Eigentlich wollten sie nur ausgelassen feiern. Die Wetti-Zunft in Behla lud am Samstag, 28. Januar, zum Brauchtumsabend in das eigens eingerichtete Narrendorf zum 50. Geburtstag der Zunft.

Doch plötzlich musste das große Festzelt geräumt werden. 25 Besucher klagten über Übelkeit und Atembeschwerden. Jemand hatte unter den Hunderten im Zelt Reizgas versprüht.

Fast sieben Monate später kam es nun zur Verhandlung am Amtsgericht in Donaueschingen. Auf der Anklagebank sitzt ein junger Mann. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 18-Jährigen gefährliche Körperverletzung in zehn Fällen vor.

Er wollte sehen, was passiert

Um 23.30 Uhr soll der Angeklagte laut Anklageschrift Reizgas in die Menschenmenge des Festzelts versprüht haben. Dabei seien laut Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth zehn Personen „nicht nur unerheblich verletzt“ worden.

Etwa 500 Menschen mussten am Samstag, 28. Januar kurzzeitig das große Festzelt beim Narrentreffen in Behla verlassen. 25 Personen ...
Etwa 500 Menschen mussten am Samstag, 28. Januar kurzzeitig das große Festzelt beim Narrentreffen in Behla verlassen. 25 Personen klagten noch vor Ort über Übelkeit und Atembeschwerden. Eine Person verlor sogar das Bewusstsein. | Bild: Rainer Bombardi

Beim Reizgas habe es sich um Pfefferspray gehandelt, dass er heimlich aus der Tasche seiner Mutter nahm. Ursprünglich nur für den Notfall, behauptet der Angeklagte.: „Ich habe des Öfteren gehört, dass es bei Dorffesten zu Ausschreitungen kommt und ich wollte mich so schützen.“

Der Angeklagte beschrieb, am Abend schon vor dem Eintreffen in Behla gemeinsam mit Freunden Alkohol getrunken zu haben. Nach wenigen Stunden im Festzelt kam ihm schließlich „die dumme Idee“.

Den Effekt von Pfefferspray habe er völlig unterschätzt. „Es war als kleiner Spaß gedacht. Das es solche Auswirkungen haben würde, hätte ich nie gedacht“, so der 18-Jährige weiter. Er wollte aus Leichtsinn sehen, was passiert. Schließlich hielt er die Öffnung der Dose aus seiner Tasche und drückte nach eigener Aussage etwa eine Sekunde lang ab.

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Angeklagter zeigt Reue

Er selbst legte zu Verhandlungsbeginn direkt ein Geständnis ab und betonte Reue über die Tat: „Es tut mir sehr leid. Ich würde es natürlich nie wieder machen. Ich habe es direkt bereut, als ich die Auswirkungen gesehen habe.“

Verhandelt wird der Fall der Reizgasattacke von Behla im großen Sitzungssaal des Schöffengerichts in Donaueschingen. Familie des ...
Verhandelt wird der Fall der Reizgasattacke von Behla im großen Sitzungssaal des Schöffengerichts in Donaueschingen. Familie des Angeklagten, Geschädigte und Interessierte sind bei der öffentlichen Verhandlung anwesend. | Bild: Daniel Vedder

Schon in der Tatnacht wurde der Angeklagte vom Sicherheitspersonal und der Polizei vor Ort aus einem benachbarten Zelt gezogen und kontrolliert. „Er wurde bereits am Tatabend kontrolliert, aber er hielt das Tatmittel nicht mehr bei sich“, erklärte Matthias Bürgel vom Polizeirevier Donaueschingen, der als einziger Zeuge geladen war.

Geschädigte noch Wochen später mit Problemen

In den Wochen danach habe Bürgel neun Geschädigte und Zeugen vernommen, wodurch eine Zeugin ausgemacht werden konnte, die den 18-Jährigen schließlich identifizierte.

Auf die Menschen im Festzelt hatte das Pfefferspray mitunter heftige Auswirkungen. „Schleimhautreizungen, Augenbrennen und Husten waren die häufigsten Symptome. Eine Geschädigte war kurzzeitig ohne Bewusstsein“, so der Kommissar weiter.

Einige Betroffene hatten auch Tage später noch mit Atembeschwerden zu kämpfen. In einem Fall sogar noch bis zum Tag der Verhandlung am 17. August. „Eine Geschädigte hatte eine Herzvorerkrankung und berichtet bis zum Verhandlungstag noch von Beschwerden“, zog Richterin Sabine Summ aus den Protokollen der Zeugenbefragungen.

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Enormes Gefahrenpotenzial

Oberstaatsanwalt Roth zeigte sich vom Leichtsinn des Angeklagten schockiert: „Ich habe mich beim Lesen der Berichte gefragt, worüber man sich mehr ärgern soll. Über die Dummheit der Tat, oder das Gefahrenpotenzial?“

Dabei betonte er, wie viel schlimmer die Situation hätte enden können. „Sie haben Glück, dass niemand so geschädigt wurde, dass Sie auf Schadensersatz verklagt werden“, so Roth weiter. Und nicht nur die direkten gesundheitlichen Folgen des Pfeffersprays seien zu bedenken. „Bei 500 Menschen in einem Zelt kann so viel passieren“, wie etwa eine Massenpanik.

Dennoch rechnete ihm die Staatsanwaltschaft hoch an, dass er sich direkt geständig und einsichtig zeigte. Roth verwies jedoch auch darauf, dass das Strafmaß für Erwachsene für gefährliche Körperverletzung bei mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe liege.

Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth (vorne links): „Ich habe mich beim Lesen der Berichte gefragt, worüber man sich mehr ärgern ...
Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth (vorne links): „Ich habe mich beim Lesen der Berichte gefragt, worüber man sich mehr ärgern soll. Über die Dummheit der Tat, oder das Gefahrenpotenzial?“ | Bild: Daniel Vedder

Strafmaß nach Jugendstrafrecht

Am Ende waren sich Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Verteidigung aber einig, dass im Falle des 18-Jährigen das Jugendstrafrecht angewendet werden soll. „Ein Heranwachsender hat hier unüberlegt gehandelt“, begründet der Verteidiger.

So sprach die Richterin den 18-Jährigen der gefährlichen Körperverletzung in zehn Fällen schuldig und sprach eine Verwarnung aus. Außerdem solle er eine Geldauflage in Höhe von 300 Euro an den Ortsverein Hüfingen des Deutschen Roten Kreuzes zahlen, der am Tatabend im Einsatz war.

„Schlussendlich war es eine sehr dumme und sehr unüberlegte Tat mit erheblichem Gefahrenpotenzial“, begründete Summ die Entscheidung. Allerdings reflektiere sie nicht die Person, die hier bei der Verhandlung zu sehen war. Die Natur der Motivation sei „jugendtypisch“ gewesen, weswegen nicht nach Erwachsenenstrafmaß bemessen wurde.

Der Angeklagte selbst betonte zum Abschluss erneut seine Reue und garantierte, dass eine solche Tat nicht nochmal vorkommen werde. „Ich möchte mich nochmal bei allen Entschuldigen, die ich verletzt und in Panik versetzt habe.“