Sind Avocados gefährlich? Eigentlich gelten die Trend-Früchte aufgrund ihrer Mineralstoffe und Vitamine als äußerst gesund. Allerdings versteckt die Beere aus der Familie der Lorbeergewächse ihre wertvollen Inhaltsstoffe zwischen einer harten Schale und einem noch viel härteren Kern.

Vor allem dieser Kern stellt viele Hobbyköche vor ein Problem. Wer versucht, ihn mit einem scharfen Messer herauszulösen, rutscht schnell am glitschigen Fruchtfleisch ab und schneidet sich. Nach einer Studie aus den USA rühren mittlerweile zwei Prozent aller Handverletzungen in der Notaufnahme von Avocados her. Das schreibt die „New York Post“ im Juni 2024.

Zwei Avocados, ein Messer: Wie geht es jetzt weiter? Die Lifestyle-Frucht stellt für manche Hobbyköche eine harte Nuss dar. Häufig geht ...
Zwei Avocados, ein Messer: Wie geht es jetzt weiter? Die Lifestyle-Frucht stellt für manche Hobbyköche eine harte Nuss dar. Häufig geht es nach dem Mis en place – also dem Bereitlegen der Zutagen – deshalb in der Notaufnahme weiter. | Bild: Block, Andreas

Wie sieht das im Schwarzwald-Baar-Klinikum aus? Ob es dort ebenfalls vermehrt Patienten durch das mittelamerikanische Obst (das allerdings herzhaft wie Gemüse verwendet wird) gibt, ist schwer zu sagen.

„Wir erfassen bei unseren Patienten den Unfallhergang“, bestätigt Holger Bannasch. Er leitet die Klinik für Plastische, Hand- und Ästhetische Chirurgie in Villingen-Schwenningen.

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„Das ist natürlich wissenschaftliches Interesse, aber es geht uns auch darum, den Unfallmechanismus zu verstehen“, erklärt Bannasch. Es sei eben ein Unterschied, ob ein Finger mit dem Holzspalter abgetrennt oder von einer Walze in einer Maschine abgerissen wurde. „Die Frage ist unter anderem, wie viel Energie die Ursache war.“

Das sind die häufigsten Gründe für Handverletzungen

Ob es jetzt beim Schneiden einer Avocado oder einer Tomate zu der Verletzung gekommen ist, das gebe die Statistik jedoch nicht her, räumt der Chirurg ein.

Aber: „Mit Abstand am häufigsten kommt es zu Handverletzung im Haushalt und da vor allem im Garten und in der Küche“, ist auch Bannaschs Erfahrung.

Ohne den harten Kern ist die weitere Verarbeitung einer Avocado ein Kinderspiel. Tipp: Das Fruchtfleisch lässt sich mühelos mit einem ...
Ohne den harten Kern ist die weitere Verarbeitung einer Avocado ein Kinderspiel. Tipp: Das Fruchtfleisch lässt sich mühelos mit einem Esslöffel aus der harten Schale lösen. | Bild: Block, Andreas

Bei den Küchenunfällen ist laut dem Chef der Handchirurgie die Lebensmittelzubereitung mit dem Messer die Nummer eins der Ursachen. Gefolgt von Verletzungen beim Ausräumen der Spülmaschine – da vor allem durch Glasbruch. „Verletzungen durch Schneebesen oder Küchenmaschinen sehen wir eher selten“, sagt Bannasch. „Die sind im Allgemeinen gut gesichert.“

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Der hohe Anteil an Verletzungen bei der Zubereitung in der Küche wundert den Chirurgen nicht. „Es gibt eben viele Hobbyköche und die schnipseln viel. Das Ausrutschen mit dem Messer ist eine häufige Ursache“, sagt er.

Was vielen nicht klar sei: Tomaten seien aufgrund ihrer Form und der festen Haut tückisch. „Das ist gar nicht so banal, da braucht es ein sauscharfes oder gezahntes Messer“, rät Bannasch.

