Was hat eine Mondlandung mit einem Lauflernschuh für Kleinkinder zu tun? Auf den zweiten Blick gibt es tatsächlich einen Zusammenhang. Und dieser hat seinen Ursprung in den kreativen Gedanken von Gerhard Gaiß.
Der 39-Jährige ist Produktdesigner beim Schuhhersteller Ricosta in Donaueschingen. Vor ungefähr zwei Jahren hatte er diesen Geistesblitz.
Ultra-flexible Sohle nötig
Die Aufgabe war, eine ultra-flexible Sohle für Lauflernschuhe zu entwerfen, die sich leicht in verschiedene Richtungen verbiegen lässt. „Ich habe damals den Schuhabdruck eines Astronauten auf dem Mond gesehen, das hat mich für die Sohle inspiriert“, verrät er.
Das Streifenprofil des Astronautenstiefels findet sich in angepasster Form jetzt auf diesem speziellen Kinderschuhmodell von Ricosta wieder.

Nur ein Beispiel von vielen. Gelungene Konzepte und kreative Ansätze finden sich an der großen Wand im Büro von Gerhard Gaiß noch weitere.
Die Pinnwand ist quasi sein privates Inspirationsschaufenster zurück und nach vorne, individuell, kreativ und etwas chaotisch.
Aber das muss wohl so sein, um stets überzeugende Ideen für neue Modelle ersinnen zu können.

Ideen für 40 neue Modelle
120 Modelle habe das Unternehmen im Portfolio, so der Designer. Etwa ein Drittel davon werde jedes Jahr neu entworfen. Rund 40 weitere würden für kommende Kollektionen überarbeitet und verbessert.
Zum Beispiel ein Winterschuh auf seinem Schreibtisch. Diesem hat Gaiß eine spezielle Reflektorschicht an der Sohle im Fersenbereich spendiert, die nun kaum noch von langen Hosenbeinen verdeckt werden kann, was Kindern noch mehr Sicherheit bietet.

Unter dem Strich ist in dem Beruf viel Hirnschmalz und Kreativität gefragt. Und Weitblick. Neue Kreationen werden ein Jahr im Voraus entwickelt.
Aktuell beschäftigt sich Gaiß bereits mit der Produktpalette für den Sommer 2025, damit im Herbst und Winter die Produktion starten kann.
Die erste Skizze
In manchen Fällen ist eine zündende Idee einfach da und Gerhard Gaiß kann sofort beginnen, diese an seinem digitalen Zeichenbrett virtuell auf Papier zu bringen. Bis zum ersten Entwurf geht es dann schnell, wie etwa beim Mondbeispiel.
„Manchmal muss man aber einfach herumprobieren, verwerfen und neu ansetzen“, so der 39-Jährige. Das nimmt mehr Zeit in Anspruch. Aber auch so können Top-Ergebnisse entstehen.
Aus den freien Zeichnungen entwickelt der 39-Jährige exakte 2D-Modelle. In dieser Phase fallen bereits erste Entscheidungen, welche Farben und Materialien später zum Einsatz kommen. „Wir besuchen viele Messen und Branchentreffen, zum Beispiel in Mailand“, so der Designer.
Immer neue Trends im Blick
Auch im Alltag und in den sozialen Medien haben er und seine Kollegen stets einen Blick auf die Trends. „Wenn ich Kinder sehe, schaue ich mir immer auch die Schuhe an“, verrät er mit einem Schmunzeln.
Aus all den Eindrücken werden am Ende ganz eigene Ideen entwickelt und abgeleitet. „Ricostaisieren“, nennt er das und lacht.
Was gerade angesagt ist
Was genau werden Kinder im kommenden Winter und Sommer tragen? Weniger knallig und weniger neonfarben, so viel kann Gerhard Gaiß schon verraten.
„Im Trend sind derzeit gedeckte Farben, nicht nur bei Kindern“, fügt er an und nennt den Farbton Eukalyptus als prominentes Beispiel.
Dieser sei, allen voran, derzeit sehr gefragt. Ein Trend, der wohl auch noch einige Zeit anhalten werde, so seine Einschätzung.
Auf in die dritte Dimension
Der zweidimensionale Entwurf wandert schließlich in die Abteilung Formenbau, wo eine Sohle nach Vorgabe produziert wird.
Auch Peter Strohm erhält den Entwurf. Er ist im Unternehmen für die digitale, dreidimensionale Modellierung des Schaftes zuständig. Als Schaft wird alles über der Sohle bezeichnet. Je nachdem, wie detailliert so ein virtuelles Schuhmodell sein soll, kann das bis zu drei Tagen dauern.
Ist das nicht etwas viel Zeit für ein Modell, das man nicht einmal anfassen kann? Nein, da sind sich Gaiß und Strohm einig. Es spart sogar Zeit und Kosten.
Echte Modelle zu produzieren würde zwar nicht viel länger dauern, spätere Änderungen und Anpassungen sind am Computer jedoch mit wenigen Klicks erledigt, ohne jedes Mal einen neuen Schuh zu produzieren.
Erst digital, dann in echt
Erst wenn am digitalen Modell alles passt, wird letztlich ein greifbarer Prototyp hergestellt, Sohle und Schaft werden miteinander verbunden.
Das Ergebnis wird erneut begutachtet und bewertet. „Bei nötigen Änderungen zeichne ich das direkt auf dem Schuh an.“
Digitale Modelle werden angepasst. Der Ablauf wiederholt sich. Es folgen die Herstellung einer Kleinserie, Anproben und Produkttests, ehe ein Schuh endgültig in Produktion geht.
Ein echtes Eigengewächs
Und wie wird man überhaupt Schuhdesigner? Gerhard Gaiß hat 2002 nach seinem Realschulabschluss bei Ricosta eine dreijährige Ausbildung zum Schuhfertiger begonnen, in der er alle Abteilungen kennenlernte.
Im Anschluss arbeitete er als Schuhmodelleur in der technischen Modellabteilung des Unternehmens und besuchte 2013 eine Designschule in Mailand. Danach wechselte er in das Kollektionsteam, wo er bis heute als Designer tätig ist.