Der Frust bei vielen Anwohnern in der Villinger Innenstadt ist groß: gerne hätten sie eine Photovoltaikanlage auf ihrem Dach, um die Sonnenenergie zu nutzen. Aber dürfen nicht. „Wir haben und gar nicht erst bemüht, weil die Chancen eher gering sind, dass wir es genehmigt bekommen“, sagt Marlen Disch, die mit Mann und zwei Kindern seit drei Jahren in der Brunnenstraße wohnt. „Aber wir hätten großes Interesse daran, eine PV-Anlage auf unser Dach zu setzen.“

Marlen Disch wohnt in der Brunnenstraße. Auch sie hätte gerne auf ihrem Dach eine PV-Anlage.
Marlen Disch wohnt in der Brunnenstraße. Auch sie hätte gerne auf ihrem Dach eine PV-Anlage. | Bild: Patricia Beyen

Seit zwei Jahren wartet die Familie auch auf die Genehmigung, ein Dachfenster in ihr Schlafzimmer einbauen zu dürfen. Und macht sich inzwischen wenig Hoffnung, dass das Zimmer, das später mal ein Kinderzimmer werden soll, noch heller wird. „Es macht für mich keinen Sinn: Autos und Mülleimer verändern das historische Bild der Stadt, aber doch keine PV-Anlage oder ein Fenster auf dem Dach“, sagt Disch.

Das sagt die Stadt

„Die Errichtung von Photovoltaik- als auch von Solarthermieanlagen an oder auf Kulturdenkmalen ist denkmalschutzrechtlich genehmigungspflichtig und bedarf deshalb in jedem Fall im Vorfeld eines denkmalschutzrechtlichen Antrags“, schreibt die Stadt zu dem Thema. Solar- und Photovoltaikanlagen seien in der Villinger Innenstadt zwar möglich, sie müssen jedoch eine bestimmte Form haben.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwenningen hatte Ende des Jahres 2023 beschlossen, dass Biberschwanztonziegel zulässig seien, also Anlagen, die aussehen wie die Ziegel auf den meisten Dächern der Häuser in der Innenstadt. Zudem dürfen diese nicht glänzen.

„Hierbei ist zu bedenken, dass in der Villingen Innenstadt in der Regel naturrote Biberschwanztonziegeln verbaut sind und die Dachlandschaft für die Gesamtanlage der historischen Innenstadt Villingen von großer Bedeutung ist“, heißt es weiter vonseiten der Stadt.

Teuer, schwer und ineffizient

Das Problem: die Bieberschwanztonziegel sind um einiges teurer als eine konventionelle PV-Anlage. Zum anderen sind sie auch schwerer. Joachim Ummenhofer wohnt in der Brunnenstraße und hatte bis Ende vergangenen Jahres ein Unternehmen für Heizungsbau in Villingen-Schwenningen. Auf seinem Dach zwischen den Häusern, von außen nicht einsehbar, hat er eine kleine PV-Anlage.

Gerne würde er auch auf sein Hausdach eine setzen. „Das Problem mit den Biberschwanzziegeln ist, dass diese schnell zu warm werden und dann keine Leistung mehr erbringen“, sagt er.

Joachim Ummenhofer wohnt in der Brunnenstraße. Auch er würde sich über eine Solaranlage auf der Südseite seines Hauses freuen.
Joachim Ummenhofer wohnt in der Brunnenstraße. Auch er würde sich über eine Solaranlage auf der Südseite seines Hauses freuen. | Bild: Patricia Beyen

Bis zum Jahr 2006 hatte er auch eine Solaranlage zur Erwärmung von Warmwasser auf dem Dach. Nachdem ihm das Hagelunwetter 2006 die Anlage zerstört hatte, hat er diese auf dem südlichen Dach nicht mehr installiert. „Die Aussichten auf eine Genehmigung waren gering“, sagt er.