Vergleichbar problematisch seien Wassermelonen. Da kommt es laut dem Mediziner auf die Relation von der Größe der Frucht und der des Messers an. Und natürlich: Gurkenhobel.

Küchengeräte kommen häufig mit einem gewissen Verletzungsrisiko daher. Nicht in diesem Fall: Dieses Helferlein ermöglicht es vielmehr, ...
Küchengeräte kommen häufig mit einem gewissen Verletzungsrisiko daher. Nicht in diesem Fall: Dieses Helferlein ermöglicht es vielmehr, den Kern ohne Blessuren aus der Beere zu lösen. | Bild: Block, Andreas

„Ein einfacher Schnitt kann ernsthafte Folgen haben“, warnt Sandra Adams, Sprecherin des Klinikums. „Die Hand ist ein exponiertes Organ mit kostbaren Funktionsstrukturen“, bestätigt Chirurg Bannasch. „Das Durchtrennen von Nerven hinterlässt Ausfälle, die nicht leicht zu beheben sind.“

Zwar sei eine durchtrennte Beugesehne eine relativ kleine Verletzung, ziehe aber schnell eine Operation und monatelange Therapie nach sich.

Auf Hand-Operationen folgen lange Therapien

Die Erwartungshaltung der Patienten sei oft: „Da macht man was mit dem Roboter und dann ist alles wie vorher.“ Dem sei für gewöhnlich nicht so und eine Nachbehandlung sei unerlässlich. Damit die Sehnen nach der Operation nicht verkleben, brauche es im Anschluss eine Physio- oder Ergotherapie.

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„Das ist ein multiprofessionelles Vorgehen und wir verwenden viel Energie darauf, unsere Patienten an Handtherapeuten zu vermitteln“, erklärt Bannasch. „Vor allem zurückhaltendere, sozial schwächere oder Menschen mit Sprachbarriere haben nämlich nicht den gleichen Zugriff auf Therapien und Reha-Angebote.“

Inspiriert von Alfred Biolek

Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, empfiehlt Bannasch eine Methode, die er sich bei Talkmaster und Kochbuchautor Alfred Biolek abgeschaut hat.

Die Avocado wird zunächst längs bis auf den Kern aufgeschnitten, die beiden Hälften dann verdreht, bis sie sich lösen. Ein großes Messer wird in den Kern geschlagen und dann Messergriff und Fruchthälfte verdreht.

Chirurgie-Professor Holger Bannasch entfernt den Kern aus der Avocado Video: Block, Andreas

Dadurch löst sich der Kern vom Fruchtfleisch und kann mit dem Messer herausgehoben werden.

Ein OP ist wie eine Küche

Holger Bannasch sieht übrigens eine leichte Verwandtschaft von der Arbeit in der Küche und der im Operationssaal (OP). „Wie in der gut organisierten Profiküche geht es im OP um Timing und es arbeiten Menschen verschiedener Professionen mit einem gewissen Leistungsanspruch an Zeit und Qualität zusammen“, erklärt er seinen Vergleich.

Operation gelungen! Holger Bannasch hat den Kern mit der Alfred-Biolek-Methode aus dem Fruchtfleisch der Avocado herausgedreht. Alle ...
Operation gelungen! Holger Bannasch hat den Kern mit der Alfred-Biolek-Methode aus dem Fruchtfleisch der Avocado herausgedreht. Alle Finder sind noch dran. | Bild: Block, Andreas

Am heimischen Herd stellt der Hobbykoch am liebsten Nudeln selber her. „Ravioli mit selbst gesammelten Pilzen, falls ich welche finde“, sagt er. Und er komponiert gerne Menüs rund um Fleischgerichte.

Avocados? „Nicht mein Kernthema“, sagt Klinik-Direktor Holger Bannasch. „Aber wir haben eine mexikanische OP-Schwester, die bringt immer Original-Guacamole zum Grillen mit.“