Freudig entspannt legt sich Lola auf die Seite und schließt ihre Augen. Dabei ist das Frauchen der 3,5 Jahre alten Mischlingshündin gerade erst aus dem Stuhl aufgestanden und hat noch gar nichts zu ihrem Haustier gesagt. Trotzdem weiß Lola schon genau, was jetzt passiert – und dass es ihr guttun wird.
Ihr Frauchen heißt Sabrina Gutt und ist Tierphysiotherapeutin. Die 30-jährige Bräunlingerin fährt mit ihrer mobilen Praxis Bewegungsgutt durch die Region und hilft mit Massagen und Übungen Tieren, die unter Schmerzen leiden.
Physiotherapie als wichtiger Zusatz
Lola selbst hat keine Schmerzen, auch weil Sabrina Gutt weiß, wie sie diesen vorbeugen kann. Verspannungen können aber auch bei Lola mal vorkommen. So wirkt die Faszien-Massage, die Gutt Ihrer Hündin gibt, fast schon wie ein kleines Wellness-Programm für den Vierbeiner.
Aber nicht nur vorbeugend und bei alten Tieren kann Physiotherapie helfen, weiß Maren Püschel, Tierärztin und Vorsitzende der Fachgruppe Kleintierpraxis beim Bundesverband Praktizierender Tierärzte.
Für chronisch kranke Tiere, etwa mit Arthrose oder auch für übergewichtige Tiere kann etwa das Laufen auf dem Unterwasser-Laufband sinnvoll sein, sagt sie. Nach Operationen hilft Physiotherapie wie beim Menschen bei einer schnelleren Genesung. Auch bei Pferden werde sie viel genutzt.
In der Behandlung von Tieren mit Schmerzen ist Physiotherapie bei Tierärzten mittlerweile weit verbreitet. „Das ist schon üblich und ein anerkannter Bereich. Tierphysiotherapeutinnen haben häufig eine Ausbildung als Tiermedizinische Fachangestellte und dann eine entsprechende Weiterbildung gemacht“, sagt Püschel.
Kindheitstraum erfüllt
So kam Sabrina Gutt allerdings nicht zu ihrem Job. Eigentlich hatte die 30-Jährige Bauzeichnerin gelernt. Als die Branche dann aber vor ein paar Jahren in die Krise rutscht, wagt Gutt den Absprung – und erfüllt sich damit einen lange gehegten Traum.
„Ich wollte schon immer etwas mit Tieren machen“, sagt sie zur Entscheidung, beruflich umzusatteln. Schon seit sie sechs Jahre als war, reitet sie und hatte auch immer Haustiere. Per Fernstudium machte sie also die Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin und ist seit März 2025 selbstständig und fährt auf Höfe oder zu privaten Kunden, behandelt dort Hunde, Katzen und Pferde.

Leiden bei Tieren oft kaum zu erkennen
Wann sie zum Einsatz kommt? „Meistens ist es so, dass man zuerst zum Tierarzt geht und die Tiere dann zu Physiotherapeuten schicken“, so Sabrina Gutt. „Es sind vor allem ältere Tiere, aber es kommen Tiere aus allen Altersklassen, die Physiotherapie brauchen.“
Nach Operationen oder bei Bandscheibenvorfällen etwa bei Hunden wird sie hinzugerufen. Auch bei Pferden und Sporthunden fährt sie zu ihren Patienten. Dass ihre Tiere Hilfe brauchen, entgeht vielen Haltern allerdings oft sehr lange, sagt Gutt.
Das sind Anzeichen für Schmerzen bei Tieren
Grund dafür ist, dass Tiere ihr Leiden nicht kommunizieren können. Ein paar Hinweise gibt es aber. „Hunde klemmen oft den Schwanz ein und schauen noch trauriger, als viele das ohnehin schon tun.“ Pferde hingegen bekommen oft über dem Auge eine Schmerzfalte oder beginnen, die Belastung beim Bewegen zu verändern.
„Bei Katzen ist es ganz schwer, weil sie besonders im Stillen leiden und sich zurückziehen“, sagt Gutt weiter. Aber auch daran könne man grundsätzlich erkennen, dass etwas im Argen liegt bei Tieren. Wenn aktive Tiere sich zurückziehen, kaum noch essen oder mehr schlafen, sollte man sich Rat vom Tierarzt einholen.
Für die besonders schwer zu lesenden Katzen empfiehlt Tierärztin Maren Püschel zudem die „Feline Grimace Scale„ im Internet zu suchen. Diese zeigt kleine Veränderungen im Gesichtsausdruck bei Katzen, die auf Schmerzen oder Unwohlsein hindeuten.
Bei Verhaltensveränderungen sollte man laut Tierphysiotherapeutin Gutt immer lieber auf Nummer Sicher gehen und nicht warten mit dem Gang zum Tierarzt. „Gerade bei älteren Hunden sagt man sich oft, der wird bloß ruhiger. Auch bei Pferden warten die Halter oft zu lange, weil sie denken, das legt sich wieder. „
So erkennt man einen guten Tierphysiotherapeuten
Generell sollte der erste Schritt zuerst zum Tierarzt gehen, sagt Sabrina Gutt. „Tierphysiotherapeuten arbeiten oft eng mit Tierärzten zusammen, die uns dann auch empfehlen.“
Daran kann man auch seriöse und gute Tierphysiotherapeuten erkennen, sagt Tierärztin Maren Püschel. Eine Zusammenarbeit mit Tierärzten sollte gegeben sein. Es muss auch klar sein, dass Physiotherapeuten ein entsprechendes Programm zur Ausbildung durchlaufen haben. Denn wer nicht genau weiß, was er oder sie mit den Tieren macht, könne schnell sie Situation der Patienten verschlimmern.
Übungen gehen auch Zuhause
„Ein guter Tierphysiotherapeut bezieht die Tierhalter mit ein, erklärt viel, was man genau warum macht“, sagt Sabrina Gutt. Wird sie direkt gerufen, dann analysiert sie erstmal gemeinsam mit den Haltern, was das Problem sein könnte und ob der Schritt zum Tierarzt nicht sinnvoller wäre.
Zur Therapie zählen dann verschiedene Massagen, einfache und komplizierte Übungen und Geräte, wie zum Beispiel Balancepads. Für Hunde, wie ihre Lola, sind diese Übungen dann auch ein großer Spaß.
„Man kann da auch beim Gassigehen vieles einbauen.“ Sitz, Platz, Steh, Seit- und Rückwärtslaufen oder im Kreis drehen seien einfache Übungen, die Muskulatur und Gelenken helfen können, auch vorbeugend.
Pferde und vor allem Katzen seien hingegen schwieriger zum Mitmachen zu begeistern. Wichtig ist aber bei allen: „Es muss schön und gut für die Tiere sein.“ Wenn sie sich unwohl fühlen, bricht Gutt Übungen sofort ab.
Viele Tiere haben lange Leidensgeschichte
Während Sabrina Gutt versucht, sich mit ihrer mobilen Praxis in der Region zu etablieren, hilft sie ehrenamtlich im Kreistierheim aus. Gerade dort treffe sie häufig Tiere mit langen Leidensgeschichten. Die Schicksalsschläge seien für sie bei der Arbeit mit Tieren ohnehin noch prägender, als die direkten körperlichen Leiden, die sie sieht.
Ganz besonders in Erinnerung ist Sabrina Gutt ein kleiner Hundewelpe geblieben, der einst bei minus 40 Grad in Russland in eine Mülltonne geworfen wurde. Gerade das motiviert sie: „Umso mehr freue ich mich, dass ich jetzt helfen kann.“