Wer in die Notaufnahme kommt, hat sicherlich zunächst andere Sorgen. Nach einer gewissen Wartezeit dürfte er aber den meisten auffallen: der riesige Fernseher. Und was auch gleich auffällt: Das Programm glänzt nicht gerade mit Abwechslung und Unterhaltungswert.

Um den Konsum von Filmen oder Serien geht es bei der großen LCD-Anzeige aber auch gar nicht. Stattdessen vermittelt das Schwarzwald-Baar-Klinikum darüber Informationen für seine Patienten. Es ist ein knapper, jedoch aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen der Notaufnahme.

Ist die Stelle im Klinikum an der Kranke, Verletzte und Verzweifelte mitunter stundenlang auf ihre Behandlung warten, denn der richtige Ort dafür? Eben darum geht es, erklärt Bernhard Kumle. Der Arzt ist der Direktor der Klinik für Akut- und Notfallmedizin am Klinikum Schwarzwald-Baar.

Warum dauert es in der Notaufnahme so lange?

„Über den Monitor informieren wir die Patienten über die aktuelle Situation in der Notaufnahme“, sagt Kumle, „denn viele fragen sich, warum sie so lange warten müssen.“

Bernhard Kumle ist der Direktor der Akut- und Notfallmedizin im Schwarzwald-Baar-Klinikum, der Leiter der Notaufnahme.
Bernhard Kumle ist der Direktor der Akut- und Notfallmedizin im Schwarzwald-Baar-Klinikum, der Leiter der Notaufnahme. | Bild: Block, Andreas

Aktuell zeige das Display, wie viele Patienten es gerade gibt und wie viele davon sich in einem kritischen Zustand befinden. Der Aufwand war vergleichsweise gering. „Bei uns wird ohnehin jeder Patient digital erfasst“, erklärt der Notfallmediziner. Außerdem weiß die Software, ob die Patienten vom Rettungswagen gebracht wurden oder zu Fuß kamen. Immer wieder werden zudem Erklärungen eingeblendet, wie die Abläufe bei der Behandlung sind.

Bernhard Kumle zeigt, wie die Notaufnahme für die Wartenden transparent macht, warum es so lange dauert. Mehr als die Hälfte der ...
Bernhard Kumle zeigt, wie die Notaufnahme für die Wartenden transparent macht, warum es so lange dauert. Mehr als die Hälfte der Patienten sind so schwer erkrankt, dass sie vom Rettungsdienst gebracht wurden – zwei schweben sogar in Lebensgefahr. | Bild: Block, Andreas

„Die voraussichtliche Wartezeit haben wir wieder herausgenommen“, sagt Kumle. Viele hätten daraus die falschen Schlüsse gezogen. Anders als an der Supermarktkasse geht es bei der medizinischen Behandlung eben nicht danach, wer zuerst gekommen ist. Im System ist deshalb vermerkt, in welche Triage-Kategorie die Kranken und Verletzten fallen – also wie dringend sie behandelt werden müssen.

Wartenden reißt der Geduldsfaden

Dass es da durchaus Unterschiede gibt, erschließt sich offenbar nicht jedem. Manchen Patienten reißt beim Warten deshalb der Geduldsfaden. „Die Zahl der Übergriffe ist vor ein paar Jahren deutlich angestiegen“, sagt Notaufnahmen-Chef Kumle. Der Unmut der Wartenden habe sich gegen Mitarbeiter gerichtet. „Es sind Gegenstände geflogen, und Leute über den Tresen geklettert.“

Funktioniert der Monitor-Trick?

Das System ist sogar mit dem Rettungsdienst verknüpft. Die Wartenden erfahren, welche schwerwiegenden Notfälle demnächst im Klinikum ...
Das System ist sogar mit dem Rettungsdienst verknüpft. Die Wartenden erfahren, welche schwerwiegenden Notfälle demnächst im Klinikum eintreffen. | Bild: Block, Andreas

Vom Monitor mit Hintergrundinformationen versprach sich das Team mehr Verständnis von den Patienten. „Die Hoffnung habe ich aber eher begraben“, räumt Kumle ein. Manche Leute interessiere gar nicht, wie die Lage in der Notaufnahme ist.

