Eine drohende Zwangsräumung hat Anfang des Jahres 2024 in Unterkirnach zu dramatischen Ereignissen geführt – die jetzt am Mittwoch, 21. August in einem Prozess vor dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen mündeten.

Weil er sich in seinem Haus in Unterkirnach mit Schusswaffen und Sprengstoff am 23. Januar verbarrikadiert und damit gedroht hat, sich und das Haus in die Luft zu sprengen, musste sich ein Ex-Soldat nun vor der Justiz verantworten.

Dem heute 63-Jährigen wurde die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und die Bedrohung des öffentlichen Friedens vorgeworfen.

Geliebten Kater eigenhändig erschossen

Außerdem ging es um Vergehen gegen den Tierschutz, weil er seinen Kater mit einem Kopfschuss getötet hat. Hintergrund all dessen war die Zwangsräumung, die völlig aus dem Ruder lief.

Das Urteil am Ende war an diesem Tag allerdings nicht das Interessanteste – denn die eigentlichen Tatvorwürfe waren im Prinzip ja unstrittig, die Sachlage klar.

Das ehemalige Haus des Mannes in Unterkirnach, der im Januar damit drohte, es in die Luft zu sprengen. Erst nach zwölf Stunden gab der ...
Das ehemalige Haus des Mannes in Unterkirnach, der im Januar damit drohte, es in die Luft zu sprengen. Erst nach zwölf Stunden gab der Mann auf. | Bild: Sprich, Roland

Das Gericht mit Vorsitzendem Richter Christian Bäumler verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem muss der Mann „als Ungerechtigkeitsausgleich für die Öffentlichkeit“, 100 Sozialstunden leisten.

Beteiligung an Kosten für Großeinsatz

Um ihn an den enormen Kosten, die der Großeinsatz verursacht hat, zu beteiligen, muss der Mann obendrein 10.000 Euro an die Staatskasse berappen. Außerdem muss der Mann sich in ambulante psychotherapeutische Behandlung begeben. Er lebt seit der Tat bei Freunden außerhalb des Schwarzwald-Baar-Kreises.

Vor Gericht ging es jetzt aber insbesondere darum, welche Umstände überhaupt dazu geführt haben, dass der Mann im Januar so extrem reagiert hat.

Probleme über Jahre aufgestaut

Demnach soll sich der Angeklagte in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben, die sich über die vergangenen zehn Jahre aufgestaut hat.

Er schilderte, wie ihn die Pflege der hochbetagten Eltern ans körperliche und seelische Limit gebracht habe.

Der Angeklagte beim Betreten des Gerichtssaals im Amtsgericht Villingen-Schwenningen. Er hat sich mit Maske und Sonnenbrille unkenntlich ...
Der Angeklagte beim Betreten des Gerichtssaals im Amtsgericht Villingen-Schwenningen. Er hat sich mit Maske und Sonnenbrille unkenntlich gemacht. Links neben ihm sein Verteidiger Rolf Hirt. | Bild: Sprich, Roland

Als ehemaliger Soldat, der sich bis zum Oberstleutnant hochgedient hat und ausgebildeter Einzelkämpfer habe er gelernt, Probleme alleine zu bewältigen und keine Hilfe von außen anzunehmen. „Ich hätte viel früher schreien sollen, dass ich das nicht mehr alleine schaffe“, sagte er vor Gericht.

In der Folge habe sich sein gesundheitlicher Zustand derart verschlechtert, dass er zuletzt nicht mehr in der Lage war, seiner Arbeit als selbstständiger EDV-Experte nachzugehen.

Geldsorgen werden immer größer

Die Folge: Einkünfte blieben aus, der Schuldenberg wuchs. Das Elternhaus, in dem er zuletzt alleine mit seiner Katze lebte, wurde zwangsversteigert. Da auch hier die Mietzahlungen an den neuen Eigentümer ausblieben, ordnete dieser eine Zwangsräumung an.

Ein Polizeibeamter mit Schutzhelm sperrt eine Zufahrt zu Unterkirnach am 23. Januar 2024 ab.
Ein Polizeibeamter mit Schutzhelm sperrt eine Zufahrt zu Unterkirnach am 23. Januar 2024 ab. | Bild: Sprich, Roland

In diesem Bewusstsein traf der Beschuldigte Vorkehrungen, um mit einem großen Knall aus dem Leben zu scheiden. Er verbarrikadierte sich in seinem Haus, verschüttete zwischen 60 bis 80 Liter Benzin und Diesel.

Und präparierte das Haus mit Sprengstoff und anderen Munitionsbestandteilen, die er aus Bundeswehrbeständen besessen und in seinem Haus deponiert hatte.

Warnung an Gerichtsvollzieherin und Polizisten

Als die Gerichtsvollzieherin am Morgen in Begleitung zweier Polizeibeamter am Haus klingelte, warnte er davor, das Haus zu betreten. Und schilderte, welche Vorkehrungen er getroffen habe.

Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei fährt in Unterkirnach am 23. Januar 2024 ein.
Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei fährt in Unterkirnach am 23. Januar 2024 ein. | Bild: Sprich, Roland

Wie die Polizisten jetzt vor Gericht sagten, habe der Angeklagte wohl bereits am Vortag in einem Telefonat mit dem betreffenden Polizisten eine mögliche Gefahrenlage angedroht.

Schusswaffeneinsatz war ein Thema

Dies sollte sich so bestätigen. „Wir haben mit dem Mann zunächst am Telefon, später am Küchenfenster gesprochen“, schilderte der Polizist. Dabei sei der Ernst der Situation deutlich gewesen.

„Zu Beginn war ich wirklich davon überzeugt, dass er das Haus in Brand setzt.“ Man habe kurzzeitig sogar „über einen finalen Rettungsschuss nachgedacht“, so der Polizist.

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Damals hatte die bedrohliche Lage erhebliche Folgen für Unterkirnach: Nachbarn wurden in Sicherheit gebracht, die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an, darunter auch schwer bewaffnete Spezialeinsatzkommandos (SEK).

Dass die Situation nicht weiter eskaliert ist und der Mann schließlich nach zwölf Stunden aufgegeben habe, wurde ihm schließlich vom Leitenden Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth zu Gute gehalten. Roth rückte auch von dem Anklagepunkt der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens ab, „da der Angeklagte tätige Reue zeigte“.

Staatsanwalt sieht keine Gefahr mehr

Allerdings seien der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und die Störung des öffentlichen Friedens schwerwiegende Straftaten, für die der Mann bestraft werden müsse. Er forderte ein Jahr Haft auf Bewährung, da von dem Mann keine Gefahr mehr ausgehe.

Die Straße in Unterkirnach, an der das verbarrikadierte Haus liegt, ist weiträumig gesperrt.
Die Straße in Unterkirnach, an der das verbarrikadierte Haus liegt, ist weiträumig gesperrt. | Bild: Sprich, Roland

„Ich habe einen Fehler gemacht und Mist gebaut, ich mach das nicht mehr“, beteuerte der Angeklagte. Er selbst habe an den Tattag nur noch verwaschene Erinnerungen, da er im Bewusstsein, sich das Leben nehmen zu wollen, starke Medikamente und viel Alkohol eingenommen hatte.

Wie ernst dieser Vorsatz gewesen sei, zeigte auch die Tatsache, dass er seinen Kater, zu dem er ein inniges Verhältnis hatte, am Morgen tötete, „damit dieser nicht in unfachgemäße Hände kommt.“

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