ihm die Vögel weggenommen werden könnten, habe er gedroht, sie umzubringen.
Dem Richter platzt der Kragen
Aber auch das will der 52-Jährige nicht stehen lassen, wie so viele seiner protokollierten und teils auf Band aufgenommenen Beleidigungen und Drohungen.
Richter Geiger, der dem Mann recht viel Spielraum für seine Äußerungen lässt, scheint an dem Punkt der Kragen zu platzen. Selbst wenn hier ein Irrtum vom Amt vorgelegen habe, was die Haltung der Vögel angehe: „Eine solche Äußerung geht gar nicht.“ Doch der 52-Jährige zeigt sich unbeeindruckt: „Sie waren doch gar nicht dabei, hier steht Aussage gegen Aussage.“
Überzeugt, zu Unrecht verurteilt worden zu sein
Immerhin: Bei der Mitarbeiterin des Landratsamts entschuldigt er sich schließlich. Und meint dann: „Ich hätte Frau B. nicht umgebracht. Das hätte ich mich nie getraut!“ Insistiert schließlich: „Nehmen Sie meine Entschuldigung an?“ Doch das möchte die junge Frau offenbar nicht. „Ich nehme es zur Kenntnis“, antwortet sie.
Das bremst den 52-Jährigen in seiner Überzeugung, zu Unrecht verurteilt worden zu sein, jedoch keineswegs. Als es um Fotos seines Grundstücks geht, die die Verfahrensbeteiligten am Richtertisch anschauen sollten, zückt der Mann seinen Kuli und möchte einzeichnen, wo genau sein Wagen an dem Tag gestanden habe.
Auch hier muss ihn Richter Geiger bremsen. Und auf die Beschreibung eines Nachbarn, wie er die Sache gesehen hatte, meint der 52-Jährige: „Herr H. hat falsch ausgesagt.“
Seine Lebensgeschichte würde er gern erzählen, macht der Mann in einer Pause klar, doch nur, wenn die Presse den Raum verlasse. Das lehnt Richter Geiger ab, denn schließlich sei dies ein öffentlicher Prozess. „Dann machen wir jetzt halt Mittagspause“, so der Richter.
Angeklagter steht öfters vor Gericht
Der Berufungsprozess ist übrigens nicht der einzige Grund, warum der 52-Jährige derzeit häufiger vom Gefängnis in Villingen nach Rottweil gebracht wird – in Fuß- und Handfesseln: Kommende Woche muss er sich wegen eines Verstoßes gegen Kreislaufwirtschaft in einem anderen Prozess verantworten.
Das Berufungsverfahren wird am Donnerstag, 30. Januar, fortgesetzt.
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