In der Turnhalle ist Magdalena kaum zu halten. Weder der Hula-Hupp-Reifen noch die Sprossenwand sind vor ihr sicher. Dass die Fünfjährige so quirlig unterwegs ist, ist nicht selbstverständlich, denn die Natur hat ihr einige Hindernisse in den Weg gelegt.

Familie Ley kam in den vergangenen Jahren kaum zur Ruhe. In der Nachsorgeklinik Tannheim kann sie jetzt in der Familienreha die dringend benötigte Kraft schöpfen.

In der Schwangerschaft, Ende des fünften Monats, erfuhren die Eltern Manuela und Hilko Ley, dass ihrem Kind in den Beinen Knochen fehlen würden. Beidseitig hatte die Natur die Schienbeinknochen einfach nicht angelegt.

Nicht nur die Beine sind das Problem

Nach der Geburt zeigte sich dann, dass auch die Kniegelenke fehlten und die Füße an beiden Beinen ganz stark nach innen verdreht waren. Zudem stellten sich weitere massive gesundheitliche Probleme heraus. Unter anderem musste bei der Kleinen im Alter von etwas mehr als einem halben Jahr in einer Operation ein Loch in der Herzscheidewand verschlossen werden. Ihre Ernährung konnte nur über eine Magensonde erfolgen.

Die Familienreha führt Familie Ley in die Nachsorgeklinik in Tannheim. Magdalena, ihr großer Bruder Constantin und die Eltern Hilko und ...
Die Familienreha führt Familie Ley in die Nachsorgeklinik in Tannheim. Magdalena, ihr großer Bruder Constantin und die Eltern Hilko und Manuela Ley wissen sich hier in besten Händen. | Bild: Cornelia Putschbach

Bereits als Magdalena anderthalb Jahre alt war, war Familie Ley – zu ihr gehört auch der große Bruder Constantin, der heute acht Jahre alt ist – zur Reha in Tannheim. Schon an diese Reha erinnert sich die Familie dankbar.

Damals kaum in Tannheim angekommen, zog sich Magdalena ungeplanter Weise die Magensonde. Wie ein kleines Wunder fing sie dann selbst an zu essen. Zwar nur Portionen, die kleiner als die eines Spatzen sind, bei denen jedes einzelne lebenswichtige Gramm abgewogen werden musste, aber das Mädchen aß selbst.

So helfen Sie mit Ihrer Spende

Für die Eltern noch heute ein ganz besonderer Moment, bei dem die Mitarbeiter der Nachsorgeklinik Tannheim einmal mehr bewiesen, mit wieviel Einfühlungsvermögen sie sich ihrer Patienten annehmen. Eigentlich ist man in Tannheim nicht auf die Entwöhnung von einer Magensonde spezialisiert, aber für Magdalena machte man das möglich, als es notwendig war.

Ein weitreichender Entschluss von Eltern und Ärzten

Auch heute noch ist Magdalena wesentlich kleiner und zarter als Gleichaltrige. Mit ihren fünf Jahren und acht Monaten misst sie gerade einmal 95 Centimeter und zehn Kilogramm. Hinzu kommen zwei Kilogramm für ihre Beinprothesen.

Die fehlenden Schienbeinknochen und Kniegelenke sowie die Deformation der Füße hätten es wohl nie erlaubt, dass Magdalena hätte laufen können. Ärzte und Eltern fassten deshalb den weitreichenden und schwierigen Entschluss einer beidseitigen Amputation. Im März 2020 wurden dem Mädchen beide Beine an den Oberschenkelknochen abgenommen.

Magdalena ist mit ihren Protesen flott unterwegs Video: Cornelia Putschbach

Und als ob allein dieser Eingriff nicht psychisch belastend genug gewesen wäre, brach nur zwei Tage nach der Operation die Pandemie aus. Die Familie wurde mit dem frisch operierten Kind unverzüglich aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen. Die Wundversorgung konnte von zuhause aus erfolgen.