Warum immer mehr Patienten kommen

Was die Situation verschärft, ist ein ständig anwachsender Strom an Patienten. Als die Planungen für das neue Zentralklinikum im Jahr 2006 begannen, habe es 30.000 Fälle in den Notaufnahmen gegeben. Zum Einzug 2013 im Neubau waren es bereits 36.000 und 2023 wurden 52.000 Patienten in der Notaufnahme gezählt.

Einer der Gründe dafür sei der Mangel an niedergelassenen Ärzten, sagt Bernhard Kumle. Der Anästhesist hält die Einteilung in ambulante und stationäre Versorgung – also in Arztpraxen und Krankenhäuser – für veraltet. „Die Denke ist verkehrt“, sagt er. „Die Notfallversorgung sollte neu definiert werden.“

Chefarzt Bernhard Kumle zeigt die Infoanzeige in der Notaufnahme des Klinikums Schwarzwald-Baar. Den Patienten wird darüber vermittelt, ...
Chefarzt Bernhard Kumle zeigt die Infoanzeige in der Notaufnahme des Klinikums Schwarzwald-Baar. Den Patienten wird darüber vermittelt, welches Arbeitsaufkommen die Mitarbeiter derzeit stemmen müssen. | Bild: Block, Andreas

Derzeit führten die Probleme dazu, dass viele Patienten in die Notaufnahme kommen, die beim Hausarzt besser aufgehoben wären. Sie kommen mit „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“ oder weil sie nach sechs Dosen Energy-Drink hibbelig sind. Oder weil der Hausarzt im Urlaub ist und sie nicht zur Vertretung möchten.

Chefarzt hat Verständnis – in Grenzen

Der Leiter der Notaufnahme hat dabei durchaus Verständnis. „Die Leute wissen nicht, wo sie hin sollen und ich will keinem Patienten absprechen, dass er in Not ist“, sagt er. „Aber muss man ausgerechnet Samstagnacht kommen, wenn die Beschwerden schon seit acht Monaten vorliegen?“

Den Ansturm muss das vorhandene Personal abfangen. „Wir sind ein Zentralversorger, wir gucken jeden an. Und dann dauert es halt“, sagt Sandra Adams, Sprecherin des Klinikums.

Sandra Adams ist Sprecherin des Schwarzwald-Baar-Klinikums.
Sandra Adams ist Sprecherin des Schwarzwald-Baar-Klinikums. | Bild: Block, Andreas

Dass sich der Frust der Wartenden immer wieder an den Mitarbeitern entlädt, bleibt offenbar nicht ohne Folgen. „Die sind der Prellbock, werden beleidigt und beschimpft und müssen extrem viel aushalten“, sagt Bernhard Kumle. Der Mitarbeiterschwund sei in der Vergangenheit hoch gewesen.

So schützt das Klinikum seine Mitarbeiter

Inzwischen hält das Klinikum mit neuen Arbeitszeitmodellen dagegen. Erfolgreich, wie Sandra Adams versichert. Um das Team zu schützen, sei zudem der Tresen verglast und eine Tür zum Behandlungsbereich angebracht worden. Außerdem gibt es Videoüberwachung. Und für Telefonate und das Ausfüllen von Unterlagen gibt es jetzt einen Rückzugsort. „Trotz allem brauchen unsere Mitarbeiter eine extreme Resilienz“, sagt Kumle.

Was spricht für die Arbeit in der Notaufnahme? „Der Teamzusammenhalt“, sagt der Chefarzt. Die Notfallmedizin sei der spannendste Bereich. „Ein Notfall ist nie, wie er im Buch steht.“ Oder auf einem Monitor.