Arno Hornstein hat schon viele Grausamkeiten gesehen. Der Vorsitzende Richter muss in seiner Amtsausübung immer wieder Bilder ansehen, darunter solche von Menschen, die getötet wurden, aber auch Fotos vom schweren Missbrauch an Babys und Kindern.
„Ich weiß nicht, was schwerer zu ertragen ist“, sagt er am Landgericht Konstanz bei der Verkündung des Urteils gegen einen 53-Jährigen aus Villingen-Schwenningen am Dienstag, 29. Oktober.

Der Mann handelte in Villingen-Schwenningen kiloweise mit Drogen und hatte Fürchterliches auf seinem Laptop, seinem Handy und 84 anderen Datenträgern: mehr als 13.000 Bilder und 4.000 Videos von Babys, Kleinkindern und Kindern, die sexuell missbraucht und gefoltert wurden. In 20 Fällen hatte der Angeklagte diese Aufzeichnungen auch weiter geschickt.
Diese Videos und Bilder stellten die „höchste Stufe der Abscheulichkeit“ dar, sagt Hornstein. Oberstaatsanwalt Andreas Mathy sagt, auf den Videos seien Schmerzensschreie von Kindern zu hören gewesen.
Pornografische Bilder als Selbsttherapie?
Der Angeklagte macht geltend, er sei als Kind selbst sexuell missbraucht worden, und habe mit den Bildern sein eigenes Schicksal bewältigen wollen.
In seiner Kindheit lief tatsächlich einiges schief, er flog schon aus der ersten Klasse, landete später in einem Heim für schwer erziehbare Kinder. Er ist unter anderem wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder vorbestraft.
„Keine pädophilen Neigungen“
Ein Sachverständiger kommt zu dem Schluss, der Angeklagte habe keine pädophilen Neigungen. Während dieser in Untersuchungshaft saß, starb sein Sohn. Der Angeklagte macht geltend, wegen dessen Problemen immer tiefer in den Drogensumpf gerutscht zu sein.
Die Kammer habe die persönliche Tragik gesehen, auch wenn sie die Erklärung zu den kinderpornografischen Bildern kaum nachvollziehen könne, sagt Arno Hornstein.
Das jetzt gesprochene Urteil des Landgerichts lautet: Der Angeklagte muss für fünf Jahre ins Gefängnis und rund 26.000 Euro abgeben, die er mutmaßlich durch Drogen erwirtschaftet hat.
Urteil kann angefochten werden
Der 53-Jährige kann dieses Urteil anfechten. Es darf nicht schon im Gerichtssaal rechtskräftig werden, denn es resultiert aus einer juristischen Verständigung der Prozessbeteiligten. Der Deal sieht vor, dass der Angeklagte die Vorwürfe im Wesentlichen einräumt und sich im Gegenzug das Strafmaß zwischen fünf und 5,6 Jahren bewegt. Beim Urteil bleibt die Strafkammer am unteren Ende des Möglichen.
Viertel der Drogen selbst konsumiert
Die Kammer hatte zugunsten des Angeklagten angenommen, dass er ein Viertel der Drogen selbst konsumierte, und dass er nicht bewaffnet mit Drogen handelte.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten, in der auch Drogen aufbewahrt wurden, wurde in einer Schublade voller Kram ein ausziehbarer Schlagstock in einer Hülle entdeckt. Wäre dieser griffbereit gewesen, hätte dies bewaffneter Handel mit Drogen bedeutet, der schwerer bestraft wird.
Die Kammer ließ in diesem Punkt Milde walten. Richter Arno Hornstein sagt, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Schlagstock aus der Zeit stammt, in der der Angeklagte als Türsteher arbeiten wollte.
Zu den Bildern und Videos über den sexuellen Missbrauch sagt Staatsanwalt Andreas Mathy: „Wir haben es mit Kinderpornografie der härtesten Sorte zu tun.“ Seine Fantasie reiche nicht aus, um sich auszumalen, dass sich einer selbst therapiert, wenn er diese Bilder immer wieder ansehe.
Angeklagter geständig
Die Aussage des Gutachters, der beim Angeklagten keine pädophilen Neigungen erkennt, sei eher strafverschärfend zu werten. Es spreche aber für den Angeklagten, dass dieser geständig war. Zum Komplex Kinderpornografie allerdings müsse er feststellen: „Was gab es da zu bestreiten?“.
Die Staatsanwaltschaft fordert 5,6 Jahre Haft und den Einzug von rund 26.000 Euro.
Große Probleme mit Sohn
Verteidigerin Miriam Mager führt aus, der Angeklagte habe immer wieder versucht, seinem Sohn aus der Patsche zu helfen. Dieser habe selbst große Probleme mit Drogen und Geld gehabt.
Einmal habe der Vater einer Nachricht aufs Handy bekommen, er solle Geld oder Drogen bringen, um seinen Sohn auszulösen, der in einem Kofferraum festgehalten wurde. Sie sagt über den Angeklagten: „Er war verzweifelt.“
Zum Thema Kinderpornografie sagt sie, der Mann habe selbst als Kind sexuellen Missbrauch erlebt. „Er konnte nicht darüber sprechen.“ Er habe alles mit sich selbst ausmachen müssen. Er habe auf seine Art versucht, mit dem Thema umzugehen, er sei nicht der „böse Täter“ und verachte vielmehr Menschen, die mit Kinderpornografie Geld verdienen. Sie fordert fünf Jahre Haft und lässt es offen, wie viel Geld eingezogen werden soll.