Wir schreiben das Jahr 1791, und Martin Würthner hat große Pläne: Der Schwenninger will einen Schatz heben und trommelt dafür eine ganze Gruppe von Gleichgesinnten aus der ganzen Region zusammen. Wo sie genau suchen wollen, ist nicht überliefert. Womöglich wissen sie es selbst nicht.

Denn am Anfang dieser Unternehmung steht allem Anschein nach nicht das Wissen um ein bestimmtes Versteck, sondern der eher allgemeine Wunsch, irgendetwas Wertvolles zu finden. Doch es kommt anders: Noch bevor die Jäger des verlorenen Schatzes losziehen können, werden sie schon zum Verhör einbestellt.

Seltsame Zusammenhänge

Aufgetan hat diesen Archivfund der Mainzer Professor Johannes Dillinger, der auch in Oxford lehrt. Auf Einladung des Franziskanermuseums sprach der Historiker über die ganz besonderen Zusammenhängen zwischen Graböffnungen und dem Glauben an Gespenster, Vampire und anderen Spuk.

Was aber haben Gespenster mit Schätzen zu tun? Sehr viel, zumindest bis weit ins 18. Jahrhundert hinein, wie uns die aktuelle Sonderausstellung im Franziskanermuseum lehrt.

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Der verstorbene Besitzer eines Schatzes, so der Glaube, hat sich womöglich der Habgier schuldig gemacht und damit eine Todsünde begangen. Er kann deshalb nicht sterben und geistert seitdem als ebenso unglückliches wie rastloses Gespenst über Friedhöfe (selten) und im eigenen Haus (häufig) – gerne in der Form des Poltergeistes.

Für die Schatzgräber liefert diese Annahme eine doppelte Rechtfertigung für ihr klandestines Tun: Zunächst winkt natürlich materieller Gewinn, zudem rechtfertigten sie ihre Taten damit, dass sie mit der Hebung des Schatzes eine unerlöste Seele befreien, die so von den unseligen Nachwirkungen ihrer Habsucht erlöst wird.

Buch des Theologen Michael Ranfft aus dem Jahr 1734 mit dem Titel „Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern“, Leihgabe ...
Buch des Theologen Michael Ranfft aus dem Jahr 1734 mit dem Titel „Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern“, Leihgabe der Universitätsbibliothek Tübingen. | Bild: Franziskanermuseum, Hans-Jürgen Götz

Kommunikation mit Geistern

Bevor Schatzsucher ihre eigentliche Tätigkeit aufnehmen können, haben sie diesem Denken zufolge zunächst mit den Geistern zu kommunizieren. Wie Dillinger ausführt, brauchen sie dazu Beschwörungsformeln und Zettel mit magischen Zeichen. Martin Würthner, 41-jähriger Familienvater, ist auch zwei Jahre nach der Französischen Revolution diesem Denken verhaftet und besorgt sich zunächst ein magisches Buch.

Dessen Kaufpreis konnte der Professor aus Mainz ermitteln. „300 Gulden hat er dafür ausgegeben, eine astronomische Summe damals“, sagt Dillinger – vor allem wenn man bedenkt, dass Würthners Gesamtvermögen bei gerade einmal 2500 Gulden liegt.

Geistliche arbeiten als Schatzmagier

Dillinger beschreibt andere Schatzsuchen, für die eigens ein Schatzmagier angeheuert wird. Als Experten gelten dabei katholische Priester, häufig Kapuziner, die sich mit ihren Fachkenntnissen bei der Austreibung von Dämonen für diesen Job qualifizieren. Wer einen besonderen Draht zu Gott besitzt, der hat auch einen privilegierten Zugang zu seinen Widersachern, so die Annahme.

In dieser Frage werden übrigens auch locker konfessionelle Hürden übersprungen. So kann Dillinger nachweisen, dass sich auch protestantisch besetzte Schatzsuchertruppen des Beistands von katholischer Seite versichern, weil sie dort mehr einschlägige Kompetenz als bei den Glaubensgenossen vermuten. Die Kirchenoberen betrachten dieses Treiben mit Argwohn, doch der kleine Dorfpfarrer freut sich über diesen Nebenjob, der ihm die Aufbesserung seines kargen Lohns garantiert.

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Buchkauf wird zum Verhängnis

Würthner glaubt hingegen, dass für seine Zwecke auch ein Buch reicht. „Diese magischen Bücher gehörten eher noch zur Grundausstattung von Schatzsuchern als die Wünschelrute“, erläutert der Experte für die frühe Neuzeit. Die Bücher sind begehrte Waren auf dem Schwarzmarkt für Magie und kursieren in Schatzsucherkreisen. 1778 zum Beispiel wird ein Buch mit Formeln zur Schatzsuche über mehrere Mittelsmänner vom Montafon über Schwaben nach Füssen und dann nach Mainz weitergereicht.

Das Problem für die Schatzsucher damals: Magie ist offiziell verboten und wird verfolgt. Würthner benimmt sich bei seiner Suche nach dem magischen Buch offenkundig zu auffällig, sodass er vorgeladen wird. Damit ist die Schatzsuche aufgeflogen, bevor sie eigentlich angefangen hat. Wer die staatlichen Stellen auf die illegalen Machenschaften von Würthner und seinen Spießgesellen aufmerksam machte, ist leider nicht überliefert.

Schatzsucher moderner Prägung: Indiana Jones, eine Figur in der aktuellen Sonderausstellung des Franziskanermuseums.
Schatzsucher moderner Prägung: Indiana Jones, eine Figur in der aktuellen Sonderausstellung des Franziskanermuseums. | Bild: Markus Schmitz

Es bleibt bei einer geringen Strafe

Ernsthafte Strafen haben die Glücksritter aus der Region allerdings nicht zu befürchten, weil sie nicht der Hexerei beschuldigt werden, denn bei diesem Vorwurf hätte es harte Sanktionen gegeben. Den Schatzsuchern kommt dabei zugute, dass sie Männer sind und Hexerei vornehmlich Frauen angelastet wird.

So kommt die Schar der glücklosen Sucher Dillingers Nachforschungen zufolge relativ glimpflich davon: Alle 21 Mitglieder bekommen Geldstrafen aufgebrummt, womit sich der Fall erledigt hat.