Heute, dreieinhalb Jahre später läuft Magdalena mit ihren Prothesen durch die Turnhalle der Nachsorgeklinik in Tannheim und erklimmt die Sprossenwand. Die Strecken, die sie laufen kann, sind nicht riesig. Immer wieder, zum Leidwesen von Mutters Rücken, will sie auch getragen werden oder ist auf den Rollstuhl angewiesen, aber Magdalena läuft.

In Tannheim kommt die Familie zur Ruhe

Die Familie ist jetzt zum zweiten Mal in Tannheim. Hier in der Nachsorgeklinik können sie zur Ruhe kommen und Kraft schöpfen. „Ich habe mir zum Beispiel zum ersten Mal seit Jahren ein Buch gekauft. Nur hier finde ich die Zeit mich einmal in Ruhe hinzusetzten“, verdeutlicht Manuela Ley, was es bedeutet zuhause einen Alltag zwischen Familienleben – in dem Constantin auch nicht zu kurz kommen darf – Therapien und den Sorgen um Magdalena zu führen.

Hilko Ley, ihm haben die vergangenen Monate psychisch besonders viel abverlangt, freut sich über die Kunsttherapie gemeinsam mit seiner Frau. In der Holzwerkstatt wurden mit den Kindern Laternen gebastelt.

Ganz oft ein Herz und eine Seele: Constantin und seine kleine Schwester Magdalena.
Ganz oft ein Herz und eine Seele: Constantin und seine kleine Schwester Magdalena. | Bild: Cornelia Putschbach

Und auch bei Magdalena bewegt sich in Tannheim einiges. In den Wochen der Reha habe sie angefangen mehr zu sprechen, erzählen die Eltern. „Ich habe eine Idee“, ist gerade bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihr Lieblingssatz.

Das Sprechen ist für Magdalena schwerer zu erlernen als für andere Kinder. Zu den anderen Problemen hat ihr die Natur auch noch eine ausgeprägte Hörminderung mit auf den Weg gegeben. Inzwischen trägt sie Hörgeräte.

In Tannheim erfährt sie bei der Physiotherapie, der Reittherapie oder auch der Logopädie eine intensivere Zuwendung als Zuhause möglich. Sogar in der Sportgruppe ist sie hier fleißig und mit viel Spaß dabei.

Die ganze Familie profitiert von der Reha

Die Familienreha bringt auch für die Eltern und den Bruder einiges. Die Geschwisterrolle von Constantin liegt Manuela und Hilko Ley am Herzen. In Tannheim wird Constantin beispielsweise bei der Heilpädagogik oder auch beim Reiten unterstützt. Gleichermaßen hat er wie auch Magdalena und die Eltern die Erzieherinnen ins Herz geschlossen. „Sie machen hier, wie alle anderen auch, eine ganz wunderbare Arbeit“, lobt Manuela Ley ausdrücklich.

Da oben war ich schon: Constantin zeigt, was er sich in der Reha in der Nachsorgeklinik in Tannheim getraut hat. Magdalena schaut mit ...
Da oben war ich schon: Constantin zeigt, was er sich in der Reha in der Nachsorgeklinik in Tannheim getraut hat. Magdalena schaut mit etwas Bewunderung auf ihren Bruder. | Bild: Cornelia Putschbach

Wichtig für die Eltern ist in Tannheim auch der Kontakt zu anderen Familien. Der Austausch untereinander. Und auch mit Patienten der Jungen Reha und der Reha27plus kamen sie ins Gespräch. Sie konnten ihnen aus eigener Warte die andere Sichtweise einer Erkrankung näherbringen.

Ein Austausch mit anderen betroffenen Familien wäre wichtig

Gerne hätten Familie Ley auch Kontakt zu anderen Familien, deren Kinder mit einer Tibiaaplasie, so wird die Erkrankung von Magdalena in der Fachsprache bezeichnet, zur Welt gekommen sind. Vielleicht findet sich ja irgendwann jemand, mit dem wir uns über diese extrem seltene Erkrankung austauschen können, hoffen beide.

Das könnte Sie auch interessieren