Angeklagte und Zeugen, die vor Gericht gar nicht erscheinen. Angeklagte, die gestehen, aber so, dass es Richter und Schöffen rein gar nichts bringt. Und Sexarbeiterinnen, die ihre Freier ausnehmen – manchmal sind es schon kuriose Fälle, mit denen sich Amts- und Landgerichte auseinandersetzen müssen.
Fünf Fälle aus dem letzten Jahr.
Mann bedroht Rettungsantitäter – und niemand erscheint vor Gericht
Manche Prozesse werden verworrener und komplizierter, je länger sie dauern. Andere wirken wie Geisterprozesse – wie reine bürokratische Abhandlungen. Ein Prozess, der im Juli 2022 vor dem Amtsgericht in VS verhandelt wurde, war so einer.

Weder der Angeklagte erschien. Noch die Zeugen. Im Zuschauerraum saß niemand. Und: Bis auf Richterin Ira Fink, einen Staatsanwalt und den Verteidiger des Angeklagten war da – niemand.
Dabei hatte ein 33-Jähriger durchaus einiges zu verantworten. Weil er Rettungssanitäter bespuckt, beleidigt, geschlagen und bedroht hatte, wurde er am Ende zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 15 Euro verurteilt.
Alle gestehen, aber keiner will es gewesen sein
Es ist eine wilde, widersprüchliche Geschichte, die die vier Angeklagten im Juni 2022 über Stunden hinweg am Konstanzer Landgericht erzählen. Drogen kommen darin vor. Eine ausufernde Party. Schlägereien. Äußerste Brutalität. Vandalismus und Diebstähle.

Und ganz kurios: Der Prozess hat kaum begonnen, da gestehen die vier Männer im Alter von 19 bis 29 Jahren, die wegen einer gefährlichen Körperverletzung, Sachbeschädigung und besonders schwerem Raub in Tateinheit mit Bedrohung angeklagt sind – nur eben nicht so, wie sich das Gericht das wünscht.
Sie gestehen, eine wilde Party gefeiert zu haben. Sie gestehen, dass plötzlich jemand ein Messer gezückt habe. Sie gestehen, draußen unterwegs gewesen zu sein. Mülltonnen umgeschmissen und gegrölt zu haben.
Das Landgericht hat es schwer, der Wahrheit nahezukommen
Sie gestehen die Balkontür einer 20-Jährigen eingetreten – und den Partner der Frau verprügelt zu haben. Ohne Grund, so scheint es. Und sie gestehen, in zwei weiteren Wohnungen eingedrungen zu sein. Und dort randaliert und Sachen mitgenommen zu haben. Von 800 Euro erbeutetem Diebesgut spricht die Staatsanwaltschaft.
Sie gestehen. Dass diese Dinge passiert sind. Gewesen sein will es aber keiner. „Das war mein Kumpel“, „Ich war das nicht“ oder „Ich weiß nicht mehr“ sind Sätze, die Richter Joachim Dospil am Verhandlungstag allzu oft hört.
25.000 Euro Brandschaden und trotzdem wird das Verfahren eingestellt
Achtlos warf ein Mann im Villinger Haus der Familie seine noch brennende Zigarette in einen Papierkorb. Dabei brach ein größeres Feuer aus. Im April stand er deswegen vor dem Amtsgericht Villingen.

Der Brand war nicht ohne. Immerhin entstand ein Sachschaden von 25.000 Euro. Doch: Weil der Brand nicht schlimmer ausging, wurde das Verfahren nach noch mal einer halben Stunde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Zeugen und ein geladener Sachverständiger wurden nicht gehört.
Mann beißt Polizisten und geht straffrei aus
Am Landgericht musste sich im September 2022 ein 68-Jähriger verantworten, der im April 2021 mit laufendem Motor und verbeultem Auto mitten auf der Fahrbahn in der Goldenbühlstraße in Villingen stand.
Völlig verwirrt
Ewig stand er da, sagen die Polizisten vor Gericht. „Wir dachten, da ist ein Unfall passiert“, so ein Polizist. Doch: Der 68-Jährige sei völlig verwirrt gewesen. Sprach davon, im Auto verfolgt zu werden. Sprach davon, sich in einer Tiefgarage versteckt zu haben.

Und fing irgendwann an, „auf der Straße rumzuspringen“. Trotz Verkehr. Also habe man ihn unterhaken und zum Streifenwagen bringen wollen. Doch Willi S. wehrte sich. „Im Handgemenge“, wie es der 68-Jährige nennt, beim Versuch ihn zu bedrängen, wie es der Polizist sagt, habe Willi S. seinem Kollegen in den Unterarm gebissen.
Vor Gericht kommt raus: Der Mann leidet unter schizophrenen Psychosen.
Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gefordert –, allerdings auszusetzen auf Bewährung. Doch: Den Antrag hatte Richter Dospil in seinem Urteil abgelehnt. Willi S. blieb auf freiem Fuß.
Sexarbeiterinnen nehmen Freier aus
Weil sie sich eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen haben, um an das Geld ihrer Freier zu kommen, mussten sich im April 2022 zwei Frauen vor dem Amtsgericht verantworten, die sich als Prostituierte im Raum VS und Rottweil verdingten.
Ihre Vorgehensweise war simpel, auch weil die Männer dem Betrug den goldenen Teppich ausrollten.

In den vor Gericht verhandelten Fällen sollen die Herren gebeten worden sein, die „Dienstleistung“ vorab und per EC-Karte zu bezahlen. Dazu seien die Männer aufgefordert worden, ihre geheime Pin in ein Tablet eintippen, um so den angeblichen Überweisungsvorgang abzuschließen. In Wahrheit wurde nur die Pin gespeichert.
Die eine arbeitet, die andere klaut
Während eine der Damen den Dienst am Kunden leistete, sei die andere zum nächsten Bankautomaten gelaufen, um dort mit der Karte und der nun bekannten Geheimnummer eine deutlich höhere Geldsumme abzuheben.