Das Unwetter kam mit Ansage und mit Macht. Am Abend des Montags ging es ab 18 Uhr los. 25 größere Einsätze sind bis zum Morgen des Dienstags bilanziert, so Jörg-Dieter Kluge, Sprecher des Polizeipräsidiums. „Gegen 19.30 Uhr musste die Autobahn bei Bad Dürrheim in beiden Fahrtrichtungen in Folge des Unwetters gesperrt werden“, berichtet Kluge. Es sei zuviel Wasser auf den Fahrbahnen gestanden, starke Windböen aus allen Richtungen peitschten zudem Sturmholz durch die Luft.
Etliche Autofahrer hätten aus Sorge vor Hagel unter Brücken gestoppt. Wegen des Wassers sei eine Vorbeifahrt an den Haltenden nur noch mit Schrittgeschwindigkeit und schließlich gar nicht mehr möglich gewesen, berichten Retter.
Bei Donaueschingen kam es auf der Bundesstraße zu einem Unfall mit Fahrzeugschaden in Höhe von mehreren 10.000 Euro. Nicht den Witterungsverhältnissen angepasste Fahrgeschwindigkeit soll hier einer der Auslöser gewesen sein.
In Schwenningen, Tuningen und Bad Dürrheim mussten zahlreiche vollgelaufende Keller abgepumpt werden, vor allem im Bereich Bad Dürrheim, so Kluge, hätten sich derartige Einsätze am frühen Abend geballt.
„Es gab keinen Hagel“, stellte Kluge am Dienstagmorgen fest. Das hatte offenbar Gründe. Ab 17.16 Uhr war der Hagelflieger in der Luft. Zunächst impfte der Flieger, finanziert von Kreisgemeinden, dort die Wolken mit Silberjodid, die sich in der Folge abregneten. 17.34 Uhr war die Maschine über Rietheim, anschließend noch in Immendingen. Dann landete der Flieger auf Grund des heftiger werdenden Sturms. Einsatzende war um 18.28 Uhr.
Von der Polizei heißt es, dass zudem etliche Alarmanlagen ausgelöst hätten. Die empfindlichen Anlagen seien vermutlich durch Blitz, Donner fehlausgelöst worden, heißt es aus Retterkreisen.
Markus Megerle, Gesamtkommandant der VS-Feuerwehr, sagt, die „Region ist mit einem blauen Auge davon gekommen“. In Schwenningen sei kurzfristig eine Betriebsfläche an der Eichendorffstraße unter Wasser gestanden.
Probleme bereitet hätten vor allem verstopfte Abflüsse an den Straßen. „Blätter, Äste, Geröll haben hier vielfach das Wasser gestaut. Wir fahren da dann hin und machen das mit einer Schaufel frei, keine große Sache eigentlich“, schildert er.
Eine größere Sache war es da schon für die Rieger GmbH. Der Spezialteile-Hersteller hatte zum zweiten Mal binnen einer Woche Land unter. Geschäftsführer Felix Reichardt sagte am Dienstag zum SÜDKURIER, der Schaden sei „vom Montagabend glücklicherweise gering. Wir hatten natürlich einen beträchtlichen Wassereinbruch“. Bei dem Spezialteilehersteller an der Eichendorfstraße ist die Firma komplett unterkellert. „Wir hatten jetzt zweimal vor unseren Speditionsdocks 80 Zentimeter Wassertiefe“, so Reichardt weiter. Und schaffte dann sogar am Tag danach noch einen kleinen Ulk: „So langsam müssen wir nachdenken, wir wir per Schiff liefern lassen und versenden.“ Auch er bestätigt, dass die verstopften Abläufe das Problem seien. Er wünscht sich von der Stadt jetzt besseren Schutz in dieser Hinsicht.
Heftige Szenen im Norden von VS. Zahllose Einsätze gab es erneut in Rottweil wie schon vor Wochenfrist. In Reutlingen mussten Taucher Menschen aus Untergeschosswohnungen retten, berichtet die Polizei. In Stuttgart wurde das Dach der Oper abgerissen, 250 Personen weilten zu einer Aufführung im Saal.
Für Dienstagabend könnte sich eine ähnliche Wetterlage zusammenziehen. Ab 18 Uhr wollten sich viele Fußballfans zum gemeinsamen Feiern und Schauen des Länderspiels gegen England teils auch im Freien treffen.
Der Hagelflieger
Vor 15 Jahren wurde Villingen-Schwenningen von einem schweren Hagelunwetter erschüttert. Versicherungen addierten nach Monaten eine Schadensdimension von über 250 Millionen Euro. Vor allem Schwenninger Gewerbegebiete waren schwer getroffen. Etliche Dächer wurden zerstört, Maschinen wurden durch Wassereintritt unbrauchbar. Tausende Autos im Landkreis hatten Hagelschäden, auch Privatgebäude waren an Dächern und Fassaden betroffen. 14 Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises entschlossen sich in der Folge, nicht tatenlos zuzuschauen. Sechs der 20 Gemeinden des Kreises beteiligen sich nicht an der Finanzierung des Fliegers. Der Hagelfliegerverein trägt die Struktur dieser Rettungseinrichtung. Es gibt auch ein Spendenkonto.
Vorbild ist die Region Südtirol. Dort wird seit Jahrzehnten vom Boden aus das Silberjodid mit Kanonen in die Wolken geschossen, traditionell zum Schutz der Obstplantagen und Weinberge. Mit dem Flugzeug glauben die Verfechter des Hagelfliegers, noch gezielter die Wolken abregnen lassen zu können. Der entscheidende Stoff ist Silberjodid. Aus Tanks am Flugzeug wird das Mittel in die Wolken geimpft, wie die Piloten seit Jahren formulieren. Die Methode ist umstritten. Lauteste Contra-Stimme ist Wetterexperte Jörg Kachelmann. Er bezeichnet die Vorgehensweise generell als Humbug.
(tri)