Am 22. Mai wurde der Mercedes AMG von Gül Karaarslan schlagartig zu einer Berühmtheit: Das 600 PS-Auto, das in Tuttlingen eine Waschstraße zerlegt hat.
Eine Bekanntheit, auf die Gül Karaarslan gerne verzichtet hätte. Die 33-Jährige ist auch sechs Wochen nach dem Vorfall nicht zur Ruhe gekommen. „Ich habe lange gebraucht, bis ich wieder zu mir kam“, sagt sie. „Ich hatte noch nie einen Unfall.“
Vom Verhalten des Waschanlagen-Betreibers Georg Huber ist sie schwer enttäuscht. „Als erstes hat er mich angeschrien, ob ich wüsste, was ich hier angerichtet hätte“, schildert die Altenpflegerin.
Er habe sie nicht einmal gefragt hat, ob sie oder andere Fahrzeuginsassen verletzt seien. Mit im Auto saßen Gül Karaarslans einjährige Tochter und ihr Schwager. Die wenig später eintreffende Polizei habe sich sofort nach dem Wohlergehen der Fahrzeuginsassen erkundet. Der AMG steckte unter einer der Walzen der Anlage fest.
Große Sorge um die kleine Tochter
Vor allem um ihre kleine Tochter habe sie panische Angst gehabt, sagt Gül Karaarslan, zumal der Mercedes ein Panoramadach aus Glas hat. Das Auto blieb glücklicherweise stabil und habe nur ein paar Kratzer abbekommen.
„Ich war nicht auf dem Gaspedal“
Als sich der Mercedes plötzlich in Bewegung setzte, habe sie sofort die Bremse getreten. „Ich war nicht auf dem Gaspedal“, sagt sie. „Dieses Auto hat 600 PS. Hätte ich Gas gegeben, wäre der Wagen ganz anders losgerast.“ Die Automatikschaltung des AMG sei auf „N“ eingestellt gewesen – Neutral, was dem Leerlauf bei Automatikgetrieben entspricht. „Anders wäre ich ja gar nicht in die Waschanlage gekommen.“
Aus Versehen den Blinker betätigt
Dass sie aus Versehen an den Blinker gekommen ist, wie Georg Huber im Gespräch mit dem SÜDKURIER schilderte, bestreitet die 33-Jährige nicht. „Als die Anlage startete, wollte ich die Scheibenwischer ausschalten. Im gleichen Moment hat meine Kleine angefangen zu schreien und ich habe mich umgedreht. Deshalb habe ich aus Versehen den Blinker betätigt.“
„Wenn man nichts zu verheimlichen hat, kann man mir das Video doch auch zeigen.“Gül Karaarslan, Besitzerin des AMG
Was Gül Karaarslan misstrauisch macht: Eine Überwachungskamera hat das Geschehen in der Anlage aufgezeichnet. Zu sehen bekommen habe sie das Video trotz Nachfrage nicht: „Aus Datenschutzgründen. Da frage ich mich: Wenn ich mit meinem Auto auf dem Video zu sehen bin – was hat das mit Datenschutz zu tun?“
Zumal Huber auch sofort nach dem Unfall Fotos gemacht habe, auf denen sie auch zu sehen sei. „Wenn man nichts zu verheimlichen hat, kann man mir das Video doch auch zeigen.“
„Das Video ist ein Beweismittel, das ich nicht herausgeben muss.“Georg Huber, Betreiber der Waschhalle
Diese Vorgehensweise sei absolut üblich, sagt Waschhallen-Betreiber Georg Huber auf Anfrage: „Auf dem Video sind Personen, einer meiner Mitarbeiter ist zu sehen.“ Das Überwachungsvideo sei ein Beweismittel, das er nicht herausgeben müsse. „Das war auch die klare Ansage meines Anwalts.“
Gespräche mit der Versicherung
Der Vorfall befinde sich nun in der versicherungstechnischen Klärung, sagt Georg Huber. Die Gespräche mit der Kfz-Haftpflichtversicherung seien bislang positiv verlaufen.
Gül Karaarslan hat sich an einen Rechtsanwalt gewandt. Wie die Sache ausgeht? Sie weiß es noch nicht. Eines weiß sie aber sicher: „Ich habe immer noch das Bild vor Augen, wie die Walzen auf mich fallen. In eine Waschanlage gehe ich nicht mehr.“