44 Kilometer hin und 44 wieder zurück. Rund eine Dreiviertelstunde wird eine Fahrt dauern. Doch Tatyana Campagna ist glücklich. Ihre Tochter Azzurra hat nach monatelanger Suche wieder eine Kinderärztin: Abreika Burwak, die im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Spaichingen tätig ist.
Dafür wird die Mutter aus Langenschiltach bei St. Georgen künftig für einen Arztbesuch 88 Kilometer weit fahren.
Praxen sind überlaufen
Doch sie ist glücklich, ihre kleine Tochter überhaupt versorgt zu wissen. Die Familie Campagna gehörte zu denjenigen, die nach der Schließung der Praxis von Christoph Leonhardt keinen neuen Kinderarzt fanden. „Bei einer Praxis hieß es schon auf dem Anrufbeantworter, dass man keine Patienten der Praxis Leonhardt aufnehmen könne“, schildert sie. Die Nachfrage ist immens, die vorhandenen Praxen völlig überlaufen. Einen Nachfolger konnte der 67 Jahre alte Villinger Mediziner trotz zweijähriger Suche nicht finden.
Tatyana Campagna hat drei Kinder zwischen zwei und 18 Jahren. Seit der Geburt ihres ältesten Kindes war die Familie in der Praxis. „Dr. Leonhardt hat eine große Lücke hinterlassen“, sagt sie. Auch persönlich bedauert sie den Ruhestand des Mediziners. „Meine Kinder haben ihn vergöttert.“
„Ein kleines Kind braucht einen Kinderarzt.“Tatyana Campagna
Seit einem halben Jahr habe sie nun verzweifelt nach einer Praxis für Azzurra gesucht. Ihr neunjähriges Kind ist bei ihrer Hausärztin untergekommen, ihre Jüngste jedoch nicht. „Sie möchte die Verantwortung für eine Zweijährige nicht übernehmen, und das verstehe ich auch“, sagt Tatyana Campagna. „Ein kleines Kind braucht einen Kinderarzt.“ Mehrmals sei sie mit akuten Erkrankungen – Azzurra bekomme sehr schnell sehr hohes Fieber – nun ins Schwarzwald-Baar-Klinikum gefahren, lange Wartezeiten inklusive.
Dass sich die Suche nach einer Kinderärztin so lange hinziehen würde, hätte die Langenschiltacherin niemals geglaubt. Rottweil, VS, Donaueschingen, selbst im Ortenaukreis habe sie Kinderarztpraxen abtelefoniert – erfolglos. „Und ich frage mich, wo da die angebliche Überversorgung in der Region ist, wenn ich überall abgewiesen werde“, ärgert sie sich.
Zahlen sind rund 30 Jahre alt
Wird die Kassenärztliche Vereinigung (KV) doch bei entsprechenden Anfragen nicht müde, zu betonen, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis selbst nach dem Ruhestand von Christoph Leonhardt mit Kinderärzten rein rechnerisch „überversorgt“ sei. Wenngleich selbst bei der KV mittlerweile eingeräumt wird, dass die Zahlen, auf denen diese Rechnung basiert, überholt sind – stammen sie doch aus den frühen 1990er Jahren.