Plötzlich lassen sich Wespen im direkten Umfeld häuslich nieder – und schwirren dann in immer größerer Zahl täglich umher: Da müssen sich nicht nur viele Balkon- und Gartennutzer jeden Sommer die Frage stellen, wie sie damit umgehen sollen. Auch ein Supermarkt und ein Discounter in Villingen hatten jetzt jeweils ein Wespennestproblem an ihren Standorten. Und haben ganz unterschiedlich reagiert.
Wespennest an der Fassade
Wie es aus Sicht von Wespenfachleuten nicht ablaufen sollte, zeigt der Fall des Discounters Lidl, an dessen Fassade am Standort Enggässle 1 auf einmal ein Wespennest hing.
Zunächst sei noch alles ganz normal und ordnungsgemäß gelaufen, berichtet Expertin Miriam Wraneschitz. Die Mitarbeiter des Lebensmittelmarktes hätten mit der Naturschutzbehörde Kontakt aufgenommen, das Nest sei dann in Augenschein genommen worden.
Es stellte sich heraus: Entwarnung. Bei dem Nest am Lidl handelte es sich um das Heim der Mittleren Wespe, einer nicht sonderlich aggressiven Wespenart.
Von dieser Art würde eigentlich keinerlei Gefahr ausgehen, erklärt der Wespenexperte Ralf Claaßen. „Das ist eine Wespenart, die ich auch gerne im Garten habe“, erzählt er.

Denn was viele nicht wissen: Für den schlechten Ruf der gestreiften Insekten als aggressive Plagegeister sind lediglich zwei der insgesamt zwölf Wespenarten verantwortlich. Die Mittlere Wespe ist keine davon. Sie und neun weitere Arten interessieren sich eigentlich kaum für menschliche Nahrung und geraten dadurch auch nur selten mit Menschen in Konflikt.
Dennoch sollte das Wespennest umgesiedelt werden. Die Kiste dafür hatte die ausgebildete Umsiedlerin Wraneschitz bereits gebaut gehabt. „Ich habe die ganze Zeit auf einen Anruf gewartet“, erinnert sie sich. Doch der kam nicht. Dann die Nachricht: Das Wespennest ist weg.

Es sei beobachtet worden sein, wie zwei Männer, ausgerüstet mit Sprühflaschen, das Nest der aus Sicht der Fachfrau harmlosen Wespenart zerstört und entfernt hätten, berichtet Wraneschitz.
Hohe Strafen drohen
Brisant: Wespen sind durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt. Die Tiere dürfen weder mutwillig beunruhigt noch verletzt oder getötet werden. Auch eine Zerstörung der Nester ist verboten. Eine mutwillige Zerstörung kann in Baden-Württemberg Strafen von bis zu 15.000 Euro nach sich ziehen – bei besonders geschützten Arten so gar bis zu 50.000 Euro.
Eine Befreiung von diesen Verboten ist nur in Ausnahmefällen möglich. Hierfür benötigt es aber eine Genehmigung durch die Behörden. Die hätte es Wraneschitz zufolge aber nicht gegeben.
Was sagt Lidl zu den Vorwürfen? Auf Anfrage das SÜDKURIER teilt die Lidl-Pressesprecherin Isabel Ehrhardt mit: „Die Sicherheit der Kunden hat oberste Priorität. Daher wurde in Villingen-Schwenningen, Beim Enggäßle 1, durch einen qualifizierten externen Fachdienstleister die regelgerechte Entfernung eines Wespennestes aufgrund des starken Flugbetriebs entschieden, um potenzielle Allergiker zu schützen.“
Wespenexpertin ohne Verständnis
Allergiker schützen zu wollen: Das versteht die Wespenexpertin. Doch dafür hätte man nicht das ganze Nest zerstören müssen. „Man hätte die Wespen auch umsiedeln können, ohne dass sie hätten sterben müssen.“ Schließlich sei man ja bereits wegen einer möglichen Umsiedlung in Kontakt gewesen.
Keine Panik bei Wespennest
Dass es auch anders geht, zeigt der Fall Villinger Edeka-Marktes Schönauer. Auf dessen Parkplatz hatten sich Wespen einen Fahrradständer für ihr Nest ausgesucht. Darauf hätten ihn Kunden hingewiesen, erinnert sich Geschäftsführer Andreas Schönauer. Er und seine Frau informieren sich daraufhin über das Thema.

Ein Lieferant habe ihnen geraten, sich an das Landratsamt zu wenden, berichtet Andreas Schönauer. „Gleich am selben Tag kam jemand vom Landratsamt und hat sich angeschaut, welche Wespenart das ist.“

Das Ergebnis der Untersuchung: Auch hier hängt ein Nest der Mittleren Wespe. Deshalb habe das Landratsamt auch geraten, das Wespennest hängen zu lassen und den Bereich davor abzusperren. „Wir haben uns auf den Rat der Experten verlassen“, sagt Andreas Schönauer.
Einen Tag später hätten sie dann einen ihrer Wagen vor dem Nest geparkt und ein Infoschild aufgehängt, das darüber informiert, dass dort eine nicht aggressive Wespenart haust.
Andreas Schönauer war nach eigenen Angaben wichtig gewesen, seine Kunden darüber zu informieren, was da hängt und dass man sich keine Sorgen machen müsste. Wäre es jedoch eine aggressivere Wespenart gewesen, hätte Andreas Schönauer sie von den Experten umsiedeln lassen.

Wespen sind wichtig und nützlich
Die Naturschützerin und Wespenexpertin Miriam Wraneschitz rechnet dem Edeka Schönauer dieses Verhalten hoch an. Denn so ein vorbildliches Handeln sei nicht selbstverständlich, wie der andere Fall in Villingen gezeigt habe.
Für viele Menschen sind die kleinen Insekten nur unnütze Plagegeister, die wild drauf losstechen. Doch das entspricht nicht der Wahrheit, erklärt Miriam Wraneschitz.
Denn Wespen ernähren sich zum Großteil von anderen Insekten und würden so andere Plagegeister wie Mücken oder Fliegen fernhalten. „Wenn man ein Wespennest im Garten hat, dann hat man keine Mücken mehr“, berichtet die Wespenexpertin.
Übrigens: Wer die ehrenamtlichen Wespen-Helfer unterstützten möchte, kann sich unter der E-Mail-Adresse naturschutz@lrasbk.de melden.