Der Heizungsbauer hat auch seinem Nachbarn Anselm Säger vor 20 Jahren eine Solaranlage zur Wassererwärmung aufs Dach gesetzt. Diese steht noch bis heute. „Wir hatten vor ein paar Jahren überlegt, unser Dach zu dämmen“, sagt Säger. „Aber nach den Bauarbeiten dürften wir die Solaranlage nicht mehr aufsetzen. Da haben wir darauf verzichtet.“

Auf dem Dach von Anselm Säger in der Brunnenstraße gibt es eine Solaranlage. Diese stammt aus dem Jahr 2001.
Auf dem Dach von Anselm Säger in der Brunnenstraße gibt es eine Solaranlage. Diese stammt aus dem Jahr 2001. | Bild: Patricia Beyen

Die Warmwasserthermie spare ihm uns seiner Familie enorm Kosten ein. „In den Monaten Mai bis Oktober brauche ich keine externe Energie, um das Duschwasser in den drei Wohnungen zu erwärmen“, sagt er. „Die Anlage will ich daher nicht missen.“ Dabei sei der Villinger bereit, der Stadt entgegenzukommen. „Ich würde sogar Solarziegel machen.“ Auch an einer PV-Anlage wäre Säger interessiert. Wenn er diese denn genehmigt bekäme. „Aber Bieberschwanzziegel sind sehr schwer. Ich weiß nicht, ob unser Dach das trägt.“

Und wie sieht es in den Nachbarstädten aus?

In Bräunlingen hat der Gemeinderat im Jahr 2022 eine Anpassung der Stadtbildsatzung beschlossen. „Davor waren PV-Anlagen in der Altstadt grundsätzlich verboten“, sagt Bürgermeister Micha Bächle. Nun sind diese unter bestimmten Auflagen erlaubt. So sollten diese auf einer schlecht einsehbaren Stelle oder nicht zur Straße hin installiert werden. „Auf der Paradeseite sind Solarziegel zulässig“, sagt der Bürgermeister.

In Bräunlingen stehen die Häuser in der Innenstadt unter Denkmalschutz. Unter bestimmten Bedingungen sollen PV-Anlagen trotzdem ...
In Bräunlingen stehen die Häuser in der Innenstadt unter Denkmalschutz. Unter bestimmten Bedingungen sollen PV-Anlagen trotzdem zugelassen werden. Unser Bild zeigt das Kelnhof-Museum. Das Foto stammt aus dem Sommer 2023. | Bild: Maren Ott

Rund fünf bis zehn Häuser hätten seitdem eine Anlage auf dem Dach. Etwa die Gaststätte Lindenhof in der Zähringerstraße. „Wir hatten vor 2022 schon zwei Anträge für eine Solaranlage gestellt, die aber abgelehnt wurden“, sagt Inhaber Josef Dury. Nachdem der Änderung der Satzung sei die Stadtverwaltung auf ihn zugekommen. „Das hat super funktioniert.“

Stadt lockert Verbote

Seitdem habe er auf der Westseite des Hauses, von der Straße abgewandt, eine konventionelle PV-Anlage auf dem Dach. Damit könne er etwa ein Drittel des Stroms, den er zur Hauptgeschäftszeit nachmittags und abends brauche, von der Anlage beziehen.

Auch in Hüfingen hat der Gemeinderat Ende 2022 die Altstadtsatzung geändert, „um den Weg für die Errichtung von PV-Anlagen in geeigneten Fällen freizumachen“, wie Bürgermeister Michael Kollmeier schreibt. Auch hier waren Photovoltaikanlagen und thermischen Kollektoren zuvor in der Innenstadt verboten gewesen.

Auch die Hüfinger Innenstadt ist denkmalgeschützt. Bisher gibt es ein Haus mit einer PV-Anlage auf dem Dach. Unser Foto stammt vom ...
Auch die Hüfinger Innenstadt ist denkmalgeschützt. Bisher gibt es ein Haus mit einer PV-Anlage auf dem Dach. Unser Foto stammt vom Sommer 2023. | Bild: Roland Sigwart

„Trotzdem steht die Altstadt nach wie vor unter dem Schutz des Denkmalschutzes, weshalb jeder Bauantrag einzeln darauf geprüft wird, ob die generell geltende PV-Anlagen-Pflicht greift oder ob der Denkmalschutz Vorrang hat“, so der Bürgermeister. Denn auch hier gilt, dass die Anlage mit dem Stadtbild vereinbar sein muss. Das Ergebnis: Bisher gibt es eine Anlage auf einem historischen Gebäude in der Hüfinger Innenstadt.