Nanu, träume ich vielleicht noch? Den Gedanken hatten jüngst gleich mehrere Königsfelder – als nämlich plötzlich einen ausgewachsener, prachtvoller Pfau vor ihnen stand. Um es vorwegzunehmen: Nein, geträumt hat da keiner in Königsfeld. Sie alle haben Hugo getroffen, einen achtjährigen Pfauenmann mit viel Fernweh.

Eigentlich hat Hugo hat ein wahrhaft paradiesisches Dasein: Der prächtige Vogel lebt seit drei Jahren bei der Tierarztpraxis Weisserhof am Rand des kleinen Königsfelder Teilorts Buchenberg. Umschwärmt wird der farbenfrohe Prachtkerl von zwei jungen Pfauendamen. Den Winter verbringt das Trio stets geschützt in einer großen Voliere, den Sommer genießen sie frei in der Natur rund um die Praxis. Pfauenidylle pur. Doch am Pfingstsonntag 2023, da packte Hugo wohl ganz heftig das Fernweh.

Warum ist es so still in der großen Linde?

Spät an diesem Abend wundert sich Tierärztin Sabine Schulte im Walde über die ungewohnte Ruhe. Keiner der ohrenbetäubenden Pfauenschreie weit und breit. Die Vögel nächtigen normalerweise in einer großen Linde vor dem Haus. „Hast Du die Pfauen gesehen?“, fragt sie ihren Mann Ingo noch, dieser verneint. Doch zunächst denkt sich das Tierarzt-Ehepaar nichts weiter dabei.

Pfingstmontag um 9.30 Uhr wird es laut im Hause Schulte im Walde – keine Pfauenlaute allerdings, sondern ein schrillendes Telefon. Am anderen Ende der Leitung ist die Polizei. Ob die Familie ihre Pfauen vermisst, fragen die Beamten. Die ungewohnte Ruhe wird plötzlich klar. Hugo und seine beiden Frauen sind zu dem Zeitpunkt in Burgberg. „Wir sind gleich mit einer großen Transportbox und dem Kescher los“, erzählt Sabine Schulte im Walde.

Den Sommer kann der achtjährige Hugo gut in Freiheit überstehen. Futter findet er in Gärten, auf Wiesen oder Feldern.
Den Sommer kann der achtjährige Hugo gut in Freiheit überstehen. Futter findet er in Gärten, auf Wiesen oder Feldern. | Bild: Burger, Tatjana

Doch Hugo und seine Mädels, die wollten wohl noch viel mehr sehen von der Welt als nur Burgberg bei Königsfeld. Sich einfach einfangen lassen? Kein Chance! Die großen Vögel flüchten, fliegen, rennen weg – und verschwinden irgendwann einfach im Dickicht von Wald und Gestrüpp. „Normalerweise kriege ich die mit dem Kescher, aber sie sind halt einfach schneller“, sagt Sabine Schulte im Walde.

Es ist der Beginn einer großen Königsfeld-Pfauen-Tour: Im Glasbachweg werden die Tiere fortan gesichtet, im Kernort, stolzieren am Restaurant „Il David“ vorbei und und und. Immer wieder klingelt bei Sabine Schulte im Wald das Telefon, immer wieder rückt sie mit voller Ausrüstung aus und immer wieder muss sie ohne Pfau wieder abfahren. „Das Spiel ist bis jetzt -zig mal so gegangen“, erzählt die Tierärztin.

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Warum die Pfauen wohl überhaupt geflüchtet sind aus der Idylle am Rand von Buchenberg? Sabine Schulte im Walde hat zumindest eine Vermutung. „Wir haben diesmal die Eier weggenommen“, erzählt sie. Die Pfauendamen hatten sie in Blumenbeeten abgelegt und wären so leichtes Opfer für Füchse gewesen. Außerdem hat die Familie einen neuen Hund mit fuchsfarbenem Fell. „Das waren wohl zwei Störfaktoren“, glaubt Schulte im Walde.

Sind die beiden Pfauendamen tot?

Das traute Pfauenglück in Freiheit währt indessen gar nicht lange. Zuerst fehlt eine der Pfauenfrauen, Tage später sehen Bürger und Spaziergänger Hugo nur noch ganz allein. Gab es Streit im siebten Pfauenhimmel und die beiden Damen sind nun auf Mädelstour?

Sabine Schulte im Wald glaubt an eine weniger schöne Version: „Ich gehe davon aus, dass die beiden Frauen dem Fuchs zum Opfer gefallen sind“, sagt sie. Die Pfauinnen seien deutlich kleiner als Hugo, außerdem noch jung und daher nicht so versiert in Sachen Flucht vor Meister Reineke und seiner Sippe.

„Der ist sehr pfiffig.“
Sabine Schulte im Walde, Besitzerin, über ihren Pfau Hugo

Hugo selbst hat inzwischen wohl Gefallen an der Holzwiese zwischen Königsfeld und Buchenberg gefunden. In dem Gewann hält er sich nun schon seit einigen Tagen auf, spaziert durch Gärten, labt sich dort an den Blumen, thront auf Dächern, taucht plötzlich hinter Autos auf und erfreut die Anwohner immer wieder mit seinen Pfauen-Schreien. „Zu Fressen findet er dort im Moment genug“, weiß Sabine Schulte im Walde. Dass auch ihm der Fuchs gefährlich wird, glaubt die Veterinärin nicht. „Der ist schon älter und sehr pfiffig.“

Vor dem Winter muss Hugo dringend nach Hause

„Vor dem Winter muss ich ihn kriegen“, weiß die Tierärztin jedoch. Eisige Kälte und Nässe zusammen vertragen die prächtigen Tiere nämlich gar nicht. Im heimischen Stall in Buchenberg hängt deswegen sogar eigens eine Rotlichtlampe, unter der sich Hugo und seine Damen stets gemütlich aufwärmen konnten.

Doch auch die Aussicht darauf wird den Pfauenmann wohl nicht locken, nun einfach mal nach Hause zurückzukehren. Sabine Schulte im Walde hofft daher, dass es irgendwem irgendwann vielleicht gelingt, Hugo in eine Garage zu treiben. „Oder sonst irgendwohin, wo es räumlich begrenzt ist“, sagt sie. Dann nämlich könnte sie ihn dann gut einfangen und nach Hause bringen. Dorthin, wo in der kalten Jahreszeit die warme Lampe wartet – und wer weiß, vielleicht irgendwann auch eine neue Pfauen-Frau.

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