Tamara und Sabrina Benz sitzen an einem sonnigen Herbstmorgen auf der kleinen Terrasse ihres Elternhauses in Bad Dürrheim und das erste, über das sie reden, ist ihr Hund Sky. Ein Australian Shepherd, der nicht allzu gut mit Besuch klar kommt, ansonsten aber in den vergangenen zwei Jahren ein treuer Begleiter der Familie geworden ist. Und der wichtig für die Geschichte ist, da er der Grund dafür ist, dass die Zwillinge sich im vergangenen Jahr bei der Wahl zur Miss Germany überhaupt beworben haben.
Unter 12.000 Bewerberinnen haben sich die beiden Frauen aus Bad Dürrheim durchgesetzt und sind jetzt unter den Top 160. Als erstes Zwillingspaar in der Geschichte des Wettbewerbs überhaupt.
Tamara Benz ist 26 Jahre alt, Fitnesstrainerin im Easy-fit in Villingen, hat braune Haare, ein feines Gesicht und ein einnehmendes Lächeln. Sie ist die Quirligere von beiden. Sie redet mehr und wirkt ein wenig extrovertierter.
Sabrina ist 26 Jahre alt, Saunamanagerin im Solemar, hat blonde Haare, ein feines Gesicht und ein einnehmendes Lächeln. Sie ist die Ruhigere von beiden. Dafür aber auch die, die bereits Fernseherfahrung hat. Für das Vox-Format die schönste Braut hat sie mit drei anderen Bräuten um 3000 Euro Preisgeld konkurriert. Und bei der Kabel-1-Sendung „Schrauben, sägen, siegen“ hat sie sich mit ihrem Freund einem Handwerker-Wettbewerb gestellt.
„Man muss rausgehen aus seiner Comfort-Zone“, so sieht Sabrina Benz das. Und auch wenn es heute nicht mehr so aussieht, die Zwillingen mussten bereits mehr als einmal über ihren Schatten springen. „In der Schule waren wir immer die grauen Mäuse“, sagt Tamara Benz. „Wir hätten nie gedacht, dass wir mal vor der Kamera stehen werden.“
90/60/90 war gestern
Sie wissen, dass sie mit einer Größe um die 1,60 Meter eigentlich zu klein fürs Modelbusiness sind. Sie wissen aber auch, dass die Miss Germany-Wahl inzwischen mehr ist als ein Schönheitswettbewerb. Es geht um, wie sie es sagen „die Message“, die jede Frau mitbringt. 90/60/90 war gestern. Persönlichkeit/Engagement/Ausstrahlung sind die heutigen Schönheitsmaße.
„Es wäre schön, wenn es fürs Finale reicht“, sagt Tamara Benz. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eine Chance haben“, sagt Sabrina Benz, „es sind aber auch viele andere tolle Frauen dabei“. Wenn sie über die anderen Kandidatinnen reden sagen sie immer „Frauen“, nicht wie in anderen Modelsendungen mitunter üblich „Mädchen“. Sie stehen alle mitten im Leben. Sie wollen was verändern. Sie haben Respekt voreinander. „Jeder supportet einander“, sagt Tamara Benz. „Es ist ein positiver Vibe.“
Bei einer „Live-Experience“ in Hamburg haben sie vor ein paar Wochen einen Teil der anderen Kandidatinnen kennengelernt. Neben Fotoshootings, Outfitauswahl, Make-Up-Styling und Instagram-Reels für das Voting – ein wenig Schönheitswettbewerb ist eben immer noch geblieben – ging es auch um darum, was jede von ihnen antreibt. Bei Tamara und Sabrina ist es der Tierschutz.
Von der Tierrettung zu Miss Germany
Und hier kommt Sky, ihr Australian Shepard, wieder ins Spiel. Als sie sich vor zwei Jahren einen Hund kaufen wollten, haben alle gesagt, sie sollen einen vom Züchter nehmen. Am Ende hatten sie dann ein schlechtes Gewissen, dass sie zu große Hemmungen vor dem Tierheim oder gar einen Hund aus dem Ausland hatten. Inzwischen haben sie sich mehr mit dem Thema beschäftigt, hatten einen Pflegehund aus dem Ausland und engagieren sich für die europäische Tierrettung. Im November wollen sie mit einer Hilfsorganisation nach Rumänien fahren, um Hunde vor der Tötungsstation zu retten.
Sie haben vor einiger Zeit einen Online-Shop gegründet, über den sie selbstgemachte Accessoires für Hunde verkaufen und die Einnahmen spenden. Auf Instagram initiieren sie monatlich eine Spenden-Challenge. Der Shop hat inzwischen über Zehntausend Follower, die Verkäufe halten sich aber noch in Grenzen. „Darum haben wir uns auch beworben“, sagt Tamara Benz. „Um auf den Tierschutz und den Shop aufmerksam zu machen.“
Das war Ende vergangenen Jahres. Monate später, im Frühjahr dieses Jahres, bekommt erst Sabrina die Zusage. „Ich hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, auch weiterzukommen“, sagt Tamara Benz. Die beiden sind nicht naiv. Natürlich wissen sie, dass der Fakt, dass sie Zwillinge sind, auch eine Rolle gespielt haben könnte bei der Auswahl.
Die Bild-Zeitung hat bereits angerufen und auch RTL hat angefragt: Sie wollen eine Homestory mit den Zwillingen machen, wenn sie den Sprung unter die letzten 80 schaffen. 40 davon werden von einer Jury, 40 vom Publikum ausgewählt. In der Woche vom 11. bis zum 18. Oktober kann für Tamara und Sabrina Benz abgestimmt werden. Über die Homepage der Miss Germany-Wahl. Danach gibt es noch zwei weitere Entscheidungen, Shootings, Coachings und ein „Personality-Camp“ bis am Ende 20 Frauen übrig bleiben, die am 19. Februar im Europa-Park-Rust um die Krone kämpfen.
Was, wenn irgendwann nur eine weiter kommt?
„Man freut sich für die Schwester“, sagt Tamara Benz. „Wir würden uns sowieso freuen, wenn überhaupt eine weiterkommt“, sagt Sabrina Benz.
Beide sind in Bad Dürrheim verwurzelt, in Vereinen engagiert. Die weite Welt hat sie außer für zwei Wochen Urlaub nie sonderlich interessiert. Nach dem Abi haben sie studiert – an der Fernuni in Saarbrücken. Auf dem Grundstück ihrer Großmutter wollen sie einmal ein Haus bauen, in dem sie mit ihren Familien unter einem Dach leben können. „Das wäre unser Traum.“ Sie wollen nicht wie so viele andere weg aus der verschlafenen Kurstadt. „Wir leben lieber auf dem Land und uns gefällt der Schwarzwald“, sagt Tamara Benz. Sie wollen bei ihren Eltern bleiben. „Sie haben so viel für uns getan“, sagt Tamara Benz. „Wir wollen später für sie da sein.“
Was, wenn sie es nicht eine Runde weiter schaffen würden, wären sie enttäuscht? „Ich glaube wir würden lügen, wenn wir sagen, wir wären nicht enttäuscht“, sagt Tamara Benz. „Es wäre schon schade“, sagt Sabrina Benz. Tamara Benz lächelt, blickt zu ihrer Schwester. Dann sagt sie: „Aber es ist auch nicht das Wichtigste auf der Welt.“ Und ihre Schwester nickt.